1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Indien: Mehr Extremwetterlagen infolge des Klimawandels

Murali Krishnan in Neu-Delhi
11. Juni 2025

Extreme Wetterereignisse treten laut einer aktuelle Studie in Indien immer häufiger auf und beeinträchtigen drastisch die Lebensqualität.

Extreme Hitzewellen in Indien: Passanten drinken Wasser, das in an einer Bushaltestelle in der Stadt Ahmedabad ausgeteilt wird.
Extreme Hitzewellen in Indien: Passanten drinken Wasser, das in an einer Bushaltestelle in der Stadt Ahmedabad ausgeteilt wird.Bild: Ajit Solanki/AP/picture alliance

Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Wirbelstürme treten in Indien immer häufiger auf und haben weitreichende negative Auswirkungen auf Gesundheit, Entwicklung und Wirtschaft. Das bestätigt der Jahresbericht über die Umweltsituation in Indien, der letzte Woche vom Centre for Science and Environment (CSE), einer in Neu-Delhi ansässigen Forschungs- und Interessenvertretungsorganisation, veröffentlicht wurde.

Laut dem Bericht starben im vergangenen Jahr fast 3000 Menschen als Folge von extremen wetterbedingten Ereignissen. Zwei Millionen Hektar an Erntefläche und rund 80.000 Häuser seien zerstört worden. An statistisch hochgerechnet 332,2 der 366 Tage im Schaltjahr 2024 traten der Studie zufolge in verschiedenen Orten Indien extreme Wetterereignisse auf.

"Dieser Bericht unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer kraftvolleren Umweltpolitik, einer verbesserten Gesundheitsinfrastruktur und einer ehrgeizigen Klimapolitik, um diese miteinander verbundenen Krisen anzugehen", sagt CSE-Direktorin Sunita Narain gegenüber der DW. Der jüngste Bericht müsse als Weckruf für die Politik verstanden werden.

80 Prozent der Bevölkerung vom Klimawandel betroffen

So sind indische Großstädte häufig von der weltweit schlechtesten Luftqualität betroffen. Seit 2021 haben die Einwohner in 13 indischen Städten, darunter der Hauptstadt Neu Delhi, durchschnittlich an einem von drei Tagen gefährlich unsaubere Luft einatmen müssen, registriert der Bericht. Mit fatalen Folgen: Die Menschen in Delhi haben eine um fast acht Jahre niedrigere Lebenserwartung, als wenn sie saubere Luft atmenkönnten, wie verschiedene Studien zeigen.

Smog verkürzt drastisch die Lebenserwartung in den GroßstädtenBild: Sunil Ghosh/Hindustan Times/Sipa USA/picture alliance

Obwohl die Hauptsommermonate von April bis Juni in Indien zwar immer heiß sind, sind die Temperaturen in den letzten zehn Jahren extremer geworden. Auch die Intensität von Regen und Überschwemmungen hat zugenommen.

Etwa 80 Prozent der indischen Bevölkerung leben in Regionen, die anfällig für Katastrophenwie Hitzewellen oder schwere Überschwemmungen sind, heißt es in dem Bericht.

Die darin enthaltenen Daten stimmten mit den wichtigsten Ergebnissen der Studie von IPE Global aus dem Jahr 2024 überein, sagt Abinash Mohanty, Leiter der Abteilung Klimawandel und Nachhaltigkeit bei IPE Global, einer internationalen Entwicklungsorganisation, im Gespräch mit der DW. 80 Prozent der Distrikte in Indien seien demnach anfällig für extreme Wetterereignisse.

"Indien befindet sich mitten in einem Sturm, in dem Klimachaos, Gesundheitskrisen und Entwicklungsdefizite aufeinanderprallen", warnt der Klima-Experte. "Das ist mehr als ein statistischer Alarm. Es ist eine real erlebte Krise, die sich in Echtzeit entfaltet", sagt Mohanty. Indiens Entwicklungsmodell müsse "radikal neu gedacht" werden, um sich an heißere Temperaturen, den Verlust der biologischen Vielfalt und Wassernotfälle anzupassen. "Die Folgen der Untätigkeit von heute werden morgen zu unumkehrbaren Realitäten."

Vorausschauende Planung für Klimaanpassung nötig

Um diesen Entwicklungen mit wirksamen Anpassungsstrategien zu begegnen, müsse die indische Regierung mehr in die Datenerfassung investieren, fordert Narain von der CSE. "Ohne klare glaubwürdige Daten kann es keine Lösungen oder Strategien geben. Deshalb plädieren wir nachdrücklich dafür, dass wir mehr und nicht weniger Daten brauchen. Wir müssen transparent sein", sagt Narain.

So lasse der aktuelle Bericht die enormen Fortschritte, die Indien in vielen Bereichen gemacht hat, nicht außer Acht. "Er macht uns aber klar, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen. Wir müssen die Trends zur Kenntnis nehmen, sie verstehen und Korrekturmaßnahmen einleiten."

Nachhaltigkeit: Recycling beim Bau

05:20

This browser does not support the video element.

Der Bericht zeige deutlich die sich beschleunigenden Auswirkungen des Klimawandels auf Indien, bestätigt Akshay Deoras, Klimawissenschaftler an der britischen University of Reading, gegenüber der DW. "Extremwetter an so vielen Tagen im Jahr zu erleben, ist kein statistischer Zufall. Es signalisiert eine Verschiebung der Ausgangslage." Klima-Resilienz sei also nicht mehr optional: "Sie ist ein existenzieller Imperativ."

Deoras glaubt, dass Indien von reaktiver Hilfe zu vorausschauender Planung und von Klimarhetorik zu fundierten skalierbaren Maßnahmen übergehen müsse, zum Beispiel durch die Einrichtung von Klimarisiko-Beobachtungsstellen. "Ohne sofortige Investitionen in Anpassung, Frühwarnsysteme und die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen steuern wir auf eine destabilisierte Klimazukunft zu, insbesondere für die nächste Generation", sagte Deoras. "Die Uhr tickt. Und es gibt keine zweite Chance."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand