"Jhund" ist das Hindi-Wort für "Mob". Der Film erzählt die Geschichte von Vijay Barse, der sozial schwachen Kindern helfen will. Deswegen gründet er in der westindischen Stadt Nagpur die NGO "Slum Soccer" ("Slum-Fußball"). Die Hauptrolle hat Superstar Amitabh Bachchan übernommen.
Die Regisseure Sushmit Ghosh und Rintu Thomas erzählen die Geschichte der Provinzzeitung "Khabar Lahariya" ("Nachrichtenwellen"). Sie wurde von Frauen gegründet und erscheint im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Viele der Reporterinnen haben erst vor kurzem lesen und schreiben gelernt haben. Das Blatt ist mittlerweile eine wichtige Informationsquelle für die Landbevölkerung.
Bild: Indisches Filmfestival Stuttgart/Writing with Fire, 2022
"'Kasiminte Kadal"
Dieser Film basiert auf Anees Salims' beliebten Roman "The Small-Town Sea" ("Das Kleinstadt-Meer"): Ein Jugendlicher zieht mit seinem todkranken Vater in eine kleine Stadt am Meer. Regie führte Shyamaprasad, der für die Adaption anspruchsvoller Stoffe bekannt ist. Seine Darsteller sprechen Malayalam, eine Sprache, die hauptsächlich im Bundesstaat Kerala an der Südwestküste Indiens verbreitet ist.
Ein weiterer Film, der auf Malayalam gedreht wurde - Regie führte Vinod Bharathan, der aus Kerala stammt. "Karma Café" erzählt die Geschichte eines Mannes, der nach einer schwierigen Zeit im Ausland nach Indien zurückkehrt und ein französisches Café eröffnet. Allerdings hat er keine Erfahrung damit, ein Geschäft zu leiten - und auch die konservative Haltung der Einheimischen ist eher hinderlich.
In der indischen Fassung des deutschen Films "Lola Rennt" von Tom Tykwer spielt Tapsee Pannu die Hauptrolle. Sie muss versuchen, eine Menge Bargeld wiederzubekommen, das ihr Freund verloren hat. Immer wieder rennt sie los und durchlebt die Situation mit unterschiedlichem Ausgang. Regie führte Aakash Bhatia.
Der Dokumentarfilm von Navin Chandra Ganesh handelt von der Stammesgemeinschaft der Banchhada in Zentralindien, wo traditionellerweise die Frauen das Geld für die Familie verdienen - als Sexarbeiterinnen. Die Geburt eines Mädchens wird deshalb als glückliches Ereignis betrachtet.
Was hat der französische Kultregisseur Jean-Luc Godard mit einem Dorf im nordindischen Bengalen zu tun? Der Film von Amartya Bhattacharya versucht, diese Frage zu beantworten. Es geht um einen alten Mann, der regelmäßig Pornos schaut und dabei aus Versehen auf einen Film von Godard stößt.
In "Ghandi & Co" von Manish Saini geht es um zwei Jungen, Mintoo und Mitra, die anderen gerne Streiche spielen. Eines Tages ruft Mintoo, inspiriert von unterschiedlichen Vorfällen, Mahatma Gandhi zu seinem Vorbild aus. Er ist allerdings weit davon entfernt, dessen Ideale zu verkörpern.
Noch vor wenigen Jahren hieß das Stuttgarter Filmfestival "Bollywood and Beyond" ("Bollywood und alles darüber hinaus"): Es wurden vor allen Dingen Mainstream-Filme aus Indien gezeigt, Arthouse-Produktionen gab es nur am Rande zu sehen.
Aber die vielen aufwendigen Tanz-und-Sing-Filme wurden für die Organisatoren des Festivals langsam zu teuer.
"Bollywood, das kann man ganz klar so sagen, ist eine Riesenindustrie, und da konnten wir als kleines Festival in Stuttgart gar nicht mithalten", so Hans-Peter Jahn, Pressesprecher des Indischen Filmfestivals. "Die Preise, die die großen Bollywood-Filme verlangen, hätten wir nicht bezahlen können, geschweige denn, dass wir überhaupt einen Star aus diesen Filmen hier in Stuttgart hätten präsentieren können."
Ohnehin scheinen neue, engagierte Filmemacher dem Bollywood-Film den Rang abzulaufen, so Jahn. Glück im Unglück: Lockdowns in der Corona-Pandemie machten es großen Filmproduktionen zwar schwer, kleinere Low-Budgetfilme litten aber nicht so sehr - und fanden auf Streaming-Plattformen wie Amazon Prime und Netflix ein weltweites Publikum.
Die Underdogs wollen auf die Sonnenseite
Beim diesjährigen Festival laufen Filme aus beinahe jedem Teil Indiens. Ein Höhepunkt ist die Dokumentation "Writing with Fire" ("Mit dem Feuer schreiben") von Sushmit Ghosh und Rintu Thomas.
Der Film handelt von Frauen, die die Provinzzeitung "Khabar Lahariya" ("Nachrichtenwellen") im Norden Indiens betreiben. Für viele Menschen, die in dieser ländlichen Region leben, stellt die Zeitung die einzige unabhängige Informationsquelle dar. Für ihre Arbeit wurden die Herausgeberinnen der Zeitung beim Global Media Forum 2014 von der Deutschen Welle geehrt.
Die Angebotspalette des Festivals hat auch "Shankar's Fairies" ("Die Feen von Shankar") im Angebot. Regisseurin Irfana Majumdra erzählt hier die Geschichte einer Herrschaften-und-Diener-Beziehung über viele Generationen hinweg.
Bei "Tangra Blues" handelt es sich um ein Rap-Musical auf Bengali. Darin erzählen Slum-Kinder von ihren Träumen, eines Tages reich und berühmt zu werden.
In "Skater Girl" erzählt Regisseurin Manjari Makijany von ein Mädchen, das sich gegen die konservative Kultur in ihrem Heimatdorf auflehnt: Dort dürfen Frauen das Haus nicht verlassen und müssen früh heiraten.
Ein weiterer Höhepunkt im diesjährigen Programm ist der Film "Jhund" ("Mob", "Herde"), in dem der indische Bollywoodstar Amitabh Bachchan die Hauptrolle spielt. Der Film basiert auf dem Leben von Vijay Barse, der im westindischen Nagpur die gemeinnützige Organisation "Slum Soccer" ("Slum Fußball") gründete.
Gandhi neu denken
Die Organisatoren des Festivals empfehlen als "Must-See" außerdem den Film "Adieu Godard" ("Lebwohl, Godard"). Es ist die Geschichte eines Mann in einem Dorf in Bengalen, der Abend für Abend Pornos schaut. Eines Tages leiht er sich aus Versehen ein Video über den französischen Regisseur Jean-Luc Godard aus und entdeckt so seine Leidenschaft für dessen Arthouse-Filme. Als der Mann vorschlägt, im Dorf ein Godard-Filmfestival zu veranstalten, sorgt das nicht nur für Verblüffung, sondern auch für einige Kontroversen. Regie führte Amartya Bhattacharya.
100 Jahre indischer Film - Die Meilensteine
Vor 100 Jahren wurde der erste indische Film gedreht, Ausgangspunkt für die inzwischen global agierende indische Filmindustrie namens Bollywood.
Bild: Getty Images/AFP
Die Anfänge: "Raja Harishchandra"
Mit "Raja Harishchandra" legte Dhundiraj Govind Phalke 1913 den Grundstein für die indische Filmindustrie. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im Film wie auch im Theater Indiens ausschließlich mythologische Geschichten erzählt, wie die des sagenumwobenen Königs Harishchandra. Frauenrollen wurden damals nur von Männern gespielt.
Bild: gemeinfrei
Der Pioneer: Dhundiraj Govind Phalke
Dhundiraj Gopal Phalke (1870-1944) gilt als der Vater des indischen Kinos. Nach ihm ist Indiens wichtigster Filmpreis benannt. Er arbeitete zunächst als Fotograf, bis der Deutsche Carl Hertz ihn mit den französischen Filmpionieren Lumière zusammenbrachte. Phalke war fasziniert von der neuen Technik und drehte über 100 Filme.
Bild: gemeinfrei
Erster Tonfilm: "Alam Ara"
Ardeshir Irani produzierte 1931 mit "Alam Ara" den ersten Tonfilm Indiens. Er wurde durch seine Musik- und Tanzszenen ein großer kommerzieller Erfolg. Musik, Gesang und Tanz sind seither zu festen Elementen des indischen Kinos geworden.
Bild: public domain
Der erste Skandal: Devika Rani
Die Schauspielerin Devika Rani (1908-1994) sorgte 1933 für den ersten Kino-Skandal im konservativen Indien. Ihre Kussszene in dem Film "Karma" war geschlagene vier Minuten lang. Ihr Mann war der Produzent Himanshu Rai, der den deutschen Regisseur Franz Osten bereits in den 20er Jahren nach Indien holte.
Der erste ausländische Star: Mary Evans
Mary Evans (1908-1996) wurde 1935 als "Fearless Nadia" in "Hunterwali" (Die Frau mit der Peitsche) zum ersten ausländischen Star des indischen Kinos. Spezialität der blonden Australierin waren Stunt- und Actionfilme, aber sie wird auch als Ikone im Freiheitskampf Indiens und Symbol für die Emanzipation der Frauen gesehen.
Liebling des Publikums: Raj Kapoor
Der indische Regisseur und Schauspieler Raj Kapoor machte den indischen Film seit den 1950er Jahren auch außerhalb Indiens berühmt. Er wurde in der UdSSR, den Ostblockländern und China zum Star, auch weil seine Filme, allen voran "Awara" (Der Vagabund) von 1951, ein starkes gesellschaftskritisches Element enthielten.
Der erste weltweite Erfolg: "Mother India"
"Mother India" von 1957 war der erste indische Film, der für einen Oscar nominiert wurde. Die Schauspielerin Nargis, die auch in vielen Filmen von und mit Raj Kapoor spielte, war die Darstellerin der Hauptfigur Radha. Der Film feiert die Widerstandskraft und Würde einer indischen Mutter, die ihre Familie trotz Armut und sozialer Ungerechtigkeit großzieht.
Der erste Western: "Sholay"
"Sholay" (Flammen) von 1975 war der erste indische Western. Er machte die Schauspieler Amitabh Bachchan, Dharmendra, Hema Malini und Amjad Khan zu Superstars und gilt bis heute als der erfolgreichste Film Indiens. Jedes Kind in Indien kennt die Dialoge und Charaktere auswendig.
Bild: Mskadu
Der erste Oscar: Satyajit Ray
Satyajit Ray (1921-1992) erhielt als erster indischer Regisseur 1992 einen Oscar für sein Lebenswerk. Bereits sein Debütfilm "Pather Panchali" von 1955 erhielt einen Sonderpreis in Cannes, er gehört zu der hochgeachteten "Apu"-Trilogie. Raj ist der bedeutendste Vertreter des indischen Kinos abseits des Bollywood-Mainstreams.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Gesicht Bollywoods: Shah Rukh Khan
Als Gesicht und Botschafter Bollywoods seit mehr als einer Dekade gilt Indiens Superstar Shah Rukh Khan. Fast alle seine Filme wurden zu Megahits, weltweit liegen ihm seine Fans zu Füßen, so auch in Deutschland, wo seine Filme im Privatfernsehen laufen. 2008 bereiteten ihm Tausende Fans auf der Berlinale einen frenetischen Empfang.
Bild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images
Weltweiter Kinostart: "Es war einmal in Indien"
2001 kam "Lagaan" ("Es war einmal in Indien") heraus. Er gehört zu den ersten Filmen aus Bollywood, die nicht nur in Indien und in den Gemeinden der indischen Diaspora gezeigt wurden. Nach seiner Oscar-Nominierung wurde er in Kinos in aller Welt gezeigt. Auf einer Kritikerliste des Magazins "Time" wurde er als einer der besten Filme aller Zeiten geführt.
Bild: Getty Images/AFP
Die Schönste von 1994: Aishwarya Rai
Die Miss World von 1994, Aishwarya Rai, war 2003 als erste indische Schauspielerin Mitglied der Jury der Filmfestspiele von Cannes.
Bild: AP
Titelsong gewinnt: A.R. Rahman
Der Komponist und Sänger A. R. Rahman gewann 2009 zwei Oscars und einen Golden Globe für die Musik zum Film "Slumdog Millionaire". Der Titelsong "Jai Ho" wurde in der Version "You are my destiny" ein weltweiter Hit.
Bild: imago stock&people
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In Manish Sainis Film "Gandhi & Co" wird die kulturelle Bedeutung Mahatma Gandhis unter die Lupe genommen. Auch aus Südindien werden Filme gezeigt, zum Beispiel "Kasiminte Kadal" von Regisseur Shyamaprasad. Darin muss ein Jugendlicher mit seinem todkranken Vater in eine Kleinstadt am Meer ziehen. "Karma Café" von Vinod Bharathan handelt von einem Mann, der aus dem Ausland nach Indien zurückkehrt und in der alten Heimat wieder Fuß fassen muss.
In der Rubrik Kurzfilme wird "Bedsores" ("Wundliegen") gezeigt, eine Dokumentation über die Menschen des Banchhada-Stammes in Zentralindien, bei denen die Geburt eines Mädchens als Zeichen des Glücks gewertet wird.
"Cheepatakadumpa" von Devashish Makhija begleitet drei männliche Freunde, die offen über ihr Sexleben sprechen.
Am 24. Juli endet das Festival. An diesem Tag wird die Jury die Gewinner in drei Kategorien bekanntgeben, nämlich Bester Film, Beste Dokumentation und Bester Kurzfilm. Auf die erste Kategorie ist ein Preisgeld von 4000 Euro ausgelobt, auf die anderen beiden jeweils 1000 Euro.
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Ehrung für indische Kuratorin
Das Indische Filmfestival Stuttgart wird vom Filmbüro Baden-Württemberg organisiert und findet einmal im Jahr statt. Hauptsponsor ist Andreas Lapp, Geschäftsmann und ehrenamtlicher Honorarkonsul für die Republik Indien für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In diesem Jahr ehren die Organisatoren außerdem die Kuratorin des Festivals, Uma da Cunha, die in Mumbai lebt und schon seit beinahe zwei Jahrzehnten Filme für das Programm zusammenstellt.
Uma da Cunha wird am 20. Juli die Staufer-Medaille des Landes Baden-Württemberg erhalten, übergeben wird sie von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Seit den späten 1970er-Jahren hilft da Cunha dabei, indische Filmfestivals im Ausland zu organisieren, unter anderem in Toronto und Busan. Außerdem ist sie beratendes Gründungsmitglied der Indischen Filmfestivals in Los Angeles, London, Den Haag, Montréal und Houston.
Sie ist außerdem eine prominente Casting-Chefin und wirkte an Filmen wie Jane Champions "Holy Smoke", Deepa Mehtas "Water" und Ashutosh Gowarikars "Lagaan" mit. 2009 fungierte sie bei den Filmfestspielen in Cannes als Jurorin in der Nebenkategorie "Un Certain Regard" ("Ein bestimmter Blick").