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KonflikteAsien

Indien und Pakistan: Sorge vor Ausweitung des Konflikts

Dharvi Vaid in Neu-Delhi
9. Mai 2025

Die angespannte Situation zwischen Indien und Pakistan könnte sich aus mehreren Gründen zu einem ausgewachsenen militärischen Konflikt entwickeln.

Ein uniformierter und bewaffneter Soldat auf einem Uferweg (am Dal-See), an beiden Ufern liegen kleine Boote
Ein indischer Soldat patrouilliert am Dal-See nach der Eskalation mit Pakistan, 9.5.2025Bild: Firdous Nazir/NurPhoto/IMAGO

Einen anhaltenden Konflikt oder gar Krieg wollen die beiden Kontrahenten offenbar vermeiden. Man sei im Gespräch, sagte der pakistanische Botschafter in den USA, Rizwan Saeed Sheikh, gegenüber dem Nachrichtensender CNN. Beide Seiten stünden auf Ebene ihrer jeweiligen Nationalen Sicherheitsräte miteinander in Kontakt.

Seit Tagen sind die Spannungen zwischen Indien und Pakistan aber angestiegen. Nach den indischen Luftangriffen auf Ziele in Pakistan und in dem von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs hat sich die Lage nochmals verschärft. Am Donnerstagabend hatte Indien seinerseits Luftangriffe des Nachbarn auf Gebiete sowohl im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs als auch auf indisches Staatsgebiet nahe der Grenze gemeldet. Pakistan wies die Vorwürfe entschieden zurück. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Mit den Luftangriffen vom Mittwoch hatte Indien auf einen tödlichen Anschlag auf Touristen im vergangenen Monat in der Stadt Pahalgam in dem von Indien verwalteten Teil Kaschmirs reagiert. Dabei wurden 26 Menschen - überwiegend männliche Hindus - getötet. Zu dem Anschlag bekannte sich die Gruppe "The Resistance Front" (TRF), bekannt auch unter dem Namen "Kashmir-Resitance (Kaschmir-Widerstand). Sie steht mit der von den Vereinten Nationen als terroristisch eingestuften Organisation Lashkar-e-Taiba (LeT) in Verbindung. In der Region sind mehrere militante Gruppen präsent. 

Neu-Delhi machte Islamabad für die Unterstützung des Anschlags verantwortlich. Pakistan bestreitet den Vorwurf.

Anti-indische Proteste im pakistanischen BahawalpurBild: Ali Kaifee/DW

Eine Reaktion Indiens galt allgemein als wahrscheinlich, da die Regierung von Premierminister Narendra Modi unter starkem öffentlichen, politischen und medialen Druck stand, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen.

Starker Vergeltungsdruck

Doch die indische Regierung nahm sich Zeit, ihre Reaktion sorgfältig zu planen und auszuführen. Es sei ihr darum gegangen, eine unkontrollierte Eskalation möglichst zu vermeiden, so Experten.

Die Angriffe am frühen Mittwochmorgen zielten auf insgesamt neun Standorte, darunter im pakistanisch verwalteten Kaschmir sowie tief im Landesinneren Pakistans.

Die indische Regierung erklärte, die Ziele seien "Terroristenlager", die als Rekrutierungszentren, Startrampen und Indoktrinationszentren dienten und Waffen sowie Ausbildungseinrichtungen beherbergten.

"Zwei dieser Lager sind die Hauptquartiere der beiden bedeutendsten Gruppen: Das bei Muridke wird von der LeT genutzt und das bei Bahawalpur von Jaish-e-Mohammed", sagt Ajai Sahni vom Institut für Konfliktmanagement in Neu-Delhi der DW.

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"Bei den anderen Zielen handelt es sich um seit langem bestehende Ausbildungslager. Deren Namen werden immer wieder in Berichten oder Verhörberichten von Terroristen genannt, die die Grenze überquert haben", so der Anti-Terror-Experte weiter. "Auch internationale Geheimdienste erkennen diese Orte als derartige Lager an."

Allerdings hätten die Angriffe womöglich keine "signifikante abschreckende Wirkung", sagt Sahni. "Vor allem aber könnten die Angriffe die Gruppen dazu bringen, ihre Anpassungsfähigkeit zu steigern. Bei ihrem nächsten Angriff werden die Terroristen ihre Ziele sorgfältiger orten, ihre Aktivitäten noch stärker geheim halten und sich Schutzräume zulegen", so Sahni.

"Äußerst starke Reaktion Indiens"

"Der Anspruch, Angriffe auf neun verschiedene und dazu überwiegend terroristische Ziele auszuführen, ist in Friedenszeiten sicherlich außergewöhnlich", kommentierte Admiral Arun Prakash, ehemaliger Chef der indischen Marine, im DW-Gespräch den Angriff vom Mittwoch.

"Dass die Armee das Herz Pakistans - die Provinz Punjab - getroffen hat, halte ich für eine äußerst starke Reaktion Indiens", sagt Generalleutnant D. S. Hooda, ein ehemaliger hochrangiger Kommandeur der indischen Armee.

Indien hat offiziell keine Informationen über die Opferzahlen oder die Namen der eingesetzten Flugzeuge und Waffen veröffentlicht. Allerdings gab die Regierung in Neu-Delhi nach den Angriffen eine Erklärung heraus, in der es hieß, die Aktionen seien "fokussiert, maßvoll und nicht eskalierend" gewesen. Es seien lediglich "terroristische Infrastruktur" jenseits der Grenze getroffen worden, nicht jedoch zivile, wirtschaftliche und militärische Ziele.

Durch den Begriff der "Nichteskalation" signalisiere Indien Pakistan, dass es keine weitere Eskalation anstrebe, so Hooda. "Man hat versucht, Kollateralschäden zu vermeiden. Die Botschaft ist also, dass man die Situation möglichst nicht weiter eskalieren will."

Zerstörungen auf der indischen Seite an der Kontrolllinie zu Pakistan, 9.5.2025Bild: Stringer/REUTERS

Ähnlich sieht es Arun Prakash. Er weist auf darauf hin, dass keine ballistischen Raketen eingesetzt wurden. "Es scheint, als hätte man anstelle von ballistischen Raketen flugzeuggestützte Lenkwaffen eingesetzt. Damit signalisiert Indien, dass es sich um einen begrenzten und gezielten Angriff handelt", sagt er der DW. Reichweite und Genauigkeit der Waffen seien so groß, dass die Ziele aus großer Entfernung angegriffen werden könnten, ohne dass man die Grenze zu Pakistan überschreiten müsse.

Anhaltende Schusswechsel

Delhi habe mit diesen Angriffen tief in Pakistan und den von Pakistan kontrollierten Gebieten ein klares Signal an Islamabad gesendet, sagt Ajai Sahni. "Diesmal haben wir mehrere Angriffe im pakistanisch besetzten Kaschmir und vier im Punjab selbst durchgeführt, einer davon mindestens 100 Kilometer tief in Pakistan, in Bahawalpur. Dies deutet darauf hin, dass Indien fortan mit verschärften Sanktionen auf Terroranschläge aus Pakistan reagiert."

Pakistan bezeichnete Neu-Delhis Vorgehen unterdessen als "Kriegshandlung" und ermächtigte sein Militär, zu reagieren.

Derweil eskalierten die Spannungen am Donnerstag weiter. Indien erklärte, es habe ein pakistanisches Luftabwehrsystem in Lahore angegriffen, und zwar als Vergeltung für die Drohnen und Raketen, die Pakistan in der Nacht auf Indien angefeuert hatte.

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Pakistan seinerseits erklärte, die indische Armee habe sowohl in der Nacht als auch am Donnerstag mehrere Drohnen auf das Land abgefeuert. Beide Seiten liefern sich weiterhin schweren Artilleriebeschuss.

Sorgen vor Eskalationsspirale

Gepaart mit dem allgegenwärtigen Risiko einer Fehleinschätzung hat die hochgradig instabile Situation Befürchtungen verstärkt, die Lage könnte sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt zwischen den beiden nuklear bewaffneten Nachbarn ausweiten, sollte es diesen nicht gelingen, einen Ausweg aus der Eskalationsspirale zu finden.

Aus militärischer Sicht kommt es nun auf die nächste Reaktion Pakistans an. Diese werden den Verlauf des Konflikts bestimmen, sagt der ehemalige Luftwaffenkommandant und Leiter des Centre for Air Power Studies (CAPS) in Neu-Delhi, Anil Golani.

"Die Verantwortung für alles Weitere liegt nun bei Pakistan. Die internationale Öffentlichkeit sympathisiert zwar mit Indien. Dennoch dürfte Pakistan Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, da die Regierung auch die Stimmung ihrer Anhänger berücksichtigen muss", so Golani zur DW. "Wenn das aber passiert, wird die indische Reaktion noch entschiedener ausfallen".

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Aktualisiert unter Verwendung von Material der Nachrichtenagentur Reuters.

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