Im August wählt Angola ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Es ist das Ende einer Ära: Der schwerkranke Langzeitpräsident José Eduardo dos Santos tritt nicht mehr an. Ändern wird sich trotzdem nicht viel.
Anzeige
José Eduardo dos Santos ist - nach Äquatorialguineas Langzeitherrscher Teodoro Obiang - Afrikas dienstältester Präsident. 38 Jahre ist es her, dass er die Regierungsgeschäfte übernahm. Als er 1979 an die Macht kommt, ist Angola gerade mal vier Jahre unabhängig. Es tobt ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen der Regierungspartei MPLA und zwei anderen Befreiungsbewegungen, der UNITA und FNLA. Wahlen finden erst 1992 statt. Die gehen - wie alle folgenden Abstimmungen- immer zugunsten von dos Santos und seiner Partei aus. Die Opposition kritisiert fehlende Chancengleichheit und spricht von Wahlfälschung. Internationale Beobachter erkennen die Ergebnisse aber jedes Mal an.
dos Santos tritt ab, seine Partei bleibt
Diesmal bewerben sich insgesamt sechs Parteien um Sitze im Parlament in Luanda. Das Staatsoberhaupt wird aber indirekt mit gewählt. Der erste Kandidat auf der Liste der Partei, die am Ende die meisten Stimmen erhält, wird automatisch Präsident. José Eduardo dos Santos wird es nicht sein. Er hat seinen Rücktritt angekündigt. Der letzte MPLA-Parteitag kührte João Lourenço zum neuen starken Mann der Partei. Es gibt kaum Zweifel in Angola, dass er nach den Wahlen auch Präsident wird.
Die Opposition gilt auch bei diesen Wahlen als chancenlos. "Auch diesmal wird es für die Opposition nicht reichen", sagt der Journalist José Adalberto im DW-Gespräch. Es gebe genug Unzufriedenheit unter den Wählern, so dass die Opposition der Regierungspartei durchaus ein paar Stimmen abnehmen könne. Aber: "Die Opposition ist aufgesplittert und hat keine starke Führung. Sie scheint auch nicht in der Lage, ihre Botschaften verständlich rüberzubringen", so Adalberto zur DW.
"Von Chancengleichheit kann man leider auch 2017 nicht reden", sagt auch Teka Ntu. Seine Partei APN wurde vor zwei Jahren gegründet. "Alle Parteien sind gleich, aber die Regierungspartei MPLA ist gleicher. Das war schon immer so", meint er. Ntu, der bei der APN für Außenpolitik zuständig ist, lebt seit über 10 Jahren in der deutschen Stadt Essen. Für den Wahlkampf hat er sich extra Urlaub genommen. Vielen Oppositionsparteien fehlt es schlicht an Geld, um im Wahlkampf mit der MPLA konkurrieren zu können. Sie haben kein Geld für Werbung, für die Fahrten von Kandidaten und Helfern zu Wahlkundgebungen oder für Geschenke an potenzielle Wähler.
"Es ist sehr traurig, dass die Opposition, bei den bisherigen Wahlen noch nicht einmal 50 von 220 Parlamentssitzen erringen konnte", sagt Ntu im DW-Gespräch. "Was wir zurzeit haben ist eine parlamentarische Diktatur und die muss beendet werden", meint er.
Spekulationen um den Gesundheitszustand des scheidende Präsidenten
José Adalberto ist DW-Korrespondent in Huambo, der zweitgrößte Stadt Angolas. Dort findet an diesem Dienstag (25.07.2017) die Auftaktveranstaltung der Regierungspartei statt. Im Gespräch mit der DW beschreibt Adalberto die umfangreichen Vorbereitungen. Es gibt eine riesige Bühne, die Partei habe das Geld, um tausende Menschen zu der Veranstaltung zu karren. Beamte bekommmen frei. Es gibt Flaggen, Freibier, Live-Musik und schließlich den Auftritt des Spitzenkandidaten: Verteidigungsminister João Lourenço, der neue starke Mann.
Nur einer wird es wahrscheinlich nicht nach Huambo schaffen: der bisherige Staatspräsident José Eduardo dos Santos. Er sei schwerkrank und viel zu schwach, glauben Beobachter. Aus gut unterrichteter Quelle will die portugiesische Wochenzeitung Expresso erfahren haben, dass man sich im Umfeld der angolanischen Führung ernsthaft Sorgen um sein Leben macht.
Seit Jahren pendelt dos Santos zwischen einer spanischen Privatklinik und Luanda hin und her. Die Abstände werden immer kürzer. Von einem Krebsleiden ist die Rede. In der vergangenen Woche ist dos Santos nach Luanda zurückgereist. Doch nach Angaben von Expresso wird er schon in wenigen Tagen wieder in Barcelona zurückerwartet.
"Wenn dem Staatspräsidenten tatsächlich etwas zustößt, dann trifft das die MPLA nicht unvorbereitet", meint der Journalist José Adalberto. Die MPLA-Parteiführung habe vorgesorgt. João Lourenço sei bereits zum Nachfolger bestimmt. Die Partei würde also einen möglichen Tod des Präsidenten auch während des Wahlkampfs "gut wegstecken".
Andere Beobachter sehen das anders: Es könnte Streit um Macht und wichtige Posten geben. Denn José Eduardo dos Santos hat in den letzten Jahren alle wichtigen Postionen im Staat und in den vielen Staatsbetrieben mit Menschen seines Vertrauens besetzt. Das sind vor allem Familienangehörige. Seine Tochter Isabel dos Santos leitet das staatliche Ölunternehmen Sonangol. Sein Sohn verwaltet den staatlichen Ölfonds. Alle hohen Posten in Polizei, Armee und Geheimdiensten wurden ebenfalls mit Personen von des Präsidenten Gnaden besetzt.
Neuer Präsident muss Personentscheidungen des Vorgängers akzeptieren
Die Posten sollen sie behalten können, wenn dos Santos die Macht abgibt. Ein neues, in der letzten Parlamentssitzung durchgepeitschtes Gesetz sieht vor, dass Personalentscheidungen des scheidenden Präsidenten nicht angetastet werden dürfen. Das Gesetz wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Nur die zwei größeren Oppositionsparteien UNITA und CASA-CE stimmten dagegen. Sie stellen aber nur 40 von insgesamt 220 Abgeordneten.
José Eduardo dos Santos: der "ewige" Präsident Angolas
Seit der Unabhängigkeit kennt Angola praktisch nur einen Präsidenten: Seit 1979 regiert José Eduardo dos Santos ununterbrochen. Doch er hat angekündigt, nach den für August 2017 geplanten Wahlen abtreten zu wollen.
Bild: picture alliance/dpa/P.Novais
Ingenieur der Petrochemie
Mit 19 Jahren schließt sich José Eduardo dos Santos der MPLA an. Die marxistisch inspirierte Bewegung kämpft für die Befreiung Angolas von der portugiesischen Kolonialherrschaft. 1963 erhält dos Santos ein Stipendium und studiert Petrochemie in Baku, das damals zur Sowjetunion gehörte. In der UdSSR wird er außerdem in Militärnachrichtentechnik ausgebildert. 1970 kehrt er nach Angola zurück.
Bild: picture-alliance/dpa
Außenminister unter Neto
Nach der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1975 bricht in Angola ein Bürgerkrieg zwischen den drei Unabhängigkeitsbewegungen MPLA, UNITA und FNLA aus. Die Hauptstadt Luanda kontrolliert die MPLA. Parteichef Agostinho Neto (Foto) wird erster Präsident des Landes und installiert ein Einparteienregime. Dos Santos wird erst Außen- und später Planungsminister.
Bild: picture-alliance/dpa
Allianz mit dem Ostblock
Im September 1979 stirbt Neto in Moskau. Zehn Tage später wird dos Santos von der MPLA zum neuen Präsidenten Angolas gekürt. Er festigt die Allianz mit den kommunistischen Ländern im sogenannten Ostblock wie der UdSSR, Kuba oder Ost-Deutschland. 1981 besucht dos Santos die DDR und wird vom Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei SED, Erich Honecker (links im Bild) empfangen.
Während seines Aufenthaltes in der DDR besucht dos Santos 1981 auch das Brandenburger Tor und die Berliner Mauer. Beide sind Symbole für den Kalten Krieg und die Trennung der Welt in Ost und West. In Angola ist aus dem Kalten Krieg aber ein "Heißer Krieg", ein Stellvertreterkrieg, geworden: Der Westen, vor allem Südafrika und die USA, unterstützen die UNITA. Der Osten setzt auf die MPLA.
Bild: Bundesarchiv
Seite an Seite mit Kuba
Vor allem Kuba greift der militärisch unter Druck geratenen MPLA-Regierung unter die Arme. 40.000 kubanische Soldaten kämpfen in Angola, zum Beispiel 1988 in Cuito Canavale. Die Schlacht ist eine der größten des Krieges. Drei Jahre später wird in Portugal ein erster Friedensvertrag unterschrieben.
Bild: picture-alliance/dpa
Mehr Krieg trotz Friedensvertrag
In Folge des Abkommens finden 1992 die ersten Wahlen statt. Die MPLA erhält die Mehrheit im Parlament. Dos Santos schafft aber keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen. Die nötige Stichwahl gegen Jonas Savimbi, den Führer der UNITA, findet nie statt. Der Krieg bricht wieder aus, weil die UNITA von Wahlbetrug spricht und sich weigert, die Wahlen anzuerkennen.
Bild: picture-alliance / dpa
Der Westen verliert das Interesse
Nach dem Ende des Kalten Krieges verliert der Westen das Interesse am Bürgerkrieg in Angola. Die USA erkennen die MPLA-Regierung 1993 an. Diese gibt sich zunehmend kapitalistisch. Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika verliert die UNITA ihren wichtigsten Verbündeten. 1994 wird ein weiteres Friedensabkommen geschlossen. Auch dieses scheitert. Dos Santos setzt nun voll auf die militärische Karte.
Bild: Jörg Böthling/Brot für die Welt
Allianz mit Kabila im Kongo
Im kongolesischen Bürgerkrieg kommt angolanisches Militär ab 1998 Laurent-Désiré Kabila (Foto) zur Hilfe. Dos Santos sorgt dafür, dass Kabila Präsident der Demokratischen Republik Kongo werden kann. Damit kann er der UNITA eines ihrer Rückzugsgebiete nehmen. Außerdem etabliert sich Angola so als eine führende Militärmacht im südlichen Afrika.
Bild: picture alliance/AP Photo/P.Wojazer
Totaler Sieg über Savimbi
Ein internationales Waffenembargo schwächt die UNITA, die international immer mehr isoliert ist. Am 22. Februar 2002 gelingt es Soldaten der Regierungsarmee den Anführer der UNITA, Jonas Savimbi (Foto), zu töten. Noch im selben Jahr schließen UNITA und MPLA-Regierung ein Friedenabkommen. Einer der blutigsten Bürgerkriege Afrikas mit einer Million Toten und vier Millionen Flüchtlingen ist zu Ende.
Bild: AP
Überreste des Krieges
Viele Jahre nach dem Ende des Krieges sind im ganzen Land immer noch Zerstörungen sichtbar, wie auf diesem Bild aus dem Jahr 2009. Nach dem Krieg bleiben Militärs, Generäle und vor allem die Präsidentengarde das Machtzentrum um den angolanischen Präsidenten. Im Norden des Landes kommt es in der Enklave Cabinda bis heute zu militärischen Kämpfen mit der Separatistengruppe FLEC.
Bild: gemeinfrei
Wahlen verschoben und aufgehoben
Obwohl sie eigentlich für 1997 vorgesehen waren, finden die zweiten Parlamentswahlen der Geschichte Angolas erst 2008 statt. Die MPLA siegt mit 81,6 Prozent der Stimmen, die UNITA bekommt 10,4 Prozent. Es gibt Beschwerden, Wähler seien eingeschüchtert und die Wahlen schlecht organisiert worden. Die für 2009 versprochenen Präsidentschaftswahlen finden nicht statt. Dos Santos bleibt an der Macht.
Bild: Reuters
Schwieriger Partner
2011 besucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Angola. Deutsche Unternehmer zeigen sich sehr interessiert, in Angola zu investieren. Doch nur wenige Projekte werden tatsächlich in den folgenden Jahren umgesetzt. Angola bleibt für Deutschland ein schwieriger Partner. Nur wenige Firmen wagen den Schritt in das südafrikanische Land.
Bild: dapd
Unterdrückung der Opposition
Inspiriert durch den Arabischen Frühling demonstrieren Jugendliche ab 2011 gegen dos Santos. Die Proteste werden von der Polizei brutal unterdrückt, Aktivisten festgenommen und verurteilt. 2013 erschießt die Präsidentengarde zwei Oppositionelle. Mitglieder der adventistischen Sekte "A Luz do Mundo" werden brutal verfolgt. Menschenrechtler werfen der Polizei zudem außergerichtliche Tötungen vor.
Bild: DW/N. Sul d´Angola
Endlich gewählt, aber nur indirekt
2010 ändert das Parlament die Verfassung und schafft die direkten Präsidentschaftswahlen ab. Präsident wird der Spitzenkandidat der Liste mit den meisten Stimmen bei den Parlamentswahlen. Die Wahlen 2012 gewinnt die MPLA mit 71,9 Prozent. Nach 32 Jahren im Amt hat dos Santos erstmals demokratische Legitimität. Beobachter kritisieren, die Opposition habe bei den Wahlen keine faire Chance gehabt.
Bild: picture-alliance/dpa
Familienmensch
Neben dem Militär ist die Familie das zweite Machtzentrum von José Eduardo dos Santos. Er war mehrmals verheiratet. Aktuelle Ehefrau ist Ana Paula dos Santos (Foto), ein ehemaliges Modell. Er lernte sie kennen, als sie Stewardess im Präsidentenflugzeug war. Das Paar heiratete 1991 und hat vier Kinder. Bei den Wahlen 2017 wird Ana Paula dos Santos als Abgeordnete für die MPLA kandidieren.
Bild: Reuters
Tocher Isabel ist die reichste Frau Afrikas
Aus dos Santos' erster Ehe mit der Tatiana Kukanova, einer russischen Schachmeisterin, stammt Tochter Isabel. Sie wurde durch eine Telekommunikationslizenz für ihre Firma Unitel zur reichsten Frau Afrikas. Aus seiner zweiten Ehe mit Filomena de Sousa, die im Außenministerium arbeitete, als dos Santos dort Minister war, stammt Sohn José Filomeno. Er leitet den staatlichen Investitionsfonds.
Bild: picture-alliance/dpa
Partnerschaft mit China
China ist der neue Lieblings-Partner von dos Santos. Das Land ist Hauptabnehmer des angolanischen Erdöls und vergibt Milliarden-Kredite an Angola, um dort Infrastruktur-Projekte zu fördern. Mit dem Geld bauen chinesische Firmen ganze Stadtteile wie Kilamba Kiaxi (Foto) in Luanda. Im Gegensatz zum IWF oder westlichen Kreditgebern stellt China keine Anforderungen an Transparenz oder Menschenrechte.
Bild: cc by sa Santa Martha
Armut trotz Reichtum
Trotz Erdöl-Milliarden leben viele Angolaner noch immer in extremer Armut. Das Land hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt. Inmitten der Hauptstadt Luanda findet man Viertel ohne Abwasser-Entsorgung. Viele Gesundheits-Dienstleistungen sind für Arme unbezahlbar, weil sie nur privat angeboten werden. Das Bildungssystem gilt ebenfalls als unterentwickelt.
Bild: DW/N. Sul d'Angola
Diskretion ist seine Marke
Dos Santos ist für diskretes Auftreten bekannt. Interviews oder gar Pressekonferenzen mit ihm haben Seltenheitswert. Auch hält er nur wenige Reden. In den vergangenen Jahren reiste dos Santos regelmäßig wochenlang nach Barcelona in Spanien, um sich dort gesundheitlich behandeln zu lassen. Seine Amtsdauer von 37 Jahren wird in Afrika nur von Teodoro Obiang in Äquatorial-Guinea übertroffen.
Bild: picture alliance/dpa/P.Novais
Angekündigter Nachfolger
Nachdem dos Santos angekündigt hatte, bei den für August 2017 vorgesehenen Wahlen nicht mehr zu kandidieren, hat die MPLA den Verteidigungsminister João Lourenço als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen und damit als seinen voraussichtlichen Nachfolger gekürt. Dos Santos bleibt Parteichef und wird daher weiter großen politischen Einfluss haben.
Bild: Getty Images/AFP
20 Bilder1 | 20
"Dieses Gesetz, dass uns der Präsident hier hinterlässt, hat für eine Menge Polemik gesorgt", sagt der Journalist José Adalberto. Die Handlungsfähigkeit des neuen Präsidenten werde dadurch sehr eingeschränkt. "João Lourenço ist selbst General, er wird also seine eigenen Personalentscheidungen vornehmen wollen, was Militär- Geheimdienst und Polizeiführung angeht", glaubt Adalberto.
Der Wahlkampf hat begonnen. Die Regierungspartei MPLA verspricht vor allem der verarmten und frustrierten Jugend die Schaffung von 500.000 neuen Arbeitsplätzen. Die Oppositionspartei UNITA verspricht die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von umgerechnet 500 US-Dollar pro Monat. Die CASA-CE will eine Staatsreform und Lokalwahlen.
Alle Parteien fordern einen fairen und vor allem friedlichen Wahlkampf. Dennoch gab es schon erste Zwischenfälle: Am Wochenende wurde ein 17jähriger nahe der Hauptstadt von der Polizei auf der Flucht erschossen. Sein Vergehen: er hatte eine MPLA-Flagge angezündet.