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Antischwerkraft-Laufband

Gudrun Heise28. Dezember 2013

Ursprünglich hatte es die NASA für ihr Astronautentraining entwickelt: das Antischwerkraft-Laufband. Aber auch Menschen, die nicht vorhaben, in andere Sphären aufzubrechen, profitieren von der Schwerelosigkeit.

Ein Astronaut im All (Foto: NASA/ Newsmakers)
Bild: NASA/Newsmakers

"Es ist ein bisschen so, als würde man schweben", schwärmt die 50-jährige Alwina. Und es sieht tatsächlich so aus, wenn man sich ihre Bewegungen auf dem Laufband ansieht. Ihre Füße berühren kaum den Boden. Bis zur Taille steckt sie in einer Art Kammer, in der Überdruck herrscht und die luftdicht abgeschlossen ist. Nur der Oberkörper der Patientin ragt heraus. Durch die transparenten Seitenwände kann man sehen, wie sich ihre Beine ohne jede Anstrengung auf dem Antischwerkraft-Laufband bewegen, Schritt für Schritt und wie auf Wolken.

In der Luftkammer des Laufbandes herrscht ÜberdruckBild: Andreas Stommel

Der Physiotherapeut kann das Gewicht der Patienten mit dem sogenannten Alter G stufenlos reduzieren, um bis zu 80 Prozent. Das entspricht in etwa der geringen Schwerkraft auf dem Mond, die auf Astronauten wirkt. Für Alwina eine sehr angenehme Erfahrung: "Ich wiege leider 95 Kilo. Beim Laufen fühle ich mich aber gar nicht so schwer. Ich fühle mich eher so, als würde ich 50 Kilo wiegen." Alwina muss wegen eines Trümmerbruchs am linken Bein trainieren. Auf dem Laufband muss sie nur gegen einen Bruchteil der Schwerkraft ankämpfen. So werden die Gelenke entlastet, der Druck von Knien, Hüfte und den Sprunggelenken genommen. Und plötzlich ist es einfach, flott zu gehen.

Mit Sicherheit gewinnen

In der Luftkammer kann der Patient nicht stolpern oder hinfallen und sich dennoch bewegen. Gerade ältere Menschen haben oft Angst davor, zu stürzen. Besonders nach Operationen sind sie oft unsicher. Der Linzer Sportmediziner und Chirurg Dieter Altmann hat mit seinen Patienten die Erfahrung gemacht, dass Laufen unter reduzierter Schwerkraft hilft, wieder auf den eigenen Füßen zu stehen. "Sie sagen dann meistens: 'Ich habe weniger Schmerzen, weil ich das Bein nicht voll belaste.' Und dann trauen sich die Patienten später auch eher, wieder ihr volles Gewicht zu tragen." Der Physiotherapeut Andreas Stommel teilt diese Meinung. "Ältere Menschen haben sowieso eine Affinität dazu, hinzufallen. In diesem Gerät wird der Patient dreidimensional stabilisiert. Er kann nicht mehr stürzen. Das gibt ihm unglaubliche psychologische Unterstützung."

Ältere Menschen sind oft unsicher beim GehenBild: Caroline Schrader/Fotolia

Sportler werden schneller wieder fit

In seinem Rehabilitationszentrum in Bonn arbeitet Andreas Stommel seit etwa einem Jahr mit dem Alter G. Dabei ist es ihm wichtig, das Therapieziel jedes Patienten genau zu kennen. "Geht es um Rehabilitation nach einer Operation? Oder geht es darum, einen Athleten nach einer Sportverletzung möglichst schnell wieder ins Training zu integrieren oder ihn auf einen Wettkampf vorzubereiten?" Möglichst wenig Muskelmasse abzubauen, sich möglichst schnell wieder bewegen zu können, bei Sportlern steht das an oberster Stelle, und das nicht nur bei den Profis. Der 17-jährige Mohammed hatte sich beim Fußballspielen verletzt. Das war im September. "Ich bin aufs Tor zugelaufen und wurde dann vom Torwart gefoult. Ich hatte einen Schien- und Wadenbeinbruch."

Aber es kam noch schlimmer: Gewebe starb ab. Ein Muskel musste zu drei Viertel entfernt werden. Jetzt bekommt der junge Fußballer regelmäßig Physiotherapie. Zusätzlich trainiert er auf dem speziellen Laufband. Noch hat er Probleme mit dem sogenannten Fußhebermuskel, und der sei schließlich wichtig für die Ballkontrolle. Etwa 26 Einrichtungen in Deutschland bieten mittlerweile Training mit dem Alter G an, in den USA sind es bereits über 800. Und die Kosten? Die belaufen sich auf immerhin rund 45.000 Euro für ein Antischwerkraft-Laufband.

Leicht wie eine Feder

Aus 100 Kilo gefühlte 20 Kilo machen - mit dem Antischwerkraft-Laufband geht das, so wird das Laufen leichter - nahezu schwerelos eben. Gerade für Menschen mit krankhaftem Übergewicht ist es wichtig, überhaupt wieder in Bewegung zu kommen. Viele können normale Sportarten gar nicht mehr ausführen, weil ihnen dann alles weh tut und weil Gelenke und Rücken durch das Gewicht viel zu stark belastet werden. "Wir können sie dann in dieser Schwerelosigkeit so trainieren lassen, dass sie keinen zu großen Druck mehr auf die Bandscheibe und auf die Gelenke erfahren", erklärt Stommel. Bewegung ersetzen kann das Gerät aber in keinem Fall. Und irgendwann muss der Patient ja auch wieder runter von Wolke sieben und damit auch von seinem Federgewicht.

Beim Laufen im Alter G werden die Gelenke kaum belastetBild: Andreas Stommel
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