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Politik

Indien entzieht Kaschmir Sonderrechte

5. August 2019

Indiens hindu-nationalistische Regierung bringt die Eingliederung des Himalaya-Bundesstaats voran. Zuvor wurden Internet und Telefon lahmgelegt. Seit 70 Jahren streitet Indien mit Pakistan um die Kaschmir-Region.

Indien Kaschmir Srinagar Generalstreik
Ein indischer Polizist wacht im April 2018 im Zentrum von Kaschmirs Provinzhauptstadt SrinagarBild: Reuters/D. Ismail

Indien vollzieht den weitreichendsten Schritt seit Jahrzehnten, um seine Kontrolle über die bislang teilautonome Kaschmir-Region auszuweiten: Die hindu-nationalistische Regierung von Premierminister Narendra Modi hat den Sonderstatus des muslimisch geprägten Bundesstaats Jammu und Kaschmir per Dekret des Präsidenten aufgehoben.

Das pakistanische Außenministerium warnte Indien vor "einseitigen Schritten", um den international strittigen Status Kaschmirs zu verändern. "Als Partei in diesem internationalen Konflikt wird Pakistan sämtliche möglichen Optionen anwenden, um diesen illegalen Schritten entgegenzutreten", teilte das Ministerium in Islamabad mit.
 

Kaschmir fürchtet, überrannt zu werden

"Die gesamte Verfassung wird im Bundesstaat Jammu und Kaschmir Gültigkeit besitzen", sagte Innenminister Amit Shah. Bislang sicherte Artikel 370 der indischen Verfassung Kaschmir zu, in bestimmten Bereichen eigene Gesetze zu erlassen. So durften bislang Menschen von außerhalb der Provinz keine Landtitel erwerben. Außerdem waren Kaschmiri bislang an Hochschulen und in öffentlichen Arbeitsstellen bevorzugt, weil die lokale Regierung befürchtete, sonst von Menschen aus dem übrigen Indien überrannt zu werden. Bislang sind die meisten Kaschmiri Muslime; eine größere Zuwanderungsbewegung von Hindus könnte sie jedoch zur Minderheit in der Region machen.

Der lange Arm der BJP

Die hindu-nationalistische Regierungspartei BJP hatte die Aufhebung des Sonderstatus schon länger gefordert, weil diese aus Sicht der Partei die Eingliederung ins restliche Land behinderten. Formal wird Kaschmir seit vergangenem Jahr von Modis BJP-Bundesregierung mitregiert, seit sich die BJP aus der regionalen Regierung mit einer lokalen Partei zurückgezogen hatte.

Immer wieder kommt es in der Region zu Anschlägen, wie hier im März in JammuBild: Getty Images/AFP/R. Bakshi

Im Vorfeld der Ankündigung warnten lokale Politiker, die Aufhebung der Sonderrechte könnte weite Teile der Bevölkerung in Aufruhr versetzen. Bereits vor der Ankündigung waren Telefon- und Internetanschlüsse in der gesamten Region unterbrochen und hochrangige Lokalpolitiker unter Hausarrest gestellt worden.

70 Jahre Konflikt

Seit der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich 1947 war die Kaschmir-Region immer wieder Schauplatz von Kriegen, Grenzkonflikten und Anschlägen. Damals zerfiel die Kolonie Britisch-Indien in zwei souveräne Staaten mit gegensätzlichen Weltanschauungen: Pakistan sah sich als Heimat aller Muslime in Südasien, Indien als säkularer Vielvölkerstaat mit verschiedenen Religionen. Der Maharadscha der mehrheitlich muslimischen Himalaya-Region Kaschmir zögerte, welchem der beiden Staaten seine Provinz zufallen solle. Seitdem haben beide Staaten mehrere Male mit Gewalt versucht, die Kontrolle an sich zu reißen. Der erste Kaschmirkrieg endete 1949 mit der Teilung entlang einer bis heute gültigen inoffiziellen Grenzlinie. Kleinere Teile werden von China kontrolliert, das wegen des Seezugangs über Pakistan ebenfalls wirtschaftliche Interessen in der Bergregion hat. Der Bundesstaat Jammu und Kaschmir macht den indischen Teil aus.

In Kaschmirs größter Stadt Srinagar war Benzin am Wochenende heiß begehrt, weil Hindu-Touristen nach einer Terrorwarnung abreisen wolltenBild: imago-images/ZUMA Press/M. Mattoox

In den vergangenen Jahrzehnten haben vermehrt radikal-islamistische Gruppen mit blutigen Anschlägen versucht, zugunsten Pakistans am Status Quo zu rütteln. In diesem Frühjahr, wenige Monate vor der Wiederwahl von Modis BJR, vermeldete Indien den Abschuss zweier pakistanischer Kampfflugzeuge. Danach entspannte sich die Lage vorübergehend. Das änderte sich jedoch in den vergangenen Wochen, als Indien eine neuerliche Terrorwarnung aussprach und zusätzliche 10.000 Soldaten ins Kaschmir-Tal verlegte. Viele Hindi, die als Touristen in der Region waren, waren daraufhin fluchtartig abgereist.

ehl/kle (rtr, ap, dpa)

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