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Politik

Indisch-iranische Beziehungen in Krisenzeiten

26. Mai 2020

Indien hat dem Iran in der Corona-Notlage nicht geholfen, gute Beziehungen zu den USA und den Golfstaaten waren wichtiger. Jetzt hilft Neu Delhi in der Heuschreckenplage - Zeichen für Annäherung?

Iranischer Präsident Rohani mit indischem Ministerpräsidenten Modi
(Archiv) Indiens Premier Modi traf den iranischen Präsident Rohani am 16.02.2018

Noch ist Indien von der Heuschreckenplage im westlichen Asien weitestgehend verschont. Doch die Gefahr ist alles anderes als gebannt. Mit Sorge beobachten die Behörden in Delhi, wie die gefräßigen Insekten über das Dreiländereck von Iran, Pakistan und Afghanistan immer näher in Richtung der indischen Grenze rücken. Nun hat Indien reagiert: Der "Hindustan Times" zufolge hat die Regierung in Delhi dem Iran Pestizide angeboten. Die Lieferungen würden dazu beitragen, die Lage nicht nur dort, sondern auch in Indien unter Kontrolle zu bekommen, zitiert das Blatt einen namentlich nicht genannten Regierungssprecher. Der Iran habe das Angebot angenommen.

Rücksicht auf USA und Golfstaaten

Doch die beiden Staaten arbeiten nicht durchweg gut zusammen. Wie schwierig das Verhältnis ist, zeigte sich etwa beim Ausbruch der Corona-Pandemie. Mitte März hatte der iranische Premier Hassan Rohani in einem Brief an mehrere Staatschefs der Region um Unterstützung gebeten. "Dieses Virus kennt keine Grenzen und fordert Opfer ohne politische, religiöse oder ethnische Erwägungen", schrieb Rohani. Konkret hatte Iran um medizinische Handschuhe, Masken, Infusionspumpen, Defibrillatoren und andere Schutzausrüstung gebeten.

Unter dem Druck der gegen Iran verhängten US-Sanktionen zog Indien es allerdings vor, auf den Hilferuf aus Teheran nicht zu reagieren. "Delhi zögert, die US-Sanktionen gegen den Iran zu missachten", heißt es in einer Analyse des "Washington Institute for Near East Policy".

Zudem will Indien auch nicht die wirtschaftlich bedeutenden Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten gefährden. Sie sind nicht nur bedeutende Energielieferanten. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie arbeiteten dort auch Hunderttausende indische Gastarbeiter. Doch mit Ausnahme Katars haben die Golfstaaten ein politisch angespanntes Verhältnis zu Iran. So sieht sich die indische Außenpolitik einer heiklen Aufgabe gegenüber: Es gilt, gute Beziehungen in beide Richtungen zu wahren, zugleich aber weder die Golfstaaten noch den Iran durch zu große Nähe zu deren jeweiligen Gegnern zu verärgern.

Wirtschaftsbeziehungen unter Druck

Nach Ende des Kalten Krieges arbeiteten Indien und Iran auf vielerlei Ebenen zusammen. Schwerpunkte der Kooperation waren Energiesicherheit, Handelsbeziehungen, regionale Stabilität und Ausweitung der Verkehrswege. Indien wurde zu einem bedeutenden Abnehmer iranischen Öls - bis zum Mai 2019, als Delhi amerikanischem Druck nachgab und seine Importe beendete.

Auch der Handel mit anderen Gütern ging massiv zurück. "In der Ära Trump ist Indiens freundliche Beziehung zu den Vereinigten Staaten erneut zu einer Quelle enormer Reibung in den indisch-iranischen Beziehungen geworden", heißt es in einer Analyse des Think Tanks "East Asia Forum".

Der iranische Tiefseehafen Chabahar als Drehscheibe für indische Exportgüter für ZentralasienBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Chancen für engere Kooperation

Zweifelhaft sei, ob sich die beiden Länder mit den Auswirkungen der US-Sanktionen auf Dauer abfinden werden, heiß es in einer Analyse der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP). "Die derzeitige Situation bietet sowohl Teheran als auch Delhi Gelegenheit, Möglichkeiten zur Stabilisierung ihrer künftigen Beziehungen zu überdenken - einschließlich des Einsatzes von Fremdwährungen für den Handel und zur Schaffung eines geeigneten Mechanismus, um einen solchen Austausch dann umzusetzen."

Denn im Handel bieten sich beiden Ländern enorme Chancen. So war Indien bis 2019 nicht nur ein bedeutender Abnehmer iranischer Exporte. Umgekehrt bot auch Iran dem Subkontinent erhebliche Ausfuhrmöglichkeiten - so etwa über den im weiteren Ausbau befindliche Riesenhafen von Chabahar, den einzigen Tiefwasserhafen Irans. Er wäre für Indien ein Tor nach Afghanistan ebenso wie nach Eurasien, so das "East Asia Forum". Dort wartet ein großer Markt, den die indische Wirtschaft gern erschließen würde.  

Laut "Washington Institute" könnte die Corona-Pandemie sogar zu einer Entspannung am Golf beitragen, weil sich die Anrainer ihre Politik der Konfrontation immer weniger leisten könnten und der Iran sich auf die großen Herausforderungen im Innern konzentrieren müsse. Eine solche Entwicklung käme ebenfalls einem stärkeren Engagement Indiens im Iran entgegen. 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika