1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Polen trotzt der Krise

6. April 2009

Die starke Automobilindustrie und die Exporte nach Deutschland, wo es kriselt, ziehen auch Polen in Mitleidenschaft. Aber in der aktuellen Krise hält sich das Land viel besser als andere. Die Gründe sind vielfältig.

Einkaufen in BreslauBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

In den mittelosteuropäischen Reformstaaten werden in der Krise die Karten völlig neu gemischt. Ein Land wie Ungarn, noch vor zehn Jahren wirtschaftlicher Star der Region, kämpft gegen den Staatsbankrott an. Polen hingegen, lange als schwer reformierbares Sorgenkind gehandelt, hat Fuß gefasst, und ist nicht einmal von der Weltwirtschaftskrise aus dem Tritt zu bringen, jedenfalls bislang.

Das zeigen auch aktuelle Umfragen unter deutschen Investoren, wie sie alljährlich die deutschen Außenhandelskammern (AHKs) in der Region durchführen: In diesem Jahr errang Polen im Regionalvergleich den ersten Rang. “Das Interesse an Polen ist nach wie vor vorhanden“, berichtet Christoph Garschynski, ein Rechtsanwalt, der deutsche Unternehmen in Polen berät. Zwar laufe alles etwas verhaltener ab als sonst, und längerfristige Projekte lägen erst einmal auf Eis. "Ich könnte aber nicht behaupten, dass man sich jetzt aus Polen zurückziehen will", sagt Garschynski.

Welche Krise?


In vielen Branchen brummt es - zum Besipiel in der LogistikBild: AP

Warum auch? In vielen Bereichen läuft die Wirtschaft besser als befürchtet, etwa in der Logistik. "Der Mensch auf der Straße spricht überhaupt nicht von der Krise", beobachtet Tobias Jerschke, Polen-Manager des deutschen Spediteurs "Kühne + Nagel“. Die weltweite Krise sei in Polen ein Problem, das sich vorrangig in den Zeitungen abspiele, die über das Geschehen ringsum berichten. "Es gibt Branchen, die sind stark betroffen, etwa im Automobilbereich." Kühne + Nagel sei aber in Polen in diesem Bereich kaum aktiv und spüre bislang nur wenig.


Zwar zeigte der Binnenkonsum im Februar nach einem überaus schwachen Weihnachtsgeschäft erste Schwächen; auch ist die traditionell hohe Arbeitslosigkeit wieder auf über zehn Prozent gestiegen. Aber verglichen mit den Horrorzahlen aus Ungarn, dem Baltikum oder der Ukraine steht Polen blendend da. Sechs Prozent Wachstum wie in den Vorjahren ist passé, und trotzdem dürfte das Land in diesem Jahr noch bis zu zwei Prozent schaffen - und das, obwohl die beiden wichtigsten Handelspartner Deutschland und Russland heißen, die beide derzeit ziemliche Probleme haben.

"Niemand ist immun gegen das, was in der Welt und in der Region geschieht", sagt Thomas Laursen, Regionaldirektor der Weltbank in Warschau. "Aber Polen ist in einer etwas anderen Position." Laursen verweist auf gesamtwirtschaftlich bessere Rahmendaten, etwa das moderate Haushaltsdefizit und die vergleichsweise geringe Verschuldung. "Was man hier und etwa auch in Tschechien sieht, ist, dass die Wirtschaft insgesamt viel besser geführt wird."

Großer Binnenmarkt


Hält Konjunkturprogramme für Unfug: Polens Premier Donald TuskBild: AP

Die Polen haben viel mehr auf eigene Ressourcen gesetzt als andere Völker der Region. Dabei hilft der große Binnenmarkt mit 38 Millionen Menschen. Kredite in westlichen Währungen wurden zwar auch aufgenommen, aber nicht so exzessiv wie in Ungarn oder bei den Balten. Eigene Reserven liefert etwa die staatliche Großsparkasse PKO, der Millionen Polen ihre Spargroschen anvertrauen. Dazu passt, dass die Führung des Landes Konjunkturprogramme für Unfug hält.

Premier Donald Tusk rät seinen Landsleuten in dieser Frage zu Gelassenheit: "Es vergeht ja kaum ein Tag, wo nicht irgendein Staat dieser Welt ein Paket zur Rettung der Wirtschaft schnürt. Wenn die Länder aber 100, 200, 500 Milliarden in die Wirtschaft pumpen, dann fehlt dieses Geld auf dem Markt, und die Frage, wo es herkommt, bleibt unbeantwortet." Die Führer der Welt geben das Geld mit vollen Händen aus, um aber im kleinen Kreis leise zuzugeben, dass sie es eigentlich gar nicht haben.

Schwacher Zloty

Allerdings ist auch der Außenwert des polnischen Zloty ähnlich stark im Kurs gesunken wie die Währung des Krisenlandes Ungarn. Für manche ist das ein Problem. In den großen Shopping-Zentren etwa sind Mietverträge auf Euro-Basis üblich. Jetzt aber müssen die Händler plötzlich teure Euro-Mieten finanzieren, machen ihre Umsätze aber in Zloty. Einige Anbieter im Posener Einkaufsparadies "Stary Browar", Alte Brauerei, mussten deswegen bereits aufgeben. Sorgen macht man sich auch beim Polen-Ableger des deutschen Reiseveranstalters TUI: Viele Polen blieben wohl schon wegen des schwachen Zloty-Kurses lieber daheim, fürchtet Ewa Bardyszak von TUI Polska in Posen.

Weitere Nebenwirkung der Zloty-Schwäche: Viele Polen bleiben dieses Jahr wohl lieber daheim, ahnt Ewa Bardyszak von TUI Polska Posen: "Die Leute warten ab. Sie schauen, was passiert, wohin sich der Euro entwickelt, wie sich die Krise fortsetzt." Sie erwarte ein "Last-Minute-Jahr".

In Warschau will man als Lehre aus der Krise baldmöglichst dem Euro-Raum beitreten, sobald sich der Sturm an den Märkten legt. Sogar der nationalkonservative Staatschef Lech Kaczynski scheint seinen Widerstand dagegen allmählich aufzugeben.

Autor: Jan Pallokat

Redaktion: Rolf Wenkel