H3N2-Grippevirus verbreitet sich rasant in Nordindien
27. September 2025
Im Herbst 2025 erlebt Nordindien, insbesondere die Metropolregion Delhi, einen signifikanten Anstieg von Infektionen mit der Influenza-Variante H3N2. In dem Ballungsgebiet rund um die indische Hauptstadt, einschließlich der zahlreichen angrenzenden Städte und Bezirke der Bundesstaaten Haryana, Uttar Pradesh und Rajasthan, leben rund 46 Millionen Einwohner.
Laut einer Umfrage des indischen Community-basierten Social Media Dienstes LocalCircles weisen derzeit rund 69 Prozent der dortigen Haushalte mindestens eine Person mit grippeähnlichen Symptomen auf. Ärztinnen und Ärzte sprechen von einer besonders hohen Ausbreitungsrate und betonen, dass das H3N2-Virus aktuell die dominierende Grippeform in der Region darstellt. "Die steigende Zahl der Fälle zeigt deutlich, dass das Virus umfangreich zirkuliert", so Dr. Rituja Ugalmugle vom Wockhardt Hospitals Mumbai Central gegenüber der Zeitung Indian Express. Fälle werden zunehmend auch aus anderen Bundesstaaten gemeldet.
Wer ist besonders vom Influenzavirus gefährdet?
Betroffen sind vor allem Kinder, Ältere, Schwangere und Menschen mit chronischen Vorerkrankungen wie Asthma, Diabetes oder Herzleiden. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung als typische, aber hartnäckige Grippe, die häufig binnen einer Woche abklingt.
Dennoch kommt es regelmäßig zu schweren Komplikationen – darunter Bronchitis, Lungenentzündung oder auch eine Verschlechterung bestehender Herz- oder Lungenerkrankungen. Kliniken berichten über zahlreiche Patienten, bei denen die Symptome trotz Therapie über viele Tage anhalten oder eine stationäre Aufnahme nötig machen.
H3N2-Symptome: So äußert sich die Grippe
Die H3N2-Influenza beginnt oft mit plötzlichem, hohen Fieber, Schüttelfrost, Halsschmerzen und einer laufenden Nase. Weitere häufige Symptome sind trockener oder produktiver Husten, starke Kopf- und Gliederschmerzen, Muskelschmerzen, sowie eine ausgeprägte Müdigkeit und Schwäche.
Bei einem Teil der Patienten treten auch Appetitverlust, anhaltende Übelkeit und Beschwerden im Magen-Darm-Trakt auf, insbesondere bei Kindern. "Im Unterschied zu Erkältung oder regulärer Grippe ist H3N2, ein Subtyp der Influenza A, häufig schwerer und hält länger an", erläutert Dr. Mayanka Lodha Seth von den Redcliffe Labs im Indian Express.
Gefährlich wird es, wenn Atemnot, Schmerzen in der Brust, blaue Lippen oder Nägel, Verwirrtheit und starke Dehydration auftreten. Bei diesen Warnsignalen sollte man sich umgehend in Behandlung begeben. Auch wenn das Fieber trotz Behandlung mehrere Tage hoch bleibt, sollte dringend medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Schutzmaßnahmen wie bei Corona
Gegen H3N2 existiert keine spezifische Therapie. Meist werden die Symptome der Betroffenen behandelt, mit viel Ruhe, reichlicher Flüssigkeitszufuhr und fiebersenkenden Mitteln. In schweren Fällen oder bei Risikopatienten kommen antivirale Medikamente zum Einsatz.
Wie schon in der Corona-Pandemie empfehlen Expertinnen und Experten regelmäßiges Händewaschen, das Tragen von Atemschutzmasken, das Vermeiden von Menschenmengen, eine ausgewogene Ernährung und den jährlichen Grippe-Impfschutz.
Warum H3N2 leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist
"Das aktuelle saisonale H3N2 ist aus der Pandemie von 1968 hervorgegangen und durch Vermischung mit einem aviären H3-Virus entstanden. Die Anpassungsprozesse liegen also schon sehr lange zurück und die 'aviären' [bei Vögeln verbreitet] Komponenten wie das H3 stammen aus dieser Zeit", erläutert Prof. Dr. Martin Beer, der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts. Das FLI ist das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Deutschland.
Seitdem zirkulieren zahlreiche weiterentwickelte H3N2-Subtypen global und kehren periodisch als saisonale Grippewellen – oft mit regionalen genetischen Veränderungen – zurück. "Die jährliche Zirkulation und der Immundruck führen dann zu den Anpassungen saisonaler Grippeviren, die wiederum mit neuen Impfstoffen beantwortet werden. Heutzutage geht es daher beim saisonalen H3N2 Virus schon lange nicht mehr um eine Anpassung von aviär zu human, sondern um eine ständige Optimierung im humanen Wirt", so Beer gegenüber der DW.
Laut einer aktuellen Studie, die Veränderungen der Rezeptorspezifität von H3N2-Influenzaviren von 1990 bis 2000 untersuchte, hat sich das Bindungsverhalten des humanen H3N2-Influenzavirus an menschliche Rezeptoren im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert und hat zu einer deutlichen Ausweitung der Bindungsstelle geführt. Eine solche Ausweitung erleichtert dem Virus die Anpassung an neue Wirte oder Gewebe, und kann die Übertragbarkeit erhöhen. Zudem kann das Virus so Immunabwehr oder Therapien leichter umgehen.
"50 Jahre Evolution hinterlassen sichtbare und nachvollziehbare Spuren der Anpassung. Der erste und wichtigste Schritt ist aber vor 50 Jahren passiert und hat zur damaligen Pandemie geführt", erklärt der Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI. "Seit dieser Zeit kommt H3N2 in unterschiedlicher Intensität in saisonalen Wellen vor und setzt sich in manchen Jahren und Regionen sehr stark durch im Vergleich zu anderen Influenza-Varianten, und kann auch zu entsprechend vielen Erkrankungsfällen führen."
Epidemie- oder Pandemie-Risiko?
Nach aktuellen Einschätzungen von Expertinnen und Experten sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das Risiko einer plötzlich einsetzenden Pandemie derzeit gering.
Die Virulenz, also die Gefährlichkeit, ist bei H3N2 für gesunde Erwachsene begrenzt. Forschende aus dem Bereich der Infektiologie warnen aber, dass die Infektion für vulnerable Gruppen wie Kinder, Ältere, Schwangere und Menschen mit chronischen Vorerkrankungen ernsthafte Folgen haben kann, und bei weiter ansteigenden Fallzahlen punktuell auch lokale Epidemien entstehen können.
Trotz der saisonal bedingten Ausbreitung in Nordindien ist laut aktueller Studienlage eine globale Pandemie durch das derzeit kursierende H3N2-Virus unwahrscheinlich, solange keine signifikante Veränderung der Virusstruktur und Übertragungswege vorliegt.
Risiko durch schnelle Mutationsfähigkeit des Virus
Die Wachsamkeit unter Expertinnen und Experten bleibt jedoch hoch, weil Grippeviren wie H3N2 sich schnell genetisch verändern können.
Mutieren sie zufällig so, dass sie noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar sind oder bestehende Immunität umgehen, können sie sich plötzlich stark verbreiten und weltweit zuEpidemien oder sogar Pandemien führen. Daher überwachen Forschende Influenza-Viren weltweit sehr genau, um im Ernstfall frühzeitig reagieren zu können.