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Indien: Streit um Straßenhunde in Delhi

Murali Krishnan in Neu-Delhi
16. August 2025

In Delhi sollen streunende Hunde als Sicherheitsrisiko von den Straße entfernt werden. Aktivisten sehen sie als Teil der Gemeinschaft. Die große Anzahl der Hunde und knappe Ressourcen erschweren eine tiergerechte Lösung.

Indien Neu-Delhi 2025 | Einfangen von streunenden Hunden durch städtische Veterinärbehörde
Delhi: Streunende Hunde werden von der städtischen Veterinärbehörde eingefangenBild: Sanchit Khanna/Hindustan Times/IMAGO

Tierschützer in Delhi sind verärgert. Laut einer neuen Anordnung des Obersten Gerichtshofs sollen künftig herrenlose Hunde aus den Straßen des indischen Hauptstadtterritoriums Delhi entfernt werden. Nachdem am Dienstag Dutzende Demonstranten bei Protesten dagegen festgenommen worden waren, erklärte der Oberste Richter Indiens, B. R. Gavai, er werde diese Direktive einer Überprüfung unterziehen.

Die am Montag erlassene Anordnung weist die Behörden in Delhi an, alle frei umherlaufenden Hunde innerhalb von zwei Monaten aus den Straßen der Wohngebiete in spezielle Tierheime umzusiedeln. Das Gericht erklärte, die Anordnung sei eine Reaktion auf die Zunahme von Hundebissen und Tollwutfällen.

"Säuglinge und Kleinkinder sollten um keinen Preis der Tollwut zum Opfer fallen. Die Maßnahme soll das Vertrauen stärken, dass sie sich frei bewegen können, ohne Angst vor Bissen von Straßenhunden zu haben", heißt es in der Anordnung.

Proteste in Delhi gegen die Gerichtsanordnung, die vorsieht, dass Straßenhunde entfernt werden sollen.Bild: Sajjad Hussain/AFP

Basierend auf verschiedenen Erhebungen der Stadtverwaltung von Delhi sowie auch von Tierschützern wird die Zahl der Straßenhunde in Delhi auf 800.000 bis eine Million geschätzt. Während einige Bewohner der indischen Hauptstadt diese Hunde als Bedrohung empfinden, betrachten andere die Tiere als Gefährten und Teil des städtischen Ökosystems. Hundeliebhaber und Tierschutzaktivisten sagen, dass die Kommune nicht darauf vorbereitet sei, die vielen Straßenhunde, die durch Delhis Straßen streunen, sicher zu entfernen und unterzubringen.

"Der Gerichtsbeschluss ist unlogisch, unpraktisch, inhuman und illegal. Das ist, als würde man seinen Nachbarn zusammentreiben. Diese Hunde leben hier seit Generationen. Sie sind durch und durch 'Delhier', die einfach nur versuchen zu überleben, wie wir alle", sagte Shaurya Agrawal von der Tierrechtsorganisation 'People for the Ethical Treatment of Animals (PETA)' gegenüber der DW.

Zu viele Hunde, zu wenige Tierheime

Tierschützer argumentieren, dass der Beschluss des Obersten Gerichtshofs gegen die sogenannten Vorschriften zur Geburtenkontrolle bei Tieren (ABC) verstößt. Diese fordern die Sterilisation, Impfung -  und eben auch die Freilassung von Hunden in ihr Revier - als tiergerechte und wissenschaftlich erprobte Methode zur Populationskontrolle.

Daten, die dem indischen Parlament vorgelegt wurden, zeigen, dass im Jahr 2024 in dem 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Land mehr als 3,7 Millionen Fälle von Hundebissen und 54 mutmaßliche Todesfälle durch Tollwut gemeldet wurden. Im Jahr 2023 gab es laut dem Ministerium für Gesundheit und Familienfürsorge rund 2,75 Millionen Fälle von Hundebissen.

In Delhi selbst wurden in diesem Jahr bisher mehr als 26.000 Fälle von Hundebissen gemeldet, wie aus offiziellen Statistiken der Stadt hervorgeht, die dem jüngsten Gerichtsverfahren zugrunde liegen.

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Kritiker der Anordnung zur Entfernung von Hunden argumentieren, dass die Behörden wohl eher nicht in der Lage sein werden, die nötigen Unterkünfte und andere logistische Ressourcen in dem vom Obersten Gerichtshof vorgesehenen Umfang bereitzustellen. Die Stadt Delhi betreibt lediglich 20 so genannte Tierkontrollzentren mit einer Gesamtkapazität von weniger als 5.000 Hunden.

"Das tägliche Einfangen, Füttern und Pflegen von Zehntausenden von Hunden würde enorme jährliche Mittel zur Finanzierung von Tausenden von Tierfängern, Tierärzten und großen Teams für die tägliche Versorgung erfordern, die derzeit in Delhi fehlen", sagte Anjali Gopalan, Leiterin der Tierrechts-NGO 'All Creatures Great and Small', gegenüber der DW.

"Die einzige Möglichkeit, mit der Straßenhundepopulation umzugehen, ist, diese mit Sterilisation und Impfung zu stabilisieren." Sie zu entfernen, sei keine Lösung: "Bisse und Tollwut werden zunehmen, wenn sterilisierte und geimpfte Hunde ihr Territorium verlassen müssen, da dann ungeimpfte Hunde einwandern. Das hat Folgen für die öffentliche Gesundheit", sagte Gopalan gegenüber der DW.

Gibt es eine bessere Lösung?

Bharati Ramachandran, Geschäftsführerin der 'Federation of Indian Animal Protection Organisations (FIAPO)', übt deutliche Kritik an dem Gerichtsbeschluss.

"Die gerichtliche Anordnung widerspricht den globalen Richtlinien des öffentlichen Gesundheitswesens. Darüber hinaus schreiben die ABC-Regeln vor, dass sterilisierte und geimpfte Hunde, die in den Kommunen leben, nach der Behandlung in ihr ursprüngliches Revier zurückgebracht werden müssen", sagte Ramachandran gegenüber der DW. "Wir prüfen die Anordnung noch und überlegen, wie wir künftig vorgehen können"", sagte sie.

Entscheidend sei eine ordentliche Abfall- und Müllentsorgung.  "Damit reduziert sich die Verfügbarkeit von Nahrung sowohl für Straßenhunde als auch für Nagetiere und begrenzt die mit diesen Tierpopulationen verbundenen Risiken", fügte NGO-Leiterin Gopalan hinzu.

In Jaipur, der Hauptstadt des Bundesstaates Rajasthan, führen Tierrettungsgruppen seit einem Jahrzehnt ein ABC-Programm durch, das Berichten zufolge zur Halbierung der Straßenhundepopulation geführt hat. Der Anteil der Welpen sank von 19 % auf nur noch 2 % der Gesamtzahl der Hunde. Der Bundesstaat Goa hat im Rahmen seines Massenimpfprogramms zur Bekämpfung der Tollwut eine Impfrate von rund 70 % in seiner Hundepopulation erreicht.

Dieser Erfolg wurde maßgeblich durch ein App-basiertes Tracking-System unterstützt, das die Impfteams durch die Einsatzgebiete steuert und die Echtzeitüberwachung der Impfraten ermöglicht.

Eine stadtweite Zählung in Bengaluru (früher Bangalore), der Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Karnataka, ergab, dass die Zahl der Straßenhunde durch dortige Maßnahmen um fast 10 % zurückgegangen ist. "Es ist einfach: Hunde gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sterilisieren und impfen, illegale Tierhandlungen und Züchter schließen und die Adoption aus Tierheimen und von der Straße fördern. Das ist eine praktische Gesundheitspolitik, die funktioniert", sagte Agrawal von PETA.

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Ayesha Christina Benn von 'Neighbourhood Woof', einer NGO, die sich für das Wohl von Hunden einsetzt, weist darauf hin, dass Delhis Hundekontrollverordnung am Ende mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte. Sie sagt gegenüber der DW, dass "diese Verordnung katastrophale Folgen haben kann, da sie die Sterilisationsraten senken wird, weil die Sterilisationszentren zur Unterbringung von Hunden genutzt werden". Diese seien einfach nicht für eine langfristige Pflege gerüstet. "Es bedarf einer stärkeren Beteiligung der Öffentlichkeit, um ein effektives Straßenhundemanagement zu gewährleisten", fügt Benn hinzu.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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