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KonflikteIndonesien

Indonesiens schwieriger Balanceakt

David Hutt
10. Juli 2022

Der Ukraine-Krieg stellt Neutralität und Blockfreiheit Indonesiens auf eine harte Probe. Viele seiner Nachbarländer sind eher Russland zugeneigt. Das erschwert die Außenpolitik des Landes.

Polen | Abreise Joko “Jokowi” Widodo nach Kiew
Indonesiens Präsident Joko Widodo am 29. Juni 2022 im Sonderzug nach KiewBild: Laily Rachev/Biro Pers Sekretariat Presiden

Es mag vor allem Symbolpolitik gewesen sein, als der indonesische Präsident Joko Widodo kürzlich Kiew und Moskau besuchte - als erster asiatischer Regierungschef seit Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine. Widodo, der allgemein als Jokowi bekannt ist, nutzte seine Besuche in Kiew am 29. Juni und in Moskau am darauffolgenden Tag, um auf die globale Nahrungsmittelkrise hinzuweisen, die der Ukraine-Krieg verursacht hat.

"Indonesien hofft auf ein baldiges Ende des Krieges und damit auf eine umgehende Wiederherstellung der Versorgungsketten für Nahrungsmittel, Düngemittel und Energie, denn das Leben von Hunderten von Millionen, sogar Milliarden Menschen ist betroffen", sagte Widodo Berichten zufolge in Moskau.

Bevor er sich auf den Weg nach Europa machte, hatte er klargestellt, dass sein Besuch "nicht nur für die Indonesier wichtig ist, sondern auch für andere Entwicklungsländer, um zu verhindern, dass die Menschen in diesen Ländern und in einkommensschwachen Ländern extreme Armut und Hunger erfahren müssen."

Südostasien leidet unter steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen

Vor dem Krieg importierte nur Ägypten mehr Weizen aus der Ukraine als Indonesien. Die Abhängigkeit von Düngemitteln und anderen in Russland und der Ukraine produzierten Agrarprodukten ist ebenfalls hoch. In ganz Südostasien hat der Krieg in der Ukraine dazu geführt, dass die Ölpreise rapide stiegen und das Geld massiv an Wert verlor. Ob Widodos Reise dazu beitragen konnte, diesen rasanten Preisanstieg in den Griff zu bekommen, bleibt abzuwarten.

"Bei Reisen wie dieser geht es oft mehr um Symbolik als um wirkliche Erfolge", sagt Ben Bland, Leiter des Asien-Pazifik-Programms bei Chatham House und Autor der Widodo-Biographie Man of Contradictions: Joko Widodo and the Struggle to Remake Indonesia.

Als erster asiatischer Staatschef besuchte Joko Widodo KiewBild: Laily Rachev/Indonesian Presidential Palace/AP Photo/picture alliance

Widodos erste Station auf der Reise war Kiew; von manchen Kommentatoren wurde das als subtiler Hinweis auf eine Unterstützung der ukrainischen Unabhängigkeit interpretiert. Auch dass Widodo die mögliche Nahrungsmittelkrise während seines Aufenthalts in Russland zum Thema machte, bezeichnete Bland im Gespräch mit der DW als "implizite Zurückweisung des falschen russischen Narrativs" von einer Verantwortung des Westens für die Nahrungsmittelkrise.

Was passiert auf dem G20-Gipfel?

Widodos ungewohnter Auftritt als Friedensstifter war nach Ansicht von Beobachtern lediglich für das heimische Publikum bestimmt. "Die Indonesier sehen, dass Jokowi auf internationaler Bühne gelobt und anerkannt wird. Das weckt den nationalen Stolz, denn Jokowi wird als Verkörperung eines stärkeren Indonesiens wahrgenommen", erläutert Bridget Welsh, Analystin am Asia Research Insitute der University of Nottingham Malaysia.

Als Land mit der viertgrößten Bevölkerung weltweit spielte Indonesien in Südostasien bis in die Neunziger Jahre die Rolle des Ersten unter Gleichen. Seitdem sind seine führenden Politiker zunehmend in den Isolationismus abgedriftet.

Doch selbst wenn er es wollte, kann Widodo sich in diesem Jahr nicht zurückziehen. Indonesien führt den rotierenden Vorsitz der G20-Gruppe, und es wird erwartet, dass es sich in globale Themen einmischt. Im November soll der diesjährige G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf Bali stattfinden. Der läuft Gefahr, ein Reinfall zu werden, denn Widodo hat sich dem westlichen Druck widersetzt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin auszuschließen.

Im November sollen sich die G20-Staats- und Regierungschefs auf Bali treffenBild: Getty Images

Ebenfalls eingeladen ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Analysten gehen davon aus, dass Jakarta damit rechnet, dass sowohl Putin als auch Selenskyj virtuell an der Konferenz teilnehmen werden. Das könnte ausreichen, einen von den USA und Europa bei einer Teilnahme Putins angedrohten Boykott zu verhindern.

Ein von Peinlichkeiten geprägter G20-Gipfel würde Indonesiens Stellung in der Welt weiter gefährden, insbesondere da das Land ungefähr zu dem Zeitpunkt des Gipfeltreffens die rotierende Präsidentschaft des Verbands südostasiatischer Nationen (ASEAN) für das Jahr 2023 übernimmt.

Neutralität und Blockfreiheit

Indonesien blickt auf eine Tradition der Neutralität und Blockfreiheit zurück. In der Debatte um den Ukraine-Krieg ist da Fingerspitzengefühl gefragt. Im März stimmte Indonesien für eine Resolution der UN-Generalversammlung, in der der Einmarsch Russlands in der Ukraine verurteilt und ein Abzug der russischen Streitkräfte gefordert wurde. Bislang hat sich Indonesien jedoch geweigert, Sanktionen gegen Moskau zu verhängen oder Putins Vorgehen in der Ukraine eindeutig zu verurteilen.

Dazu meint Ben Bland: "Dies lässt sich nicht nur auf die relativ guten Beziehungen Indonesiens sowohl zur Ukraine als zu Russland vor dem Einmarsch zurückführen, sondern auch auf die langjährige Tradition der Blockfreiheit - und einen Unwillen, sich in weit entfernte Konflikte hineinziehen zu lassen, wenn zuhause so viele Herausforderungen zu bewältigen sind."

Auch wenn Widodo Indonesiens Politik der Nichteinmischung fortsetzt, muss er vorsichtig agieren, denn die öffentliche Meinung verhält sich laut neuesten Umfragen keineswegs neutral. "Für einen großen Teil der Indonesier hat der Westen den Krieg provoziert. Eine neutrale Haltung kommt dieser Sichtweise entgegen", so Welsh.

Große Unterstützung für Beziehungen zu Russland

Kürzlich veröffentlichte das Berliner Marktforschungsinstitut Latana zusammen mit der gemeinnützigen Organisation Alliance of Democracies den Democracy Perception Index 2022. Hierfür wurden Menschen aus 52 Ländern dazu befragt, ob ihre Regierungen die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland wegen des Krieges in der Ukraine abbrechen sollten. In Indonesien sprachen sich fast 50 Prozent der Befragten dafür aus, die Beziehungen aufrechtzuerhalten, das zweithöchste Ergebnis unter den 52 Ländern. Nur in China sprachen sich noch mehr Menschen für die Beibehaltung der Beziehungen aus.

"In den indonesischen Diskussionen über den russischen Krieg gegen die Ukraine steht die amerikanische und westliche Heuchelei im Vordergrund", meint der indonesische Analyst Radityo Dharmaputra. In einem im März veröffentlichten Artikel kam er zu dem Schluss, dass es sich hierbei "mehr um eine Geringschätzung des Westens handelt als um eine vorbehaltlose Unterstützung der Aktionen Russlands."

Aus dem Englischen adaptiert von Phoenix Hanzo.

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