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Indiens Viereckbeziehungen mit Russland, China und USA

Murali Krishnan aus Neu-Delhi
21. August 2025

Angesichts drohender US-Zölle hat Indien seine Beziehungen zu Russland und China intensiviert. Zugleich versucht die Regierung von Premier Narendra Modiin seine strategische Autonomie in der Außenpolitik zu festigen.

Indiens Premierminister Modi (r.) und der chinesische Außenminister Wang Yi geben sich vor einer chinesischen und einer indischen Flagge die Hand und schauen dabei in die Kamera
Chinas Außenminister Wang Yi zu Besuch bei Indiens Premier Modi (r.)Bild: India's Press Information Bureau/Handout via REUTERS

China und Indien wollen enger kooperieren. Beide Länder werden neue Verhandlungen über den umstrittenen Verlauf der gemeinsamen Grenze, unter anderem durch die Himalaya-Region Kaschmir, aufnehmen. Direktflüge sollen die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt wieder verbinden. Das hat der chinesische Außenminister Wang Yi bei seinem zweitägigen Besuch in Indien mit Premierminister Narendra Modi vereinbart. Auch indischen Pilgern soll die Einreise zu Heiligstätten in Tibet ermöglicht werden. Alle diese Vereinbarungen deuten auf eine Entspannung hin.


"Ich freue mich, Außenminister Wang Yi zu treffen", schreibt Premier Modi auf X, ehemals Twitter. "Seit meinem Treffen mit Präsident Xi Jinping in Kazan im letzten Jahr haben die Beziehungen zwischen Indien und China unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen und Sensibilitäten stetige Fortschritte gemacht." Modi und Xi trafen sich zuletzt im Oktober 2024 in der zentralrussischen Stadt Kazan am Rande des BRICS-Gipfels.

Die US-Zollpolitik beschäftigt China und Indien in gleichem Maße intensiv. Die US-Regierung wirft beiden Ländern vor, russisches Erdöl zu importieren und damit mittelbar den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit zu finanzieren. Für Indien sollen die zusätzlichen Zölle in Höhe von 25 Prozent am 27. August in Kraft treten. Dies hat Indien als "ungerechtfertigt und unangemessen" bezeichnet. Und die beiden größten Volkswirtschaften der Welt - China und die USA - verhandeln noch über die Abgaben für den grenzüberschreitenden Warenhandel und vertagten die Einführung der Strafzölle auf Anfang November, um Gespräche möglich zu machen.

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Nun suchen Indien und China Schulterschluss beim Grenzhandel und der Investitionsförderung. Das entspreche der indischen Chinapolitik unter Premier Modi, der nach eigenen Angaben eine "stabile, berechenbare und konstruktive Beziehung" zu China anstrebt, um einen wesentlichen Beitrag zum regionalen und globalen Frieden und Wohlstand zu leisten. Modi wird am 31. August am Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit(SCO) in China teilnehmen und Xi Jinping treffen.

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Fester Kurs zu Russland

Trotz zunehmenden Drucks aus dem Weißen Haus will Indien offenbar weiter mit Russland im Energiebereich zusammenarbeiten. Am Dienstag reiste Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar nach dem Treffen mit Chinas Amtskollegen Wang in Neu-Delhi direkt nach Moskau , um den russischen Außenminister Sergej Lawrow zu treffen. Vor zwei Wochen war auch schon Indiens Sicherheitsberater Ajit Doval in Russland zu Besuch. Es verdichten sich Anzeichen, dass der russische Präsident Wladimir Putin Anfang September Indien offiziell besuchen wird.

Indiens Außenminister Jaishankar traf zuerst den chinesischen Amtskollegen Wang Yi, bevor er nach Moskau reisteBild: @DrSJaishankar X/ANI Photo

Regierungsinformationen zufolge hat Putin am Montag (18.8.) Premier Modi angerufen und ihn über die Gespräche mit US-Präsident Donald Trump am Freitag im US-Bundesstaat Alaska informiert.  Ein wichtiges Thema auf Jaishankars Agenda ist der Ölimport aus Russland. Indische Medien berichten, dass Neu-Delhi überlegt, russisches Rohöl zu noch günstigeren Konditionen zu importieren.

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Die intensive Interaktion mit China und Russland auf hoher politischer Ebene sichere die strategische Autonomie Indiens und gleiche unterschiedliche Interessen mit seinen Verbündeten aus, sagen Experten.

"Die US-Regierung zu beschwichtigen, war für Indiens Diplomaten die größte Herausforderung und schwierigste Aufgabe", sagt Aravind Yelery, China-Experte und Professor an der Jawaharlal Nehru University. "Das zunehmende Engagement mit China muss nicht als Reaktion auf die steigende Spannung mit den USA angesehen werden. Indien muss aber einfach Schritte unternehmen. Die Abhängigkeit von den USA war übermäßig groß und die Grundstimmung zu optimistisch."

Indien habe zwar viel Energie darauf verwendet, in der Öffentlichkeit seine strategische Autonomie zu demonstrieren, sei aber an vielen von den USA geführten Initiativen aktiv beteiligt gewesen, so Yelery weiter.  Nun habe Indien die Möglichkeit, wahre Autonomie der Außenpolitik zu beweisen, wie zum Beispiel mit einem größeren Engagement in dem multilateralen Rahmen der SCO, eine internationale Organisation mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik ohne Beteiligung westlicher Länder. Der Hauptsitz der SCO befindet sich in Peking. 

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"Russland und China würden diese Engagements Indiens sicherlich gerne sehen. Aber Indien hatte in Wirklichkeit erhebliche diplomatische Anstrengungen unternommen, um eine Spaltung mit den USA zu vermeiden. Es waren die USA, die zuerst ihre Geduld verloren haben", sagt Yelery im DW-Interview.

Harsh Pant, Vizepräsident der indischen Denkfabrik "Observer Research Foundation", glaubt, dass die Schwierigkeiten zwischen Washington und Neu-Delhi und die Annäherung mit China und Russland auf zwei unterschiedlichen Schienen laufen.

"Indien ist weiterhin darauf bedacht, seine strategische Autonomie durch die Teilnahme an unterschiedlichen Plattformen zu bewahren. Für Indien sind die wichtigste Vereinigung der Schwellenländer BRICS, die SCO, aber auch der quatrilaterale Sicherheitsdialog (Quad) mit den USA, Australien und Japan gleichsam wichtig."

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Zwar habe der US-Präsident viel Staub aufgewirbelt. Der "Trump-Faktor" sei für die indische Außenpolitik aber nicht dominierend. "Indien gelingt es immer, seine Position mit Ländern wie China und Russland beizubehalten, unabhängig von seinem Engagement mit den USA", fügt Pant hinzu. Dem Druck seitens des Westens habe Indien trotz russischen Angriffskriegs auf die Ukraine standgehalten. Indien habe die Partnerschaft zu Russland nie aufgegeben.

Schwierige, aber wichtige Partnerschaft mit USA

Die USA seien ein wichtiger strategischer und wirtschaftlicher Partner, ihre jüngsten Maßnahmen hätten jedoch zu einer gewissen Unsicherheit in den Beziehungen geführt, sagt Meera Shankar, indische Botschafterin in den USA zwischen 2009 und 2011.

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"Die Strafzölle, die die USA wegen indischer Ölimporte aus Russland verhängt haben, erscheinen mir unangemessen. China importiert mehr Öl aus Russland als Indien und ist der größte Abnehmer", moniert Shankar gegenüber der DW.

Ähnliches gelte für Europa: "Die EU-Importe aus Russland beliefen sich 2024 auf über 67 Milliarden US-Dollar und lagen damit erneut über den Importen Indiens", sagt Shankar weiter. Nach den EU-Statistiken hat die Europäische Union allein im ersten Halbjahr 2025 russisches Flüssigkeitsgas im Wert von knapp 4,5 Milliarden Euro importiert. Das ist knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

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"Auch die Gespräche mit China über Grenzverläufe richten sich nicht gegen ein bestimmtes Land, sondern zielten darauf ab, ein friedlicheres und berechenbareres Umfeld entlang unserer Grenze zu schaffen", fügt Shankar hinzu.

Der Besuch von Putin in Indien und von Modi in China seien schon vor den Debatten über die US-Zollpolitik terminiert worden, verrät Ajay Bisaria, ein ehemaliger Diplomat. Nun müssten diese Besuche aus gegebenem Anlass inhaltlich neu kalibriert werden.

"Während die USA und Russland wichtige strategische Partner bleiben und China ein strategischer Gegner ist, werden Indiens kurzfristige Taktiken von der Volatilität der USA und dem Handelsstreit geprägt", sagt Bisaria gegenüber der DW.

Trotz dieser Herausforderungen weist Bisaria auf die Bedeutung einer gesunden Beziehung mit den USA hin. Es liege im Interesse Indiens, einen Deal mit Trump abzuschließen und einen möglichen Besuch des US-Präsidenten zum Quad-Gipfel in Neu-Delhi später in diesem Jahr anzustreben.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan.