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Die Falle von Budapest

Max Hofmann, Budapest2. September 2015

Nach der Freude über die Ankunft in Europa wird den meisten Flüchtlingen in Budapest deutlich: Sie sitzen am Bahnhof in der Falle. Die Stimmung kippt, die Polizei ist allgegenwärtig. Max Hofmann berichtet aus Budapest.

Flüchtlinge in der Transitzone des Bahnhofs in Budapest (Foto: DW/L. Scholtyssyk)
Bild: DW/L. Scholtyssyk

Schon gegen 11 Uhr vormittags ist klar, dass sich etwas zusammenbraut. Spezialeinheiten der Polizei laufen langsam Richtung Bahnhofsvorplatz. Kugelsichere Westen, Tränengasdosen und Sonnenbrillen, sie sehen alle ein wenig aus wie Robocops. Auf der anderen Seite die Flüchtlinge in verdreckten T-Shirts, zerschlissenen Jeans und alten Pizzakartons, auf denen Dinge stehen wie "Wir sind auch Menschen".

"Jetzt nehmen wir alle mit", raunt uns einer der Polizisten zu, als er auf die Zelte mit den Familien aus Syrien zuläuft. Die Menschen mit Dokumenten sollen auf der Wache ihre Fingerabdrücke abnehmen lassen und so das in der EU vorgesehene reguläre Asylverfahren einleiten. Als Folge müssten sie in Ungarn bleiben, bis dieses Verfahren abgeschlossen ist.

Die Behörden wollen alle anderen in die Flüchtlingslager außerhalb Budapests bringen und irgendwann abschieben, sollte sich herausstellen, dass sie kein Anrecht auf politisches Asyl haben.

Wichtigste Regel der Flüchtlinge: immer in der Gruppe bleibenBild: DW/L. Scholtyssyk

Die Menge macht's

Beides sind Optionen, von denen die Flüchtlinge nichts wissen wollen. Aber es kommt anders. Auf einmal bildet sich in der Menge ein Riegel aus Menschen. Die Flüchtlinge stehen eng nebeneinander und halten sich fest an den Händen. Dann laufen sie los Richtung Polizei und rufen "Wir wollen gehen" oder brüllen einfach nur. Die Polizisten haben die Wahl: Eskalation oder Rückzug. Sie wählen den Rückzug, ein Punktsieg für die Flüchtlinge auf dem Platz.

"Das wird nicht funktionieren“ erzählt uns Mohammed, den wir seit Dienstag immer wieder treffen. Der 23jährige Syrer möchte in Deutschland studieren. "Ich bin gegen Gewalt, hier sind doch auch Frauen und Kinder." In der Tat sind es vor allem die "jungen Wilden" unter den Flüchtlingen, die immer wieder bis zur Polizeisperre vorlaufen und demonstrieren. Ob er sich lieber abführen lasse, frage ich Mohammed: "Nein, aber hier sind wir sicher", meint er, "wir sind zu viele für die Polizei".

Taxifahren ist zu teuer

Das ist ein wichtiger Grund, warum die meisten Gestrandeten hier vor dem Bahnhof bleiben und nicht versuchen, sich auf eigene Faust Richtung Westen durchzuschlagen. Es gäbe ja Möglichkeiten: Taxi, Bus oder auch zu Fuß. Aber sobald die Flüchtlinge die Menge verlassen und die große Straße am Rande des Bahnhofs überqueren, besteht die Gefahr, dass sie einkassiert werden.

Immer wieder laufen kleine Gruppen, eskortiert von zahlreichen Polizisten, am Rand des Bahnhofs entlang. Sie sind auf dem Weg in die Camps oder zur Wache.

Einen weiteren triftigen Grund gibt es, warum die Menschen hier ausharren: das Geld. 600 Euro verlangen die Taxifahrer für die riskante Schlepperfahrt von Budapest nach München, pro Passagier. "Gutes Geld", meint einer der Fahrer. Mehr sagt er nicht. Soviel haben die meisten hier allerdings nicht. Die Reserven sind normalerweise aufgezehrt: für das Zugticket, das sie nicht benutzen können, oder für Essen und Wasser, denn vom ungarischen Staat kommt nach wie vor keine Hilfe.

Die Polizei schwankt zwischen Härte und RückzugBild: DW/L. Scholtyssyk

Transitzone ohne Transit

Er warte auf eine Western-Union-Überweisung, meint ein syrischer Familienvater: "Ich habe nicht gewusst, dass ich hier solange bleiben muss." Er schläft auf einer Decke in der sogenannten "Transit Zone". Allerdings ist hier von Transit keine Spur, eher von Stagnation. Hunderte campieren in den Passagen unter dem Bahnhofsvorplatz. Es riecht nach Schweiß, Kinder weinen, es ist eine Falle, aus der die Menschen zur Zeit nicht herauskommen.

Ihr Ziel hat sich allerdings nicht geändert: "Germany!" Nur das Bewusstsein, was da noch auf sie zukommt. Von der Freude über die Ankunft in der EU, keine Spur mehr. Was denn der schlimmste Teil seiner Reise durch Kriegsgebiete, über das Meer und die sengende Hitze des Balkans gewesen sei, fragen wir den Familienvater. Die Antwort kommt schnell: "Dieser hier".



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