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Politik

In den Waffenschmieden des IS

14. Dezember 2016

Brisante Erkenntnisse einer britischen NGO: Der IS stellt in großem Umfang erstaunlich hochwertige Waffen und Munition her. Die Vorprodukte stammen überwiegend aus der Türkei, sagt CAR-Direktor James Beavan.

Irak IS-Waffenindustrie in Mossul
Bild: Conflict Armament Research

Teams der britischen Nichtregierungsorganisation Conflict Armament Research (CAR) haben im November irakische Truppen bei der Offensive gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Mossul begleitet. Dabei konnten die CAR-Experten sechs Waffenfabriken des IS untersuchen. Daneben begutachteten sie auf dem Schlachtfeld zurückgelassene Waffen und Munition. Am Mittwoch veröffentlichen sie einen umfassenden Bericht. 

DW: Welche Art von Waffen wurden in den Waffen- und Munitionsfabriken des IS produziert, in welcher Menge und Qualität?

James Beavan: Der "Islamische Staat" hat in erster Linie Mörsergranaten verschiedenen Kalibers produziert, vor allem 120 Millimeter Granaten, sowie mindestens zwei Arten von Raketen. Was wir in den Werkstätten gesehen haben und was wir auf dem Schlachtfeld sichern konnten, lässt den Schluss zu: Davon wurden Zehntausende hergestellt. Bezüglich der Qualität arbeitet der "Islamische Staat" mit standardisierten Kontroll-Maßnahmen. Von uns gefundene Dokumente listen die genauen Spezifikationen auf. Als wir nachgemessen haben, hat sich gezeigt: Die aufgefundene Munition entsprach exakt den Vorgaben. Die Präzision war hoch, die Verarbeitungsqualität war gut.

Waffenexperte James Beavan im Irak Bild: Conflict Armament Research

Wie stark hängt denn der "Islamische Staat" von seiner eigenen Waffenproduktion ab? Welche Rolle spielt sie in der Kriegslogistik der Terrormiliz?

Der IS nutzt improvisierte Waffen, aber er benutzt sie in konventioneller Weise. Die meisten IS-Kommandeure sind ehemalige Offiziere der irakischen Armee oder der Nachrichtendienste. Deshalb tendieren sie zu eher konventionellem Einsatz. Mit der Herstellung von Mörsergranaten zum Beispiel wird der Bedarf nach lokaler Artillerie gedeckt; das Gleiche gilt für die Raketen. Die werden auch massiv eingesetzt - auch, als die CAR-Teams in Mossul waren. 

Wie technisch anspruchsvoll war die Produktion der Waffen?

Wir sprechen hier von improvisierten Waffen in dem Sinne, dass nicht-standardisierte Materialien verbaut wurden, dass keine industriellen Sprengstoffe oder Raketentreibstoffe eingesetzt wurden. Aber auch wenn die Produktionsstätten sehr einfach aussehen: Sie haben arbeitsteilig produziert, was sie brauchten; sie stellten es in hohen Stückzahlen her und in angemessener Qualität. Das war deutlich weiter entwickelt als alles andere, was wir jemals bei einer nicht-staatlichen Truppe gesehen haben! Wir haben auch in Ramadi, Falludscha oder Tikrit Waffenfabriken des IS untersucht. Aber der Umfang der Produktion in Mossul war sehr viel größer. Immerhin ist Mossul auch das Wirtschaftszentrum des "Islamischen Staates". Mossul ist eine bedeutende Stadt, die zweitgrößte im Irak. Dort gab es eine Menge Ingenieurs- und Produktionskapazität. Die hat sich der IS zunutze gemacht.

Tödlich einfach: Gussform für Mörsergranaten Bild: Conflict Armament Research

Laut dem CAR-Bericht hat der IS die chemischen Vorprodukte für die Raketentreibstoffe und die Sprengstoffe in großen Mengen über eine stabile Versorgungskette beschaffen können, weit überwiegend aus der Türkei. Wie kann der IS über lange Zeit ein solches Versorgungsnetz betreiben, ohne dass Geheimdienste darauf aufmerksam werden?

Die türkische Regierung weiß, dass sie hier ein Problem hat. Sie unternimmt auch Schritte, um zum Beispiel den Verkauf von Kaliumnitrat - oder Salpeter - auf dem heimischen Markt zu regulieren. Das wird in der Landwirtschaft als Düngemittel eingesetzt, kann aber eben auch für die Herstellung von Sprengstoff genutzt werden. Aber Tatsache bleibt: Der IS war in der Lage, sich über lange Zeit auf dem kommerziellen Markt in der Südtürkei mit Vorprodukten und chemischen Rohstoffen zu versorgen. Die Untersuchung der Versorgungskette zeigt das sehr deutlich. Die Grenze zwischen den vom IS kontrollierten Gebieten und der Südtürkei war lange Zeit mehr oder weniger offen. Es gab da sehr viel grenzüberschreitenden Handel. Das bildet einen interessanten Kontrast zur Grenze zwischen der Türkei und den von der Kurdenmiliz YPG kontrollierten Gebieten: Die ist hermetisch verschlossen. 

Salpeter für die Landwirtschaft: Der IS macht daraus SprengstoffBild: Conflict Armament Research

Abgesehen von der Waffenproduktion: Welche Informationen über die Waffen des IS hat die Organisation CAR in Mossul noch sammeln können?

Anfangs - und das wurde auch weithin publiziert - hat der IS große Mengen an Waffen und Munition von der irakischen Armee erbeutet. Noch heute finden wir beim IS Waffen, die aus den Arsenalen der irakischen Armee stammen. Auch von der syrischen Armee haben sie zahlreiche Waffen erbeutet. In jüngerer Zeit werden zunehmend Waffen und Munition eingesetzt, die über Nordsyrien kommen. Sie wurden international finanziert durch die Türkei an syrische Rebellentruppen geliefert, bevor der IS  sie in die Hände bekommen hat.

Nicht ohne Etikett: IS-MörsergranatenBild: Conflict Armament Research

Was bedeuten die Untersuchungen von CAR für den Fortgang der Offensive gegen den IS in Mossul in Bezug auf die Versorgung der Terrormiliz mit Waffen und Munition? 

Ich möchte da nicht spekulieren. Aber was wir sehen, ist: Im Moment verschießt der IS Munition, die erst kürzlich hergestellt wurde, innerhalb der letzten drei Jahre. Sie haben zwar einen enormen Verbrauch an Munition, aber die Versorgung scheint weiter zu funktionieren. Ich würde davon ausgehen, dass der IS mit Waffen und Munition gut versorgt ist.

Das Gespräch führte Matthias von Hein.

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