Indien: Alternative zu iPhone-Produktion in China?
22. Mai 2025
Der US-Tech-Riese Apple kündigte in diesem Monat an, dass Indien künftig eine wichtige Rolle bei der Herstellung von iPhones für den US-Markt spielen werde. "Die Mehrheit der in den USA verkauften iPhones wird Indien als Herkunftsland haben", prophezeit CEO Tim Cook Anfang Mai bei der Bekanntgabe der jüngsten Quartalsergebnisse des Unternehmens.
Die Verlagerung der Produktion ist ein bedeutender Strategiewechsel bei Apple. Das Unternehmen hat sich bei der Herstellung seiner Produkte traditionell stark auf chinesische Fabriken verlassen. Aber die saftigen Zölle, die US-Präsident Donald Trump auf Importe in die USA verhängte, und insbesondere der Schlagabtausch bei Zöllen mit China, brachten Apple in eine schwierige Lage und zwangen die Firma, ihre Ausrichtung zu überdenken. Die Diversifizierung hat bereits begonnen: Apple-CEO Cook wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass fast alle iPads, Macs, Apple Watches und AirPods, die in den USA verkauft werden sollen, in Vietnam produziert werden würden.
Der US-Präsident hat nun einen vorübergehenden Aufschub der Zölle für Technologieprodukte, einschließlich Smartphones und Halbleiter, gewährt. Washington und Peking einigten sich zudem auf eine 90-tägige Pause in ihrem Zollstreit.
Reaktion auf Zollstreit zwischen USA und China - Chancen und Risiken
In diesem Hin und Her mit ungewissem Ausgang bietet sich Indien als ruhigere Alternative an - mit einem Lockangebot aus höchster Ebene: Die indische Regierung kündigte kürzlich eine neue Politik an, die darauf abzielt, die Rahmenbedingungen für die Elektronikfertigung im Land zu verbessern.
Um sich zu einem wirklich unabhängigen Produktionszentrum für Apple zu entwickeln, müsse Indien jedoch stark in Infrastruktur, Fähigkeiten und Technologie investieren, sagt Shrijay Sheth, Gründer des Beratungsunternehmens LegalWiz.in, der DW.
Der Wirtschaftsberater sieht in dem Strategiewechsel einen "deutlichen Gewinn für Indien in geschäftlicher Hinsicht". Er stärke "die Position Indiens als bevorzugtes Ziel für Unternehmen, die eine unternehmensfreundliche Umgebung suchen". Gleichzeitig füge er den bereits heiklen indisch-chinesischen Beziehungen aber "eine weitere Komplexitätsebene hinzu", befürchtet Sheth.
Herausforderungen "Wissenstransfer"
Die Verlagerung eines großen Teils der Produktion von China nach Indien werde wahrscheinlich auf Hindernisse im Technologie- und Know-how-Transfer stoßen. "Es ist naiv zu hoffen, dass das chinesische Know-how sowie der Transfer von Fähigkeiten und Produktionsmaschinen angesichts des aktuellen geopolitischen Szenarios mit der erforderlichen Geschwindigkeit an Indien übertragen werden - insbesondere dann, wenn China eine bedeutende Quelle von Arbeitsplätzen in der Fertigung verliert", betont Sheth.
Außerdem stünden noch weitere Fragen im Raum, wie die Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen, die Rekrutierung von qualifizierten Arbeitskräften und der Aufbau von Lieferketten.
Dass Apple einen Teil seiner iPhone-Produktion nach Indien verlagert, sei daher nicht nur eine große Chance, sondern berge auch einige potenzielle Herausforderungen in sich, befürchtet Lekha Chakraborty, leitende Ökonomin am National Institute of Public Finance and Policy. Unter diese Herausforderungen fallen unter anderem die "Kostenwettbewerbsfähigkeit gegenüber China, die Rigidität des Arbeitsmarktes und die Schwachstellen der Lieferketten", so die Ökonomin gegenüber der DW. Außerdem sei die Herstellung von iPhones in Indien um fünf bis zehn Prozent teurer. Eine Anzahl von Fabriken sei relativ ineffizient und manche Teile, die für die Produkte gebraucht werden, recht kostspielig.
"Darüber hinaus müssen die finanziellen Auswirkungen dieser Investition sorgfältig geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf Steuereinnahmen, Infrastrukturinvestitionen und potenzielle Subventionen", sagt Chakraborty und fügt hinzu, dass ein "abgestimmter politischer Ansatz unerlässlich ist, um Risiken zu mindern und Gewinne zu maximieren".
Apple will Produktion in Indien verdoppeln
Derzeit werden schätzungsweise 20 Prozent der iPhones in Indien hergestellt. Laut Bloomberg produzierte Apple in Indien in den zwölf Monaten vor März 2025 iPhones im Wert von 22 Milliarden US-Dollar, was bereits einem Anstieg von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Das US-Unternehmen plant nun, bis 2026 jährlich über 60 Millionen iPhones in dem südasiatischen Land zu produzieren, um damit die derzeitige Produktion zu verdoppeln und den indischen Elektronikfertigungssektor erheblich zu stärken.
In Indien werden iPhones von drei Hauptauftragsherstellern montiert – Foxconn, Pegatron Corp und ein Unternehmen der Tata Group, das früher als Wistron bekannt war. Foxconn ist das größte der drei Unternehmen und wickelt den Großteil der iPhone-Produktion in dem südasiatischen Land ab.
Gefahr der Abhängigkeit
Nikul Shah, Mitbegründer und CEO von IndieSemic, das sich auf Halbleiter und eingebettete Elektronik-Systeme spezialisiert hat, glaubt, dass Indien in der Lage ist, in der Zukunft die gesamte iPhone-Nachfrage zu befriedigen. Eine gestiegene iPhone-Produktion biete Indien die Möglichkeit, seine Rolle in globalen Elektronikfertigungsnetzwerken zu stärken. Die Rahmenbedingungen müssten dafür aber verbessert werden.
"Der Erfolg wird davon abhängen, ob die stagnierende Infrastruktur und die politischen Einschränkungen angegangen werden können, die die Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes in der Vergangenheit eingeschränkt haben", betonte Shah.
Die Perspektive, die Apple bietet, "steht zwar im Einklang mit der 'Made in India'-Initiative, die das Land möglicherweise in ein globales Zentrum für die Elektronikfertigung verwandelt. Sie birgt aber auch Risiken wie die übermäßige Abhängigkeit von einem einzigen multinationalen Unternehmen und potenziellem geopolitischen Druck."
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand