In der Welt zu Hause: Bleibt VW ein deutsches Unternehmen?
15. Januar 2025Volkswagen wirkt mit seinen Modellen Käfer, Golf, Polo und dem VW-Bus als einzigartig deutsch, aber der Autobauer ist weltweit tätig und hängt von vielen anderen Ländern ab, um seine Fließbänder am Laufen zu halten.
Im Jahr 2023 produzierte VW - die größte der zwölf Marken des Volkswagen-Konzerns - weltweit über 4,8 Millionen Pkw und erzielte einen Umsatz von über 86 Milliarden Euro (90,2 Milliarden Dollar), was einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach. Das geht aus dem im März 2024 veröffentlichten Jahresbericht hervor.
Aber das ist Schnee von gestern. Mittlerweile hat sich der Automobilmarkt stark gewandelt, besonders bei Elektrofahrzeugen. Dazu kommen Fehleinschätzungen des VW-Managements, die den Erfolg des Unternehmens bedrohen.
Hausgemachte und globale Probleme
Die Nachfrage nach Neufahrzeugen ist in Europa rückläufig und wird möglicherweise nie wieder das Niveau vor der Corona-Pandemie erreichen, als 17 Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkauft wurden. Vor allem die Nachfrage nach VW-Fahrzeugen ist zurückgegangen, seit chinesische Konkurrenten dabei sind, den globalen Markt für Elektrofahrzeuge zu übernehmen.
In den ersten neun Monaten des Jahres hat VW weltweit 2,26 Millionen Fahrzeuge verkauft. Das ist etwas mehr als im Vorjahreszeitraum; auch der Umsatz stieg leicht an. Der Betriebsgewinn hingegen sank nach Unternehmensangaben um fast 37 Prozent von 2,12 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen 2023 auf 1,34 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum dieses Jahres. Der Grund: höhere Fixkosten und Restrukturierungen.
Zu Hause in Deutschland hängt bei VW der Haussegen schief. Das Unternehmen hat drastische Einschnitte angekündigt. Steigende Energiepreise seit dem weitgehenden Ende der russischen Gaslieferungen, die chinesische Konkurrenz, hohe Kosten für deutsche Arbeitskräfte und die drohenden US-Zölle erfordern einen Kurswechsel.
Wie das Unternehmen am 20. Dezember mitteilte, hat es sich mit den Gewerkschaften auf den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen geeinigt, wobei die verbleibende VW-Belegschaft in Deutschland in den kommenden Jahren auf Lohnerhöhungen und Boni verzichten muss.
Volkswagen in Europa und weltweit
Könnten andere Länder nun von den Schwierigkeiten an den deutschen VW-Standorten profitieren? VW hat 76.000 Beschäftigte in Deutschland und weitere 63.000 weltweit. Ob aus Gründen der Kundennähe oder wegen billigerer Arbeitskräfte - das Unternehmen verfügt über ein großes Netzwerk von Produktionsstandorten, das sich über den gesamten Globus erstreckt. Neben Deutschland gibt es derzeit Produktionsstätten in Polen, Spanien, Portugal und der Slowakei.
Nach dem Einmarsch in die Ukraine wurden 2022 alle Anlagen in Russland, einschließlich eines großen Werks, geschlossen und die Importe gestoppt. Ein Jahr später verkaufte VW alle seine Vermögenswerte in dem Land, was auch andere europäische Automobilhersteller gemacht haben. Ein geplantes Werk in der Türkei wurde wegen der COVID-19-Pandemie nicht realisiert.
Darüber hinaus baut VW Fahrzeuge in Argentinien, Brasilien, Mexiko, den USA, China, Indien und Südafrika. Außerhalb Europas liegen die mit Abstand größten Investitionen von VW in China, gefolgt von Mexiko und Brasilien.
Die lange brasilianische Geschichte von Volkswagen
Das erste Werk von VW außerhalb Deutschlands wurde vor sieben Jahrzehnten im fernen Brasilien eröffnet. Heute ist Volkswagen do Brasil nach Angaben des Unternehmens der größte Hersteller des Landes. Im vergangenen Jahr wurde das 25-millionste Fahrzeug produziert.
Und obwohl Südamerika im Jahr 2023 nur acht Prozent der Verkäufe ausmachte, ist das Unternehmen derzeit stark von Brasilien abhängig. VW hat dort einen guten Ruf und ein großer Teil der Fahrzeuge auf brasilianischen Straßen stammen von Volkswagen. Außerdem steigen die Verkäufe.
Diese positiven Nachrichten aus Brasilien haben das Unternehmen zwar etwas entlastet. Aber der Markt ist zu klein, um die Verluste in anderen Regionen auszugleichen - und die Konkurrenz ist nicht weit entfernt.
Mexiko als Tor zum US-Markt
Obwohl Nordamerika im Jahr 2023 nur etwas mehr als zehn Prozent des VW-Absatzes ausmachte, ist es ein zentraler Markt. Allerdings auch ein schwieriger, der noch schwieriger werden könnte, wenn die USA Zölle auf anderswo hergestellte Fahrzeuge erheben.
Volkswagen hat ein Werk im US-Staat Tennessee. Weil VW außerdem auf billigere Arbeitskräfte und den freien Warenverkehr innerhalb der nordamerikanischen Freihandelszone USMCA setzt, besitzt das Unternehmen auch ein großes Werk in Mexiko. Doch diese Strategie könnte durch spürbare US-Zölle über den Haufen geworfen werden. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat ein Auge auf Deutschland und deutsche Unternehmen geworfen. Während des Wahlkampfs sagte er: "Ich möchte, dass deutsche Autofirmen zu amerikanischen Autofirmen werden. Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen."
Insgesamt produzieren die deutschen Automobilhersteller in den USA eine Vielzahl von Fahrzeugen. Viele sind für den dortigen Markt bestimmt, andere werden exportiert. Trotzdem ist Volkswagen auch auf europäische Importe angewiesen, um die Nachfrage in den Vereinigten Staaten vollständig zu decken. Die von Trump angedrohten Zölle könnten daher einen weiteren Schlag für die Verkaufszahlen und das Geschäftsergebnis des VW-Konzerns bedeuten.
Chinas problematische Sonderrolle für VW
Jahrelang hatte Volkswagen große Hoffnungen in das Geschäft in und mit China gesetzt. In den letzten zehn Jahren war das Unternehmen auf das Land angewiesen, um große Umsatzsteigerungen zu erzielen und seine Produktionskapazitäten auszubauen. Beides steht nun auf der Kippe und der chinesische Traum von VW droht zu Ende zu gehen.
Im Jahr 2019 war VW der größte Automobilhersteller in China und hatte einen Marktanteil von 19 Prozent auf dem mittlerweile größten Automarkt der Welt. Für VW war China die wichtigste und lukrativste Region des Unternehmens, auf die ein Drittel des Gesamtumsatzes und ein großer Teil des Gewinns entfielen.
Heute hat VW in China einen Marktanteil von 14 Prozent, Tendenz fallend. Die einheimischen chinesischen Konkurrenten sind auf der Überholspur und verkaufen immer mehr Fahrzeuge. Sie sind besonders gut darin, billige Elektroautos herzustellen, die bei den Kunden gut ankommen - so billig, dass Kanada, die USA und die EU seit kurzem zusätzliche Zölle auf chinesische Elektroautos erheben. Heute ist China der weltweit größte Exporteur von Autos und weniger denn je von ausländischen Modellen abhängig.
Trotz seiner langen Geschichte und seiner globalen Präsenz ist Volkswagen nicht immun gegen den Abschwung. Um die nächste große Kurve zu kriegen, muss sich das Unternehmen neu ausrichten und dabei Strafzölle, unterschiedliche und vielfältige Märkte sowie die chinesische Konkurrenz im Auge behalten, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit VW auf den Fersen ist.