1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

In Gaza gibt es keine jüdischen Siedlungen mehr

22. August 2005

Nach fast 40-jähriger Besetzung des Gaza-Streifens hat Israel die letzte Siedlung in dem palästinensischen Gebiet geräumt. Nun bereiten Ultranationale im Westjordanland Widerstand gegen Zwangsräumungen vor.

Abschied in Frieden: Siedler in NezarimBild: AP
Ein verletzter Siedler bei Protesten Ende JuniBild: AP

Nach einer emotionsgeladenen Abschiedszeremonie in der örtlichen Synagoge begannen die Einwohner in der jüdischen Siedlung Nezarim im Gazastreifen am Montagnachmittag (22.8.2005) ihren Abzug. Anders als in vielen anderen der 21 Siedlungen wurden die israelischen Soldaten hier nicht mit brennenden Barrikaden oder lautstarken Protesten empfangen. Es gab keinen Widerstand. Die Siedler stiegen in gepanzerte Busse, die sie in ihre neue Heimat bringen sollten. In der isoliert liegenden Siedlung hielten sich zuletzt etwa 60 Familien und rund 200 auswärtige Sympathisanten auf.

Dagegen rüsteten sich im Westjordanland bereits Hunderte Ultranationale, die für Dienstag angesetzte Zwangsräumung zweier Siedlungen so schwer wie möglich zu machen. Ministerpräsident Ariel Scharon erklärte, Israel werde weitere Enklaven nur auf Basis von Verhandlungen aufgeben. Er kündigte an, ungeachtet internationaler Kritik den Ausbau großer jüdischer Siedlungsblöcke im Westjordanland fortsetzen. Jede israelische Regierung seit 1967 habe strategische Interessen in dem Gebiet verfolgt. Die Palästinenser befürchten, dass Israel damit seine Kontrolle im Westjordanland verstärken will und die Gründung eines eigenen Staates in die Ferne rückt.

Räumung schneller als geplant

Premierminister Ariel SharonBild: AP

Die Räumung des Gaza-Streifens mit seinen etwa 8500 jüdischen Siedlern verlief etwa doppelt so schnell wie zunächst geplant. Dabei stießen die insgesamt rund 50.000 an dem Einsatz beteiligten Soldaten zum Teil auf heftigen Widerstand schreiender und weinender Siedler. In Nezarim dagegen entfernten die Bewohner sogar noch vor dem Eingreifen der Soldaten den siebenarmigen Leuchter vom Dach der Synagoge. "Ich wollte in Ehren Lebewohl sagen", sagte David Farasch. Die Bewohner der Siedlung hatten sich geeinigt, nach einem gemeinsamen Gebet mit den Soldaten in Ruhe zu gehen. Die Enklave liegt isoliert im Zentrum des Gaza-Streifens und war häufig Ziel palästinensischer Angriffe. Zuletzt war sie von Israel aus nur in gepanzerten Fahrzeugen über einen schwer geschützten Korridor zu erreichen.

Dagegen verwandelten Abzugsgegner die Enklave Sanur im Westjordanland in eine Festung. Radikale Jugendliche stemmten Vorräte auf das Dach eines alten, steinernen Gebäudes, das die auf einem Hügel errichtete Siedlung überragt. Andere schweißten Metallstäbe zu einem Konstrukt zusammen, das die unbewaffneten Soldaten von dem Haus fernhalten soll. Auf dem Hof der Zitadelle trainierten Freiwillige, jedes Stückchen Boden gegen vorrückende Sicherheitskräfte zu verteidigen.

Ultranationalisten organisieren Widerstand

Ein Bulldozer zerstört Häuser in der Siedlung MoragBild: AP

Trotz scharfer Bewachung des Geländes gelang es Ultranationalisten auch noch wenige Stunden vor der Zwangsräumung, sich nach Sanur einzuschleichen. Einer von ihnen kam am frühen Montagmorgen an - eine Pistole und ein großes Jagdmesser an seinem Gürtel. "Sie können uns nicht stoppen", sagte der 17-jährige Roni Martin, der sich seit einer Woche in Sanur aufhält. "Wir sind hier um zu kämpfen." Aus Angst vor Ausschreitungen hat Israel die Bewohner der umliegenden palästinensischen Dörfer aufgefordert, während der Räumung in ihren Häusern zu bleiben.

Vor der Räumung im nördlichen Westjordanland bezogen am Montag etwa 700 palästinensische Sicherheitskräfte im Bereich Dschenin Stellung. Nach Angaben des palästinensischen Polizeikommandeurs Diab Ali waren die meisten Polizisten auf Straßen im Einsatz, die zu den bereits leer stehenden Siedlungen Ganim und Kadim im Norden von Dschenin führen. "Ziel dieses Einsatzes ist es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, während Israel sich auf die Räumung der Siedlungen vorbereitet", sagte Ali. Man habe die Einzelheiten mit Israel vereinbart.

Keine weiteren Räumungen

Sanur und Homesch im Westjordanland sind die letzten Siedlungen, die Israel derzeit in einem einseitigen Schritt aufgibt. Zwei Enklaven im Westjordanland sind bereits leer. Bislang unterhält Israel 120 Siedlungen in dem Gebiet, die größten davon will es erklärtermaßen behalten. Im Westjordanland leben 230.000 Siedler. Eine Aufgabe weiterer Enklaven hänge davon ab, ob die Palästinenser-Regierung die gewalttätigen Palästinenser-Gruppen entwaffne, sagte Scharon. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas äußerte optimistisch, dass der israelische Rückzug auch radikale Kräfte in seinem Volk von den Chancen einer friedlichen Lösung des Konflikts überzeugen könne. Dies zeigten ihm die Reaktionen bei jüngsten politischen Veranstaltungen. "Die Überzeugungen der Menschen verändern sich", sagte er. (stu)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen