Indien Deutschland
10. April 2013Indien gehörte zu den ersten Ländern, die die Bundesrepublik diplomatisch anerkannten, und zu den Ländern, die die deutsche Wiedervereinigung 1990 kräftig unterstützten. "Indien und Deutschland sind sich auf vielen politischen Feldern der internationalen Diplomatie einig", so der Politologe R. K. Jain von der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi gegenüber der Deutschen Welle. "Beide wollen einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Sie kooperieren miteinander im G20-Prozess." Beide Seiten sind in Berlin zu ihren zweiten Regierungskonsultationen zusammengekommen (11./12.04.2013). Solche Treffen hält Deutschland außerhalb Europas nur noch mit China und Israel ab.
Jain erwartet von dem Treffen, dass es genutzt wird, um die bilaterale Zusammenarbeit auch auf anderen Gebieten wie sauberen Umwelttechnologien und alternativen Energien voranzubringen. Für Jain gehört dazu auch die Atomenergie: "Indien hat ein ehrgeiziges Nuklearprogramm. Es muss eine Diskussion über einen Beitrag deutscher Firmen dazu geben." Frankreich ist schon seit Jahren in Verhandlungen über massive Investitionen in die zivile Atomenergie Indiens.
Handelsbeziehungen im Fokus
Ein weiteres wichtiges Thema werden die Handelsbeziehungen sein. Bei der ersten Runde der bilateralen Konsultationen in Neu Delhi im Mai 2011 hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Premierminister Manmohan Singh ihren Willen unterstrichen, das Handelsvolumen von rund 15 Milliarden Euro auf 20 Milliarden Euro bis Ende 2012 zu steigern. Ende 2011 lag das Handelsvolumen bei über 18 Milliarden Euro, neue Zahlen sind noch nicht bekannt. Deutschland ist inzwischen an siebter Stelle der Lieferanten Indiens. Die Nachfrage Indiens nach Elektrotechnologie und nach deutschen Maschinen bleibt hoch. Letztere machen etwa 30 Prozent aller deutschen Ausfuhren nach Indien aus. Indien hingegen liefert Textilien, Leder und Nahrungsmittel nach Deutschland, aber auch zunehmend chemische Erzeugnisse, Metallwaren und ebenfalls Elektrotechnologie.
Freihandelsabkommen mit der EU
Um die Handelsbeziehungen auf dauerhaften Wachstumskurs zu bringen, ist jedoch mehr zu tun. Bernhard Steinrücke, Generaldirektor der Deutsch-Indischen Handelskammer, verweist diesbezüglich auf einen wichtigen Tagesordnungspunkt: das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien. "Die Bundesregierung wird unterstreichen, dass das Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU von allergrößter Bedeutung für Indien und Europa und daher auch für Deutschland ist", sagte Steinrücke der Deutschen Welle im Vorfeld. An Indien solle es nicht scheitern, meint Politologe R. K. Jain: "Indien wird versuchen, Deutschland davon zu überzeugen, dass es auf die EU Druck ausüben muss, damit das Abkommen zustande kommt."
Die großen Autofirmen wie Mercedes-Benz, Volkswagen, BMW und Anlagenbauer wie Siemens sind längst in Indien etabliert. Indien verspricht sich von einem Freihandelsabkommen ein stärkeres Engagement des deutschen Mittelstands. "Diese Firmen haben Know-how, das weltweit führend ist, und Indien möchte, dass auch diese Firmen einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Indiens leisten." Das hört Bernd Steinrücke gern: "Die deutsche Industrie erwartet, dass der Besuch die Bedeutung von deutschen Investitionen auf wirtschaftlichem sowie wissenschaftlichem Gebiet in Indien unterstreicht."
Kontinuität trotz Wahlen
In diesem Zusammenhang dürfte die deutsche Seite das Interesse Deutschlands an Fachkräften aus Indien unterstreichen. In Indien ist allerdings der Wahlkampfspruch "Kinder statt Inder" der CDU aus dem Jahr 2000 nicht vergessen. Der Slogan des damaligen NRW-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers sollte eine Präferenz der CDU verdeutlichen: Angesichts fehlender Facharbeiter wollte die Partei lieber deutsche Kinder und Jugendliche ausbilden, als die Arbeitsplätze mit zuwanderndern Ausländern zu besetzen. Rüttgers löste damit Kontroversen aus. Daher werden indische Politiker die deutschen Bemühungen um Fachkräfte und Wissenschaftler aus Indien mit Interesse verfolgen.
In beiden Ländern stehen Parlamentswahlen an, in Deutschland im kommenden September und in Indien 2014. Bernd Steinrücke glaubt nicht, dass die Wahlen auf die bilateralen Beziehungen große Auswirkungen haben werden. "Wenn die beiden Regierungen sich jetzt bei bestimmten Themen einig sind, dann hat das wenig mit den Parteien zu tun, die die Regierung bilden. Wir erwarten keinen Kurswechsel."