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Merkel in Indien

Priya Esselborn29. Oktober 2007

Kanzlerin Angela Merkel erwartet bei ihrer ersten Indienreise ein Land voller Widersprüche: So ist etwa jeder dritte Computer-Experte weltweit Inder, aber jeder dritte Inder kann nicht lesen und schreiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (m.) mit der indischen Ministerin Meira Kumar (l.) und Forschungsministerin Anette Schavan (r.), Foto: dpa
Merkel (m.) mit der indischen Ministerin Meira Kumar (l.) und Schavan (r.)Bild: picture-alliance/dpa

In glitzernden Mega-Städten wie Bombay oder Delhi mit ihren imposanten Skylines schwelgt eine kleine Elite im Luxus. Doch 250 Millionen Inder leben unterhalb der Armutsgrenze. Indien erwirtschaftet fast zwei Drittel seines Brutto-Inlands-Produkts im Dienstleistungs-Sektor, zwei Drittel der Inder arbeiten aber in der wenig produktiven Landwirtschaft. Der Kaschmir-Konflikt ist noch immer nicht gelöst und fordert fast täglich Tote, im Nordosten schwellen separatistische Konflikte. Und doch gilt Indien - die größte Demokratie der Welt - als Symbol für Stabilität und Frieden in der Region.

Jeder dritte Computer-Experte weltweit ist Inder, aber jeder dritte Inder kann nicht lesen und schreibenBild: picture-alliance/dpa

Vor wenigen Monaten, am 15. August 2007 beging Indien seinen 60. Unabhängigkeits-Tag. Viele halten Indien für unregierbar. Mit seinen 28 Bundes-Staaten, 18 anerkannten Amts-Sprachen, den klimatischen Gegensätzen mit Himalaya im Norden und fast äquatorialen Gegenden im Süden sowie einer Bevölkerung von inzwischen 1,1 Milliarden Menschen unterschiedlichster Religionen und Ethnien, ist Indiens Entwicklung erstaunlich.

Acht Prozent machen selbstbewusst

Von einem der ärmsten Entwicklungsländer der Welt mauserte sich Indien mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von über acht Prozent in den vergangenen Jahren neben China zum wirtschaftlichen Motor in Asien. Indien ist eine Nuklear-Macht, die inzwischen mit Selbstbewusstsein von einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat spricht, und die stolz auf ihre Entwicklung ist, wie Rashid Alvi, Politiker von Indiens regierender Kongress-Partei gerne betont: "Unser größter Erfolg in diesen 60 Jahren, den auch die Welt anerkennen muss, ist die Etablierung eines demokratischen Systems gewesen. Unsere Demokratie ist so stark geworden in diesen 60 Jahren, dass wir es mit jeder Demokratie auf der Welt aufnehmen können."

250 Millionen Inder leben unterhalb der ArmutsgrenzeBild: dpa

Diese größte Demokratie der Welt erhöht Jahr für Jahr ihren Verteidigungs-Haushalt, verdoppelte ihn sogar innerhalb von sieben Jahren. Derzeit sind es knapp 21 Milliarden Dollar, 41 Prozent davon stehen für Einkäufe bereit. Nach einer Studie für den amerikanischen Kongress hat sich Indien zwischen 1996 und 2004 zum größten Waffen-Käufer unter den Entwicklungsländern entwickelt, noch vor Saudi-Arabien und China.

Bedrohung ist subjektiv

Verteidigungs-Experte Uday Bhaskar hält die Rüstungs-Ausgaben mit 2,4 Prozent des Bruttoinlands-Produkts nicht für überzogen, auch wenn viele die Milliarden im Gesundheits- und Schulwesen besser investiert sehen. Er verweist auf das Nachbarland China, das offiziellen Angaben zufolge etwa 45 Milliarden Dollar für Rüstung ausgibt, inoffiziellen Schätzungen sogar 60 bis 80 Milliarden US Dollar. "Es sollte jedem Land selbst überlassen sein sollte, wie viel es für seine Verteidigung ausgibt, denn dies ist von der jeweiligen Bedrohung und der Wahrnehmung dieser Bedrohung abhängig”, sagt er.

Diese Bedrohung wird, so Bhaskar, offensichtlich, wenn man die geographische, strategische und historische Rolle Indiens betrachtet. Drei Kriege haben Indien und sein ehemaliger Erzfeind Pakistan schon um Kaschmir ausgefochten. Die Region ist für Indien das Symbol für die Einheit des Landes.

Horror-Szenario

Eine Loslösung wäre ein Horror-Szenario, dass vor allem in dem von separatistischen Guerilla-Bewegungen geplagten Nordosten Indiens eine Domino-Reaktion auslösen könnte. Daher sind die Friedens-Gespräche zwischen Indien und Pakistan, die seit 2004 regelmäßig stattfinden, bei der Kern-Frage um die Zukunft des geteilten Kaschmirs oder die Entmilitarisierung des als höchstes Schlachtfeld der Welt geltenden Siachen-Gletschers kaum weitergekommen.

Indien: Die größte Demokratie der WeltBild: dpa

Doch obwohl sich Indien durch die militärischen Konflikte im Inland und in den Nachbarländern vielfältigen Herausforderungen gegenüber sieht, gilt das Land als Garant von Stabilität in der Region. Aus dieser Modellfunktion resultiert die international anerkannte Führungsrolle Indiens in der Region, sagt Uday Bhaskar: "In Pakistan, Nepal, Bangladesch, Myanmar, Afghanistan oder Sri Lanka ist die demokratische Tradition nicht so stark wie in Indien. Vor allem ist die Rolle des Militärs viel größer und der politische Prozess durch das Fehlen von freien Wahlen geschwächt." Würde es gelingen, Indiens Demokratie-Verständnis auf die Nachbarländer zu übertragen, dann könnte eine ganze Region befriedet werden, meint Uday Bhaskar.

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