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Ein invasiver Kaktus wird zu Biotreibstoff

Robert Kibet
27. März 2020

Der Feigenkaktus breitet sich in Kenia immer weiter aus. Er überwuchert inzwischen tausende Hektar Weideland – eine tödliche Bedrohung für das Vieh. Die Hirten wollen sich das nicht länger gefallen lassen.

Francis Merenyi zerschneidet ein Stück Feigenkaktus, eine invasive Art in Kenia
Bild: DW/R. Kibet

Wenn die Morgensonne über dem Laikipia-Plateau in Kenia steht, macht sich Jackson Mukorino auf den Weg. Seine Schafe und Ziegen müssen fressen. Damit die Tiere an ihr Futter kommen, muss er sie durch ein dichtes Gestrüpp aus Kakteen mit Dornen überall führen.

Die invasive Optunia stricta oder auch der Feigenkaktus wurde zu Kolonialzeiten von den Briten als Zierpflanze nach Kenia gebracht. Sie gedeiht prächtig unter den trockenen Bedingungen. Aber sie erstickt dabei Gräser und andere Sträucher. In den vergangenen 50 Jahren ist sie angesichts steigender Temperaturen und langer Trockenperioden zu einem ernsthaften Problem für Hirten wie Mukorino geworden.

Die Frucht des Kaktus ist violett und süß. Die Stacheln aber sind gefährlich für das Vieh. Die Tiere stechen sich daran die Augen aus. Sie verletzten sich die Zunge, den gesamten Verdauungstrakt. Und das erschwert ihnen die Nahrungsaufnahme.

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Der fünffache Vater Mukorino lebt auf der von den Mitgliedern der Massai-Gemeinschaft gemeinsam geführten Makurian Group Ranch. Die Hälfte seiner 200 Tiere hat er verloren, nachdem sie von dem Feigenkaktus gefressen hatten.

"Ich muss immer die Augen meiner Tiere kontrollieren. Erst wenn ich die Stacheln entfernt habe, lasse ich sie zum Fressen gehen", erzählt Mukorino der DW. Mehrere seiner Nachbarn, die wie er von ihrer Herde leben, sind wegen der Bedrohung durch den Feigenkaktus von hier fortgegangen.

Die Stacheln des Feigenkaktus gefährden das Augenlicht und die Gesundheit der Tiere, wenn sie von den Früchten essenBild: picture-alliance/dpa

Nur wenige Flächen der mehr als 6.000 Hektar (14.826 Acres) großen Ranch hat der Feigenkaktus verschont. Die Probleme hier sind kein Einzelfall.

Im 9.500 Quadratkilometer großen Laikipia County hat sich der Kaktus inzwischen auf einer Fläche von 500 Quadratkilometern ausgebreitet. Das hat das Centre for Agriculture and Bioscience International (CABI) aus Großbritannien ermittelt. Die Wissenschaftler wollen die weitere Ausbreitung verhindern.

Kampf gegen eine Bedrohung mit Stacheln

Wenn der Kaktus erst einmal Fuß gefasst hat, ist er schwer wieder loszuwerden. Selbst aus kleinen abgebrochenen Stücken des Kaktus können wieder neue Pflanzen heranwachsen. Elefanten, Paviane und Vieh helfen der Pflanze bei der Verbreitung. Denn sie ernähren sich von den saftigen Früchten. Deren Samen werden so immer weiter verteilt, erzählt Luke Lukaria, ein Wissenschaftler des Kenya Wildlife Service (KWS).

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Auf der Makurian-Ranch versuchen die Bewohner verzweifelt, die Pflanze auszurotten. Sie entwurzeln die Kakteen und vergraben sie. Dabei kämpfen die Frauen der Ranch an vorderster Front. Sie machen das freiwillig. Die Rancher zahlen ihnen dennoch einen symbolischen Lohn von 50 US-Cent (0,45 €) für eine Stunde Arbeit. Celine Kisio ist eine der Frauen. Um das Geld gehe es ihr nicht, erzählt sie.

"Die kleine Anerkennung, die wir als Teilnehmer an dieser freiwilligen Arbeit erhalten, ist für uns kein Thema. Wir haben uns verpflichtet, diese Pflanze auszumerzen", so Kisio gegenüber der DW.

Doch Francis Merenyi, ein Umweltwissenschaftler aus Kenia, ist überzeugt, dass Frauen wie Kisio die Ausrottung des Kaktus auch zum Geschäft machen könnten.

Der Feigenkaktus gedeiht dank seiner Robustheit in ariden und semiariden RegionenBild: picture-alliance/Photoshot/M. Warren

Vom Unkraut zum Brennstoff

Merenyi testet auf der Makurian-Ranch eine neue technische Anlage. Alle zwei Wochen macht er damit aus rund 40 Kilogramm Kakteen Biogas. Das Gas wird in Tanks gelagert und zum Kochen verwendet. Der Abfallschlamm kommt als Dünger auf die Beete in den Gemüsegärten.

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Merenyi hofft, das System in die Haushalte und Schulen der Region zu bringen. Er schult mit Unterstützung der Hilfsorganisation World Vision bereits acht Frauengruppen in der Bedienung der Anlage.

"Geht man davon aus, dass 1.000 Menschen eine solche  Anlage nutzen, könnten wir es schaffen, die Pflanze in den kommenden Jahren vollständig auszurotten", sagt Merenyi.

Die Idee ist auch, dass die Frauen damit zusätzliches Geld verdienen. Einmal durch den Verkauf von überschüssigem Biogas, das sie produziert haben. Aber auch durch den Verkauf der ausgegrabenen Kakteen an Einrichtungen, die Biogasanlagen betreiben.

Francis Merenyi (rechts) hofft, dass seine Biogasanlage Teil der Lösung bei der Bekämpfung des invasiven Feigenkaktus sein wirdBild: DW/R. Kibet

Elizabeth Nkasiogi hat schon eine Schulung mitgemacht. Früher hat sie die meiste Zeit des Tages Brennholz gesammelt. Durch das Biogas wird nun weniger Holz gebraucht und Elizabeth Nkasiogi hat jetzt Zeit, sich um ihre Felder zu kümmern. Außerdem stellt sie Perlen her, um sie auf den Märkten in der Umgebung zu verkaufen.

"Biogas ist leicht herzustellen, vergleicht man das mit den Mühen, die es kostet, lange Strecken zurückzulegen, um Brennholz zu besorgen. Nun haben wir freie Zeit, um Geld zu verdienen", sagt Nkasiogi.

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Ob sich die Anlage jedoch in großem Maßstab durchsetzen kann, ist fraglich. Zwar kostet sie mit 1.000 US-Dollar nur etwa die Hälfte eines herkömmlichen Biogas-Systems. Aber für viele Viehhirten ist auch das nicht finanzierbar, sagt John Letai, stellvertretender Direktor für Umwelt und natürliche Ressourcen von Laikipia County.

Andere Ideen: Marmelade oder Schildläuse

Die Kaktuswanzen werden zur Bekämpfung des Feigenkaktus eingesetzt. Denn die Tiere saugen die Pflanze ausBild: picture-alliance/blickwinkel/H. Baesemann

Unterdessen wird auch nach anderen Wegen gesucht, die Ausbreitung des Feigenkaktus zu stoppen und in einigen Fällen auch damit noch Geld zu verdienen. So machen einige Einheimische aus den Früchten Säfte und Marmeladen, die sie dann verkaufen.

Kenias nationale Umweltbehörde (NEMA) hat unterdessen die Verwendung von Cochenille-Wanzen genehmigt. Die Schildläuse saugen den Saft aus den Kakteen. Dadurch welken die Pflanzen und produzieren weniger Samen.

Arne Witt ist bei CABI verantwortlich für invasive Arten. Er koordiniert den Einsatz der Schildläuse und betont, wie bedeutsam die Tiere "für die biologische Kontrolle der Pflanze sind". Allerdings nur während der Trockenzeit. Bei Regen können sie leicht weggespült werden.

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Jackson Mukorino und den anderen Viehhirten ist mit der Bekämpfung des Feigenkaktus allein nicht geholfen. Sind die Kakteen erst einmal verschwunden, brauchen die Hirten Unterstützung bei der Neubegrünung der Flächen.

"Weideland für mein Vieh ist eine meiner größten Sorgen. Wenn wir die Kakteen erst einmal entwurzelt haben, wollen wir Gras pflanzen, das in dieser trockenen Umgebung wachsen kann", sagt er. "Es gibt Hoffnung, aber wir brauchen mehr Hilfe von der Regierung."

Kenia: Klimaschutz mit Biogasanlagen

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