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Politik

Indien zeigt Ehrgeiz bei G20-Präsidentschaft

3. Dezember 2022

Die indische Regierung unter Narendra Modi will den G20-Vorsitz nutzen, um bei globalen Themen wie dem Klimaschutz Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern gerecht zu werden.

Logo der indischen G20-Präsidentschaft - Die blaue Erde wird von einer gelb-grünen Lotosblüte umfangen
Logo der indischen G20-Präsidentschaft

Während seiner G20-Präsidentschaft, die am vergangenen Donnerstag begann, hat Indien viel vor: Es will zwischen den sich neu verhärtenden Blöcken vermitteln, die Umwelt schützen und einen nachhaltigen Lebensstil fördern, ja diesen sogar zu einer Massenbewegung machen. Beim G20-Gipfel Mitte November in Bali stellte Modi das Motto der indischen Präsidentschaft vor: "Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft". Indien übernehme die Führung bei den G20 in einer Zeit, in der die Welt mit geopolitischen Spannungen, wirtschaftlicher Abschwächung, steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen sowie langzeitigen schädlichen Wirkungen der Pandemie ringe, so Modi. "In einer solchen Zeit schaut die Welt mit Hoffnung auf die G20".

Indiens Premier Modi mit indonesischen Politikern auf Bali vor dem Beginn des G20-Gipfels Mitte November. Indien löst Indonesien im Vorsitz ab.Bild: Fikri Yusuf/G20 Media Center/REUTERS

Tatsächlich bringe Indien für seine auf Nachhaltigkeit gerichtete Präsidentschaft gute Voraussetzungen mit, sagt Adrian Haack, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Neu Delhi. So etwa beim Klimawandel. "Zum einen ist Indien die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, und gehört in dieser Eigenschaft auch zu den Verursachern des Klimawandels. Zum anderen ist Indien mit Blick auf seinen Entwicklungsstand und den Lebensstandard Teil des globalen Südens." Gleichzeitig habe es wie viele Länder der südlichen Hemisphäre stark mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. "Es gibt kaum ein anderes Land, das derart eng mit beiden Seiten des Klimawandels verbunden ist. Darum kann Indien auch sehr gut in beide Richtungen argumentieren und damit zwischen Industrie- und sich entwickelnden Staaten vermitteln."

Frauen in Madhya Pradesh kämpfen gegen die Dürre durch den Bau von einfachen Dämmen und WasserauffangbeckenBild: Sanjay Kanojia/AFP

Bei diesen Anliegen wird Indien auch auf die Unterstützung anderer G20-Staaten, insbesondere auch Deutschlands, rechnen können. Dazu seien diese Staaten bereit, sagte Mitte der Woche der deutsche Botschafter Philipp Ackermann. "Indien hat eine ehrgeizige Agenda für die G20, und das geht mit hohen Erwartungen einher", zitiert die Zeitung "Hindustan Times" den deutschen Diplomaten. Indien, so Ackermann, sei kein durchschnittliches G20-Land, sondern eines der eindeutigen Schwergewichte der Gruppe. "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit unseren indischen Freunden", so Ackermann.

Differenzen beim Freihandel

Tatsächlich teilen Indien und Europa, Indien und Deutschland viele Anliegen. Auf Feldern wie den erneuerbaren Energien und dem Klimawandel funktioniere die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien bereits sehr gut, sagt Adrian Haack. Die in Deutschland angestrebte Energiewende hin zum grünen Wasserstoff werde in Indien mit Interesse und Wohlwollen verfolgt. "Insofern sind Deutschland und Indien zwei Staaten, die trotz aller Unterschiede sehr konstruktiv zusammenarbeiten. Das gilt auch für eine Reihe anderer EU-Staaten, und das wiederum ist eine gute Voraussetzung für die indische G20-Präsidentschaft."

Zur G20 gehören 19 Länder aus verschiedenen Kontinenten und politischen Blöcken.

Allerdings gebe es auch Felder, auf denen Europa und Indien weniger einmütig sind, so etwa beim Freihandel. "Die Auseinandersetzung darum steht natürlich wie ein Elefant im Raum", sagt Haack. Bei den im Juni begonnen Gesprächen zum Freihandel geht es zunächst um konkrete Fragen wie niedrigere Zölle für europäische Exporte oder einen leichteren Visa-Zugang für indische Staatsbürger. Um diese Themen wird hart verhandelt. Zugleich aber hätten Indien und Europa grundlegende gemeinsame Interessen, so eine Studie des Bundes der Deutschen Industrie vom Juni dieses Jahres: "Herausforderungen wie die Spannungen zwischen China und demokratischen Marktwirtschaften, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die globale Erwärmung und die COVID-Pandemie sowie unter Druck geratene Lieferketten haben die Dringlichkeit für Europa und Indien gleichermaßen erhöht, ihre strategische Souveränität durch eine Diversifizierung ihrer Partnerschaften zu behaupten", heißt es in der Studie.

Fokus auf Schuldenerleichterung

Zugleich wird Indien während seiner G20-Präsidentschaft auch als Interessenvertreter der wenig entwickelten Länder auftreten. Unter der indischen Präsidentschaft, sagt Haack, dürften die Anliegen der Staaten im globalen Süden - in Afrika, Asien und Südamerika - besonders deutlich artikuliert werden. Dazu sich die indische Regierung bereits dezidiert geäußert. "Fast 60 Prozent der einkommensschwachen Länder sind mit einer untragbaren Schuldenlast konfrontiert", heißt es in einem von der indischen Regierung herausgegebenen Papier zur G20-Präsidentschaft. Es sei wahrscheinlich, dass die G20 zusammenkommen werden, um neue Regeln und Zeitpläne für den Schuldenabbau dieser Länder festzulegen, heißt es dort.

Beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC) in Usbekistan im September machte Modi gegenüber Putin klar, dass er den Krieg gegen die Ukraine für falsch hält.Bild: Sergei Bobylev/AP/picture alliance

Unterschiedliche Standpunkte vertraten Indien und die westlichen Staaten eine Zeitlang hinsichtlich des russischen Angriffs auf die Ukraine. Bei den beiden UN-Resolutionen vom März und Oktober, die den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilten, enthielt sich Indien der Stimme. Und im September verunsicherte das Land seine westlichen Partner, als an dem Manöver "Wostock"  im Osten Russlands teilnahm.

Auf Distanz zu Putin

Allerdings übt Indien zugleich stille Kritik an dem Krieg, sagt Adrian Haack. In Neu Delhi sei man spätestens im Sommer zu der Überzeugung gelangt, dass Russland den Krieg nicht gewinnen könne. "Wir leben nicht in einer Ära des Krieges", hatte Premier Modi wiederholt erklärt. In westlichen Ohren klinge das zwar wie ein diplomatischer Gemeinplatz. Im Jargon der indischen Diplomatie könne man den Satz jedoch getrost weiter auslegen, so Haack: "Modi empfiehlt Putin, er solle den Krieg beenden. Auf weitergehende Beiträge Indiens sollten wir nicht hoffen."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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