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PolitikIndien

Indien: Klimawandel kein Thema im Wahlkampf

Midhat Fatimah
15. Mai 2024

80 Prozent der Menschen in Indien leben in Gebieten, die als vom Klimawandel bedroht gelten. Doch bei den laufenden Wahlen spielt die Erderwärmung keine Rolle. Wenn überhaupt, beschäftigen sich Politiker mit den Folgen.

Menschen waten durch braunes Wasser auf einer überschwemmten Straße
Während des Monsunregens kommt es immer häufiger zu Überschwemmungen und ErdrutschenBild: Adnan Abidi/REUTERS

In der Niederung der Yamuna-Ebene vor den Toren der indischen Hauptstadt Neu Delhi betreibt Bhagwati Devi eine kleine Gemüsefarm. Der Yamuna ist der wichtigste Nebenfluss des Ganges und durchfließt unter anderem die Hauptstadtregion Delhi. Als der Strom im vergangenen Jahr über seine Ufer trat, musste die Gegend um Devis Farm evakuiert werden: "Wir verbrachten die gesamte Nacht auf einem Baum und warteten darauf, gerettet zu werden", erzählt sie.

Wochenlang, sagt die 37-Jährige, hätten sie unter miserablen Bedingungen auf einer Autobahn hausen müssen, mitten im größten Ballungsraum Indiens. Ihre Hütte und die meisten ihrer Habseligkeiten hatten die Fluten weggespült. Weil das Hochwasser außerdem ihre Ernte vernichtet habe, hätten sie monatelang kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Umweltexperten machen die mangelhafte Stadtplanung, aber auch die starken Regenfälle im Norden Indiens für die Katastrophe verantwortlich. Überschwemmungen sind in Zeiten des Monsun, der sommerlichen Regenzeit, keine Seltenheit. Doch Wissenschaftler gehen davon aus, dass steigende Durchschnittstemperaturen auf der Erde das Ausmaß verstärken.

Devi hat vom Phänomen des Klimawandels, der ihr Leben auf so katastrophale Weise verändert haben könnte, noch nie gehört. Und es wird keinen Einfluss darauf haben, wem sie bei den laufenden Parlamentswahlen ihre Stimme gibt. Doch damit ist sie nicht allein. Der Klimawandel spielt im indischen Wahlkampf kaum eine Rolle.

Warum spricht niemand über den Klimawandel?

Es sei nicht so, dass man in Indien nicht über den Klimawandel diskutiere, meinen Experten, es werde nur anders darüber gesprochen: "In Indien wird Klimaschutzpolitik nicht unbedingt unter der Überschrift 'Klimawandel' diskutiert, aber das heißt nicht, dass der Klimawandel nicht auch die Politik in Indien beeinflusst", versichert Aditya Valiathan Pillai vom Sustainable Futures Collaborative, einer unabhängigen Organisation mit Sitz in Neu Delhi, die zum Klimawandel forscht.

Indien: Die größte Wahl der Welt

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Klimaschutzpolitik beschäftige sich meist damit, Wege zu finden, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen, erläutert Pillai. Deutlich werde das zum Beispiel bei den Themen Bewässerung und Zugang zu Trinkwasser, bei der Forderung, Bauern Kreditschulden zu erlassen, und so weiter. "In vielen Parteiprogrammen werden Versprechungen gemacht, die mit dem Klima im Zusammenhang stehen, sie werden aber nicht unter dem Punkt Klimawandel aufgeführt."

Was bedeutet der Klimawandel für indische Wähler?

Aarti Khosla ist Gründerin von Climate Trends, einer indischen Initiative für forschungsgestützte Beratung. Sie bestätigt, dass Ursachen und Gegenmaßnahmen des Klimawandels für viele Menschen nicht im Vordergrund stünden. Wichtig sei die Erderwärmung nur, wenn sie andere Probleme verschärfe: "Wir denken noch immer, dass Klimaschutzpolitik nur gemacht wird, wenn es eine grüne Partei gibt wie im Westen oder wenn der Begriff 'Klimawandel' in den Parteiprogrammen erwähnt wird", führt Khosla aus. In Indien sei dies jedoch nicht absehbar.

Nur neun Prozent der Menschen in Indien sagen von sich, dass sie "viel" über die globale Erwärmung wüssten, so eine Studie aus dem Jahr 2022. Doch wenn sie eine kurze Definition hören, sind 84 Prozent überzeugt, dass sie stattfindet, und 81 Prozent sind darüber "sehr besorgt". Khosla glaubt: "Die Menschen sind sich dessen sehr viel bewusster, als wir ihnen zugestehen."

Wie reagieren Politiker auf den Klimawandel?

Selbst im indischen Parlament findet der Klimawandel kaum Beachtung. Laut einer anderen Studie aus dem Jahr 2022 befassten sich zwischen 1999 und 2019 nur 0,3 Prozent der von Politikern gestellten Fragen mit dem Klimawandel.

"Reden zum Klimawandel finden in der Bevölkerung nur Resonanz, wenn es ein aktuelles Problem gibt", sagt Rajeev Gowda, der in Bengaluru für die Kongresspartei kandidiert. Die südindische Stadt leidet unter einer Wasserkrise.

"Wir verprellen eine Menge Leute, wenn wir sagen, es geht um Klimawandel", sagt Khosla. "Wenn wir den Klimawandel in Verbindung mit besser greifbaren Ereignissen des täglichen Lebens ansprechen, erreichen wir die Menschen damit besser." Die jüngsten Überflutungen könnten ein solches Ereignis sein.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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