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Politik

Über 1000 Tote: Kritik am Tsunami-Warnsystem

30. September 2018

Nach der Katastrophe in Indonesien steigt die Zahl der Opfer auf über Tausend - Retter suchen weiter nach Verschütteten. Immer lauter wird die Kritik am Tsunami-Frühwarnsystem. Deutsche Experten sehen keine Schwächen.

Indonesien nach dem Tsunami in Palu
Bild: Getty Images/AFP/B. Ismoyo

Das indonesische Online-Nachrichtenportal Kumparan meldete unter Berufung auf die nationale Polizei mindestens 1203 Tote. Offiziell gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Die nationale Katastrophenschutzbehörde sprach bislang von mindestens 832 Todesopfern auf der Insel Sulawesi. Die Regierung hat jedoch schon die Befürchtung geäußert, dass die Zahl der Todesopfer durch die Flutwelle und die zwei vorhergehenden Erdbeben am Freitag in die Tausende gehen könnte.

Nach Angaben der nationalen Katastrophenschutzbehörde vom Sonntagnachmittag starben allein in Palu, der größten Stadt an der Westküste von Indonesiens viertgrößter Insel, mindestens 821 Menschen. Mehr als 500 wurden schwer verletzt, Dutzende werden noch vermisst. Darunter sind mehrere Ausländer, auch drei Franzosen. Die Suche nach Überlebenden wird zu einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit.

Inzwischen bat Indonesien um internationale Hilfe. Präsident Joko Widodo habe der Regierung erlaubt, internationale Katastrophenhilfe anzunehmen, sagte Regierungsvertreter Tom Lembong. 

Am Sonntag zogen Helfer in Palu eine Frau aus einem eingestürzten Hotel. "Zum Glück lag sie unter einer Matratze. Deshalb hat sie überlebt", sagte ein Helfer dem Fernsehsender "Kompas TV". Befürchtet wurde, dass in den Trümmern noch Dutzende Gäste verschüttet sind.

Hinweise auf deutsche Opfer hat das Auswärtige Amt bislang nicht. Auf Sulawesi sind - im Unterschied zu Indonesiens beliebtester Insel Bali - verhältnismäßig wenig ausländische Touristen unterwegs. Ein Deutscher, der in der Gemeinde Donggala Tauchurlaub machte, ist nach Angaben der lokalen Behörden wohlauf. An der Westküste gibt es viele Orte, wo Menschen größtenteils von der Fischerei leben. Insgesamt ist ein Küstenstreifen von etwa 300 Kilometern betroffen. Möglicherweise sieht es in Gebieten weiter im Norden - näher am Zentrum des Bebens - noch schlimmer aus. Wegen zerstörter Straßen und Kommunikationsleitungen ist es schwer, dort hinzukommen.

Tsunami-Frühwarnsystem hat "einwandfrei funktioniert"

Mehr als 48 Stunden nach der Katastrophe gab es nur aus Palu - einer Stadt mit gut 350.000 Einwohnern - ein einigermaßen klares Bild. Von dort stammt auch eine Handy-Aufnahme des Tsunami, die sich übers Internet weltweit verbreitete. Sie zeigt, wie eine mächtige Welle auf die Küste zurollt und dann Menschen, Boote, Autos und ganze Häuser mit sich reißt. Auch eine 250 Meter lange Brücke steht nicht mehr. Viele Bewohner wurden am Strand überrascht. Dort sollte am Abend ein Festival stattfinden. Fraglich ist, ob das Frühwarnsystem richtig funktionierte. Der Sprecher von Indonesiens Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, sagte, es habe keine Sirene gegeben. "Viele Menschen waren sich der Gefahr nicht bewusst."

Rettungsteams suchen nach Überlebenden Bild: REUTERS

Auf Kritik an dem Tsunami-Warnsystem angesprochen erklärte das beteiligte Deutsche Geoforschungszentrums in Potsdam (GFZ), die Software habe "einwandfrei funktioniert". GFZ-Sprecher Josef Zens sagte dem "Tagesspiegel", eine Warnung für das Gebiet sei bereits fünf Minuten nach dem Erdbeben im Lagezentrum des Tsunami-Frühwarnsystems eingetroffen. Das System habe für Palu vor einem Tsunami zwischen einem halben und drei Metern Höhe gewarnt. Der Tsunami habe erst nach 25 Minuten die Küste getroffen.

Indonesisches Militär sucht nach Überlebenden: Bastian Hartig aus Makassar

03:28

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Er vermute, dass "irgendetwas bei der menschlichen Übermittlung der Warnung vor Ort in Sulawesi nicht funktioniert hat", so Zens. Das nationale Zentrum für Meteorologie und Geophysik Indonesiens hatte nach dem Beben der Stärke 7,4 am Freitag zwar eine Tsunami-Warnung ausgegeben, sie aber nach einer halben Stunde schon wieder aufgehoben. Die frühe Aufhebung der Warnung widerspricht laut Zens den Regeln. "Das System sieht vor, dass die Warnung frühestens nach zwei Stunden aufgehoben werden darf."

Erste Hilfsangebote sind eingetroffen

Aus dem Ausland trafen Hilfsangebote ein. Die EU-Kommission stellte 1,5 Millionen Euro Notfallhilfe bereit. Indonesien liegt auf dem Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für die mehr als 260 Millionen Einwohner sind Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche keine neue Erfahrung.

Beim Tsunami an Weihnachten 2004 starben dort mehr als 160.000 Menschen, so viele wie in keinem anderen Land der Region. Insgesamt kamen damals in den östlichen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans etwa 230.000 Menschen ums Leben. Nach einem heftigen Erdbeben folgte im März 2011 auch in Japan ein Tsunami. Mehr als 18.000 Menschen kamen dadurch ums Leben oder werden bis heute vermisst. In der Folge kam es auch zum Atomunfall von Fukushima.

nob/haz (dpa,rtr) 

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