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Politik

Städte entscheiden die Zukunft

Helle Jeppesen
17. Oktober 2016

Jeder dritte Mensch wird 2050 in einer Stadt leben. Wie nachhaltig diese Entwicklung gestaltet wird, hängt auch von den Richtlinien ab, die auf dem großen UN Weltsiedlungsgipfel, Habitat III, beschlossen werden.

China Stadtansicht Hongkong
Bild: picture-alliance/Ton Koene

Städte schüren Hoffnung - auf ein besseres Leben, auf Bildung, Jobs und eine bessere Zukunft. Städte sind Innovationszentren, sie kurbeln die Wirtschaft an und erzeugen 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – weltweit. Sie sind platzsparend: nur zwei Prozent der Landfläche werden von Städten beansprucht – doch gleichzeitig ressourcenintensiv. Laut UN-Habitat verbrauchen Städte mehr als 60 Prozent der global erzeugten Energie, sie sind für 70 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und sie produzieren 70 Prozent des weltweiten Mülls.

"Ohne die Städte ist es schwer denkbar, dass die Entwicklungsziele erreicht werden können", sagt die Stadtsoziologin und Stadtplanerin Eva Dick vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, DIE. Die SDGs, die nachhaltigen Entwicklungsziele, wurden im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet. Im Dezember folgte das Pariser Klimaschutzabkommen, das demnächst in Kraft tritt.

"Es ist jetzt schon so, dass Habitat III von vielen Stimmen als die erste Umsetzungskonferenz verstanden und propagiert wird – natürlich auch gerne von der städtischen Community", so die Städteexpertin der DIE.

Städte ohne Stimme

Die Städte stehen vor enormen Herausforderungen. Viele Entscheidungen werden sie mit tragen müssen, das Sagen auf der alle 20 Jahre stattfindenden UN Habitat-Konferenz haben andere:

 "Die Städte sitzen nicht am Verhandlungstisch der Vereinten Nationen. Das sind per se Nationalregierungen", sagt Dick – betont allerdings, dass die New Urban Agenda, die Neue Urbane Agenda, welche auf der Habitat III Konferenz (17.-20. Oktober 2016) in Quito, Ecuador, beschlossen wird, nicht verbindlich, sondern in erster Linie eine Willensbekundung ist.

Die Städte werden Milliarden auch im öffentlichen Nahverkehr investieren müssenBild: Luis Acosta/AFP/Getty Images

In der in Quito ausgearbeiteten Neuen urbanen  Agenda geht es um eine Vision für nachhaltige Städte. 

Klamme Kassen

"Die Finanzmittel sind natürlich ein A und O dafür", sagt Monika Zimmermann, Vize-Generaldirektorin von ICLEI, ein globales Netzwerk für Nachhaltigkeit bestehend aus mehr als 1500 Städten, Kommunen und Lokalregierungen.

"Wenn ich als Bürgermeister ein Etat habe, der mir kaum reicht meine städtischen Mitarbeiter zu bezahlen, wie soll ich dann eine neue Wasserversorgung einrichten? Wie soll ich dann in einen neuen öffentlichen Nahverkehr investieren?"

Zimmermann hat die chronisch klammen Kassen vieler  Städte im Blick und fügt hinzu:

"Unsere Forderung an die Neue urbane Agenda ist immer gewesen, dass sich die Nationen verpflichten Rahmenbedingungen herzustellen, die die Städte überhaupt in die Lage versetzen, das alles zu tun, was wir von ihnen verlangen."

Firmen nutzen Steueroasen

Die Finanzlage vieler Städte ist in der Tat schwierig, nicht zuletzt weil die Einkommensquellen meist nicht von den Städten gesteuert werden. Gebühren und Beiträge, die Bürger zum Beispiel für Abwasserreinigung, Müllentsorgung oder Wasserversorgung bezahlen, fallen nur dann an, wenn diese Dienstleistungen nicht bereits aus Geldmangel privatisiert wurden.

Seit Jahren leiden Städte und Kommunen unter Steuerflucht und fehlende SteuereinnahmenBild: picture-alliance/dpa

Bei Steuereinnahmen geht  global gesehen der größte Anteil an den Staat oder an die Bundesstaaten. In Deutschland etwa steht zwar die Gewerbesteuer den Städten und Kommunen zu, sie ist jedoch konjunkturabhängig. Das heißt: Je schlechter die Konjunktur, desto weniger Einnahmen für Städte und Kommunen.

Außerdem zahlen viele Firmen über die geschickte Verteilung von Hauptsitz und Tochtergesellschaften ihre Steuern in den Ländern mit dem günstigsten Steuersatz. "Es müssen auch internationale Konzerne ordentliche Steuern vor Ort bezahlen", so Zimmermann, die angesichts der hohen Klimaschutzausgaben vieler Städte und Kommunen außerdem fordert:

"Kommunen müssen einen direkten Zugang zu den Mitteln des Green Climate Fund bekommen oder auch zu anderen vergleichbaren internationalen Töpfen, die eingerichtet wurden", sagt sie mit Blick auf die international versprochenen finanzielle Unterstützung für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen.

Neue Lobby-Netzwerke

Um  ihre Forderungen durchzusetzen haben sich viele Städte und Kommunen in Netzwerke und Bündnisse zusammengeschlossen. ICLEI – Städte, Kommunen und Lokalregierungen für Nachhaltigkeit – ist ein solches Netzwerk, das Europäische Klima-Bündnis mit 1700 Mitgliedskommunen ein anderes. Weltweit haben sich 86 Mega-Cities und Hauptstädte in dem  C-40-Netzwerk zusammengeschlossen: insgesamt wird in diesen Städten rund ein Viertel des globalen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet.

In den großen Städte-Netzwerken geht es um die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung, es geht um Maßnahmen gegen den Klimawandel und nicht zuletzt auch um den rasanten Bevölkerungszuwachs in den  urbanen Zentren.

"Mittlerweile ist es so, dass nicht die Megastädte am schnellsten wachsen, sondern eher die kleinen Mittelstädte und die peri-urbanen Gebiete, also die ländlichen Gebiete, die sich praktisch direkt an die Außenbezirke der Städte anschließen", so die Stadtsoziologin Eva Dick.

Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit: Die Stadt FreiburgBild: picture-alliance/dpa

Dort also, wo praktisch noch keine nennenswerte Infrastruktur vorhanden ist, wo vieles neu und nachhaltig gestaltet werden kann, und wo neue städtische Strukturen entstehen können.

Städte  und Identität

Doch wie sieht eine nachhaltige Stadt aus? Eine Stadt der kurzen Wege mit bezahlbarem Wohnraum, effizienter öffentlicher Verkehrsnetze und hoher Lebensqualität. Dazu noch umweltfreundlich, weitestgehend autark und klimaneutral – und gleichzeitig mit Jobs, die Einkommen für Millionen von Menschen schaffen.  "Städte haben ja nicht nur eine Versorgungsfunktion, sie machen auch die Identität der Menschen, die in ihnen leben, sehr stark aus", so Eva Dick.

In einigen Regionen der Welt werden derzeit Musterstädte am Reißbrett geplant. Die Öko-Stadt Maidar City, in der Mongolei ist so ein Projekt. Sie soll vor allem als "Entlastungsstadt" für die völlig überlastete Hauptstadt Ulan Bator dienen. Bis  2030 sollen die ersten 90.000 Einwohner in die Musterstadt ziehen, angelegt wird sie für rund 300.000 Bewohner.  

Doch ob neue Städte vom Reißbrett  oder alte Städte mit überholter und unterdimensionierter Infrastruktur: der Umbau der Städte ist eine globale Aufgabe von nie dagewesener Dimension. In den kommenden 35 Jahren muss zusätzlicher Wohnraum für Milliarden von Menschen geschaffen werden. Dabei müssen der sozialen Friede und das Sicherheitsbedürfnis mitgedacht werden.  

 

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