Informatik ist wie Schneidern
1. Januar 2003Dass Computer Programmiersprache verstehen – der Verdienst von Grace Murray Hopper, Erfinderin des Compilers. Dass Rechner Fremdsprachen übersetzen – daran hat Ida Rhodes als erste gearbeitet, schon in den 50er Jahren. Nur weiß das heute kaum einer. Bekannter ist vielleicht Ada King, Herzogin von Lovelace. Sie beschrieb die Programmierung einer Rechenmaschine, als man so etwas noch gar nicht bauen konnte: im 19.Jahrhundert. All das hat Veronika Oechtering zusammengetragen, unterstützt von mehreren Mitarbeiterinnen und mit Geldern des Bundesfamilienminsteriums. Die Ergebnisse stehen nun im Internet, aber die Suche war mühsam und dauerte zwei Jahre.
"Wir haben vieles aus Fußnoten zusammengeklaubt", berichtet die Diplom-Informatikerin der DW-WORLD. Denn um die Rolle der Frauen in der Informationstechnik hat sich kaum jemand gekümmert. Und wenn, dann ohne die sozialen Zusammenhänge anzusehen.
Männer stehlen Wissen
Doch gerade die erklären eine ganze Menge, wie die Website dokumentiert. Oechtering holt nicht nur die bedeutenden Frauen aus dem Schatten, sie beleuchtet auch die Gesellschaftsgeschichte und die Entwicklung in der Informatik.Im 19. Jahrhundert waren Frauen als Wissenschaftlerinnen nicht erwünscht, ihre Erkenntnisse fielen unter den Tisch oder wurden von Männern als ihre eigenen ausgegeben. Frauen gingen notgedrungen in andere Bereiche, wie zum Beispiel die Textilbranche. Dabei hatten sie durch den Umgang mit Mustern und Nähanleitungen den Männern sogar etwas voraus: "Sie haben gelernt, strukturiert und abstrakt zu denken."
Diese Fähigkeit zahlte sich aber in den einzelnen Ländern der Welt sehr unterschiedlich aus. "Wir haben den Schwerpunkt auf US-Geschichte gelegt, weil sich da am meisten tat", erklärt Oechtering. "Im angelsächsischen Raum waren Frauen weniger prominent, aber zumindest beteiligt. Und in Deutschland kommen Frauen eigentlich gar nicht vor."
Erst angeworben, dann rausgedrängt
Das gilt nicht für die ganze Informatik-Geschichte. In den 20er und 30er Jahren waren auch in Deutschland Frauen mit Computerkenntnissen gefragt, auch allgemein als Wissenschaftlerinnen. "Aber nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich wieder die patriarchalischen Strukturen durchgesetzt." Mit Auswirkungen bis heute, sagt Oechtering. Nicht nur, dass überwiegend Männer Technik schaffen – "andersherum produziert Technik auch Männlichkeit, wenn man sich immer mit dem neuesten Computer umgeben kann."
Veronika Oechtering wünscht sich mehr Professorinnen. "Die Naturwissenschaft ist sehr, sehr männlich dominiert, da steht Deutschland ganz hinten." Auch deshalb habe sie das Projekt gestartet. "Es soll zeigen: So geht’s nicht. In Schweden muss der Anteil weiblicher Führungskräfte bis Ende 2004 bei 40 Prozent sein, sonst werden Zwangsquoten eingeführt", berichtet die Informatikerin. Etwas Ähnliches sähe sie auch an deutschen Unis gerne, besonders bei technischen Studiengängen. "Wenn sich nichts ändert, muss man eben Quoten setzen."