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PolitikIndien

Indien: Will Premier Modi Oppositionelle kaltstellen?

Murali Krishnan
4. April 2024

Kurz vor Indiens Parlamentswahlen sitzt der Ministerpräsident von Delhi wegen Korruptionsvorwürfen hinter Gittern. Die Opposition wirft Premierminister Narendra Modi vor, politische Gegner verdrängen zu wollen.

Protestierende in gelben T-Shirts in Neu Delhi. Ein Mann trägt die Maske des Politikers Arvind Kejrival
Proteste in Neu Delhi: Ein Unterstützer des inhaftierten Politikers Arvind Kejrival trägt eine Maske mit seinem BildBild: Manish Swarup/AP Photo/picture alliance

Eine Koalition von Oppositionsparteien stellt sich hinter den Ministerpräsidenten der Metropolregion Delhi, Arvind Kejriwal. Zuvor hatte ein Gericht entschieden, dass Kejriwal wegen Korruptionsvorwürfen bis zum 15. April hinter Gittern bleiben muss. Seine Haft fällt in eine Zeit, in der der Wahlkampf vor den indischen Parlamentswahlen auf Hochtouren läuft. Der landesweite Urnengang startet am 19. April und wird sich bis Juni hinziehen.

Kejriwal, ebenfalls Vorsitzender der oppositionellen Aam Aadmi Party (AAP), war im März zusammen mit einem Großteil der Parteiführung wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Alkoholpolitik in der Metropolregion Delhi festgenommen worden. Die AAP zeigt sich überzeugt, dass die Anklage politisch motiviert ist, um damit gegen Gegner der Bharatiya Janata Party (BJP) von Indiens Premierminister Narendra Modi vorzugehen.

Opposition vereint gegen die BJP

Im Februar hatte sich die AAP entschlossen, dem "Indischen Block" beizutreten, der von der Kongresspartei angeführt wird, Indiens größter Oppositionspartei. Das Bündnis gilt damit als ernstzunehmende Konkurrenz für die regierende BJP.

Die AAP ist nun neben der Kongresspartei die stärkste Kraft im "Indischen Block", in dem sich Dutzende Parteien zusammengeschlossen haben. Bei einer Kundgebung unter dem Motto "Rettet die Demokratie" warfen Oppositionsführer am Samstag in Delhi dem derzeitigen Regierungschef Modi vor, mithilfe von Bundesbehörden gegen die politischen Gegner seiner BJP vorzugehen.

Der Vorwurf von Kongresspartei-Chef Rahul Gandhi ist schwerwiegend. Er spricht von Wahlmanipulation durch die BJP. Gandhi hat dabei die elektronischen Wahlmaschinen im Blick. Ohne Manipulationen, soziale Medien und Druck auf die Presse könnte die BJP "nicht mehr als 180 Sitze gewinnen", so der Oppositionspolitiker. Die BJP hatte bei der letzten Wahl 2019 im indischen Unterhaus eine satte Mehrheit erzielt und 303 von 543 Sitzen in dieser Parlamentskammer gewonnen.

Die Politologin Zoya Hasan meint, die Kundgebung von vergangenem Samstag zeige, wie Kejriwals Verhaftung die Oppositionsparteien wachgerüttelt habe. "Das Thema ist dabei nicht die Alkoholpolitik, für die Kejriwal festgenommen wurde, sondern der Zeitpunkt seiner Verhaftung mitten im Wahlkampf", so Hasan im DW-Interview. Das sorge für Verwerfungen in der politischen Arena vor der Wahl und schade ihrem Ablauf.

Kann die Opposition nun Wähler mobilisieren?

Offen ist allerdings, ob der Fall Kejriwal landesweit bei Wählern Sympathie für die Opposition erweckt. Das kosmopolitische Delhi ist einer der wenigen Teile Indiens, in denen Modis hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) nicht die Oberhand hat. Kejriwals Rolle dort ist vergleichbar mit der eines Gouverneurs in den USA oder eines Ministerpräsidenten in Deutschland.

Unter seiner Regierung wurden staatliche Schulen und das Gesundheitssystem verbessert, kostenloser Strom wurde eingeführt. Die Wähler unterstützten daher die AAP bei den regionalen Wahlen in den vergangenen zehn Jahren. Bei landesweiten Parlamentswahlen blieb der große Erfolg aber bislang aus.

Arvind Kejrival auf dem Weg zum Gericht in Delhi (am 28. März)Bild: Hindustan Times/IMAGO

Ein hochrangiges AAP-Mitglied zeigte sich gegenüber der DW aber überzeugt, dass die Verhaftung des prominenten Politikers aus Delhi der Partei auch bei den Parlamentswahlen helfen werde. "Wenn Kejriwal aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, Wahlkampf zu machen, wird klar werden, dass die BJP ein politisches Feld haben will, aus dem die Opposition weggefegt worden ist ".

Modis BJP schiebt hingegen die Korruptionsvorwürfe gegen Kejriwal in den Vordergrund und betont: "Es ist eine Wahl, mit der wir die Korruption ausrotten wollen". Am oppositionellen "Indischen Block" lässt der Premier kein gutes Haar. Es sei "die erste Wahl, bei der sich alle korrupten Individuen zusammenschließen, um den Kampf gegen die Korruption zu stoppen", beschimpfte Modi die Opposition bei einer Wahlkampfveranstaltung am Montag im nordindischen Bundesstaat Rajasthan.

"Die vorgetäuschte Einheit des 'Indischen Blockes' werde keine Zugkraft haben, besonders weil in Bundesstaaten wie Westbengalen, Kerala und Punjab diese Einheit nicht existiert. Die BJP bleibt die erste und glaubwürdige Wahl des Volkes", sagte die Sprecherin der BJP, Shazia Ilmi, der DW.

BJP bestreitet Fehlverhalten

Den Vorwurf der Opposition, die regierende BJP spanne Bundesbehörden für ihre Zwecke ein, findet der Politikwissenschaftler Yamini Aiyar aus Delhi berechtigt. Er sagt, dass Modis Partei Ermittlungsbehörden sowie Gesetze in Bereichen wie Steuer, Volksverhetzung, Anti-Terror und der ausländischen Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen "systematisch als Waffe einsetzt".

Das Ziel der BJP aus Sicht von Aiyar: "Oppositionspolitiker auf unverhältnismäßige Weise ins Visier zu nehmen und abweichende Meinungen zu kriminalisieren". Ein drastisches Beispiel dafür sei die "Verhaftung von Kejriwal, eines populären Oppositionellen".

Eine dieser Ermittlungsbehörden, die im Zusammenhang mit dem Fall Kejriwal in der Kritik stehen, ist das indische Enforcement Directorate (ED). Diese Bundesbehörde hat den Auftrag, bei Wirtschaftsdelikten im großen Stil zu ermitteln.

Regierungschef Narendra Modi (bei einem Wahlkampfauftritt Mitte März in Westbengalen)Bild: Subrata Goswami/DW

Die BJP behauptet, dass das ED und die anderen Strafverfolgungsbehörden völlig unabhängig von der Regierung lediglich ihre Arbeit bei der Ausrottung der Korruption machten. Die Regierungspartei bestreitet, dass es im Verfahren gegen Kejriwal eine politische Agenda gebe. "Das ist eine Angelegenheit zwischen der Vollzugsdirektion und der Justiz. Die Ermittlungen werden vom Gericht überwacht und es wäre unangemessen, die Anklage der Oppositionsparteien zu kommentieren", sagt BJP-Sprecher Tom Vadakkan.

Seit Narendra Modis Amtsantritt im Jahr 2014 hat sich das ED zu einer der gefürchtetsten Behörden Indiens entwickelt. Das Enforcement Directorate hat über 3000 Geldwäsche-Razzien durchgeführt, aber nur 54 Verurteilungen erwirkt. Die Behörde hat dabei Dutzende von Oppositionspolitikern ins Visier genommen. Allerdings sind nur wenige BJP-Politiker ins Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden geraten.

Enthüllungen zu umstrittenen Unternehmensspenden, die größtenteils an die BJP gingen, haben dem Indischen Block aber im vergangenen Monat unerwartet ein dringend benötigtes politisches Gesprächsthema beschert. Die Opposition hofft, damit im Wahlkampf punkten zu können.

"Die BJP hat die von ihr kontrollierten Behörden missbraucht, um die indische Demokratie und Zivilgesellschaft zu untergraben, wie es noch nie zuvor geschehen ist", sagt auch Aakar Patel, ehemaliger Chef von Amnesty International Indien. Amnesty war 2020 gezwungen, seine Aktivitäten in Indien einzustellen, nachdem die Regierung die Bankkonten der Menschenrechtsorganisation eingefroren hatte. Aus Sicht von Amnesty ein Indiz für ein "kontinuierliches Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft in Indien".

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

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