Vor 100 Jahren geboren, ist Ingmar Bergman aus der Geschichte des Kinos nicht mehr wegzudenken. Wir stellen die wichtigsten Werke des Meisterregisseurs vor - und blicken auf eine neue, überraschende Dokumentation.
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Vor 100 Jahren geboren: Ingmar Bergman
In Cannes wurde der Schwede 1997 mit der "Palme der Palmen" ausgezeichnet: Bester Regisseur aller Zeiten. Über solche Superlative kann man streiten. Bergman gehört aber zweifellos zu den ganz Großen der Kinogeschichte.
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Sehnsucht der Frauen (1952)
Bergman hatte bereits zehn Filme inszeniert, als "Sehnsucht der Frauen" in die Kinos kam: Vier Frauen erzählen, während sie auf ihre Männer warten, von ihren Beziehungen. In Rückblenden und mit verschiedenen ästhetischen Konzepten erlaubte der Schwede Einblicke in sein Weltbild. Moral und Treue, Trauer und Lebenslust - diese Themen griff der Regisseur auch später immer wieder auf.
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Abend der Gaukler (1953)
Auch in "Abend der Gaukler" erzählte Bergman von Seelenqualen, Liebeswirren und erotischen Eskapaden - hier allerdings im eher düsteren Ton und im Zirkusmilieu. Die Emotionen der Menschen - gespiegelt in der Manege des Lebens: "Abend der Gaukler" war einmal mehr auch ein Spiegel der Bergmanschen Seele. An den Kinokassen kam der eher pessimistische Film nicht an und wurde ein finanzieller Flop.
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Das Lächeln einer Sommernacht (1955)
Nach dem Misserfolg von "Abend der Gaukler" drehte Bergman einige leichtere Filme, die die klassischen Themen des Regisseurs auch komödiantisch angingen. Vor allem "Das Lächeln einer Sommernacht", eine Gesellschaftskomödie, die um die vorletzte Jahrhundertwende spielt, war ein großer Erfolg - an den Kinokassen, aber auch in Cannes. Dort erhielt der Film einen Sonderpreis für "poetischen Humor".
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Das siebente Siegel (1957)
Der Film brachte den endgültigen Durchbruch: Mit "Das siebente Siegel" stieg Bergman zu einem in aller Welt geachteten Regisseur auf. "'Das siebente Siegel' ist eine Allegorie mit einem einprägsamen Thema: Der einzelne Mensch, seine ewige Suche nach Gott und dem Tod als einziger Sicherheit", so Bergman über seinen im späten Mittelalter angesiedelten Film, in dem der "Tod" leibhaftig auftrat.
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Wilde Erbeeren (1957)
Das Jahr 1957 wurde für den unermüdlichen auch am Theater beschäftigten Regisseur zu einem Triumph. Nach "Das siebente Siegel" lieferte Bergman ein zweites Meisterwerk ab. In "Wilde Erdbeeren" spiegelte der Schwede wiederum sein Leben auf der Leinwand, blickte zudem in die Zukunft: Victor Sjöström als Professor Isak Borg (hier mit Ingrid Thulin) war eine Vision des eigenen Ichs als alter Mann.
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Die Jungfrauenquelle (1960)
Wieder ein Mittelalterdrama, wieder ein Film über Schuld, Religion, Rache und Sühne. Für "Die Jungfrauenquelle" bekam Bergman einen Oscar in der Kategorie "Bester nichtenglischsprachiger Film" - zwei weitere Oscars sollten für den Regisseur in späteren Jahren folgen. Wegen einer relativ drastisch inszenierten Vergewaltigungsszene wurde der Film in Bayern zwischenzeitlich beschlagnahmt.
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Das Schweigen (1963)
Endgültig zum "Skandalregisseur" wurde Ingmar Bergman mit dem Film "Das Schweigen". Zwei Schwestern sowie der zehnjähriger Sohn der einen Frau stranden in einem Hotel in einer Stadt, deren Sprache sie nicht verstehen. Explizite Sexszenen sowie die Verknüpfung von Sexualität und Religion erschütterten Anfang der 1960er Jahre viele Kinozuschauer. "Das Schweigen" wurde vielfach zensiert und verboten.
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Persona (1966)
Über das Medium Kino machte sich Bergman in seinem Film "Persona" Gedanken. Wieder dreht sich alles um zwei Frauen, deren Verhältnis zueinander, um ihre Beziehungen zur Außenwelt. Sexualität und Glaube sind wiederum Fixpunkte der Geschichte - diesmal allerdings in einem Film, der formal experimentelle Wege beschritt und über Kunst und Kino grundlegend nachdachte.
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Schreie und Flüstern (1972)
Auch mit diesem Film blieb sich Bergman treu: ein tiefer Blick in die weibliche Psyche, große Emotionen, glänzende Darsteller - hier in Form eines Kammerspiels. Der Regiekollege François Truffaut urteilte damals: Der Film beginne wie "Drei Schwestern" von Tschechow, ende wie "Der Kirschgarten", dazwischen sei sehr viel Strindberg. "Schreie und Flüstern" wurde auch an den Kinokassen ein Erfolg.
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Szenen einer Ehe (1973)
Für Bergman-Kenner so etwas wie das Fazit seiner Karriere: der Blick hinter die Fassade einer Ehe, die Wirklichkeit hinter dem Schein. Ein Ehepaar mit zwei Kindern, das gerade in einer Zeitschriften-Homestory als vermeintlich glückliches Paar vorgestellt wurde, entfremdet sich. Der mit wenig Aufwand gedrehte Film erschien zunächst als sechsteilige Fernsehserie, wurde dann fürs Kino gekürzt.
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Fanny und Alexander (1982)
Auch "Fanny und Alexander" entstand in einer Kino- und einer längeren TV-Fassung. Bergman blickte hier noch einmal zurück auf Kindheit und Elternhaus. Ein Familienfilm, poetisch und unterhaltsam, auch humoristisch, aber in einzelnen Szenen auch ernst und voller Bitterkeit. Noch einmal ein großes filmisches Meisterwerk des damals Mitte sechzigjährigen schwedischen Regisseurs.
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Viele halten ihn für den größten Filmregisseur des 20. Jahrhunderts. Das Filmfestival in Cannes wollte das 1997 ganz offiziell festhalten und verlieh dem Schweden einen Sonderpreis: Die "Palme aller Palmen", was nichts anderes als "Bester Regisseur aller Zeiten" ausdrücken sollte. Solche Superlative sind natürlich fragwürdig, sie zeigen allerdings, dass dieser Filmemacher ohne Zweifel zu den ganz entscheidenden Wegbereitern in der Geschichte der siebenten Kunst gehört.
Bergman war ein Workaholic hinter der Kamera und auf der Bühne
Geboren am 14. Juli 1918 in Uppsala und 2007 auf der schwedischen Insel Fårö gestorben, hinterließ Bergman ein gewaltiges Oeuvre. Zwischen 1946 und 2003 inszenierte der Regisseur zahlreiche Filme, vor allem für die große Leinwand. Bergman experimentierte aber auch schon früh mit dem kleineren Fernsehformat. Darüberhinaus zählt er zu den bedeutendsten Theaterregisseuren Europas. Und Bergman schrieb: Erinnerungen und Tagebücher, Drehbücher natürlich, ein riesiges Textkonvolut, das bis heute noch nicht vollständig erschlossen ist.
Seine Filme wurden mit zahlreichen Preisen bedacht, bei Festivals und auch in den USA, wo Bergman drei Oscars erhielt. Es ist kein Geheimnis, dass viele Regisseure nachkommender Generationen den Schweden verehrten, immer wieder versuchten, ihn nachzuahmen. Der wohl bekannteste Bergman-Fan unter den Regisseuren ist Woody Allen. Der Amerikaner, sonst eher als melancholischer Komödien-Regisseur bekannt, drehte mit "September" und "Eine andere Frau" zwei ernste Filme à la Bergman.
Die Kulturwelt liegt dem schwedischen Regisseur zu Füßen
Fans hatte der Schwede nicht nur in der Kinoszene. Auch Vertreter anderer Kultursparten huldigten Ingmar Bergman. Die soeben erschienene Neuauflage seiner Erinnerungen, "Laterna Magica", wird von einem Vorwort des französischen Literaturnobelpreisträgers Jean-Marie Gustave Le Clézio eingeleitet. Der Romancier fasst dort den Kern der Bergmanschen Kunst so zusammen: "Bergman ist ein moralfreier, oder, besser, nicht soziabler Mensch, und nur der Umgang mit den Frauen, die er sich aussucht, verhilft ihm zu einem Metier, einem Halt - einem Lebensinhalt."
Bergman und die Frauen, auch das ist ein Kapitel für sich, über das viel geschrieben wurde. Der Schwede hatte zahlreiche Ehefrauen, Liebschaften, Lebenspartnerinnen, oft gleichzeitig. Bergman machte diese Beziehungen auch zu seinem Lebensfilmthema. Le Clézio: "Wohl weil die Kunst für ihn dieses Gewebe aus Lügen, Eifersüchteleien, erotischen Spielen und halb komischen, halb tragischen Dramen ist, das die klarsichtige Intelligenz hervorbringt, das wie ein Schlachtfeld ist, auf dem es nichts zu erobern, aber alles festzuhalten gilt."
Ingmar Bergman: Meister der psychologischen Tiefenbohrungen
Bergman inszenierte in seinen Filmen dieses Schlachtfeld der Gefühle mit manchmal unerträglicher Intensität, schonte die Zuschauer nicht. Er war einer der ersten, der Erotik und Sexualität in nie zuvor gesehener Offenheit zeigte und ansprach. Und er verband diese menschlichen Gefühlswelten mit den Fragen nach dem Sinn des Lebens. Krankheit und Tod, die Suche nach Gott und die Frage, ob die Religion dem Menschen überhaupt eine ehrliche Hilfe sein kann, all das beschäftigte den Regisseur immer wieder.
Dass Ingmar Bergman auch sein Leben in ein Kunstwerk verwandelte, ist erst spät offenbar geworden. Der Regisseur so vieler unvergessener Meisterwerke verstand es gut, sich zu inszenieren. Das, was er niederschrieb, war seine Sicht der Dinge. Dass Andere, seine Darsteller und viele Teammitglieder, zu anderen Erkenntnissen kamen, unterschiedliche Perspektiven hatten, ist weniger bekannt.
Eine neue Dokumentation blickt hinter die Fassade
"Bergman - A Year in a Life" der schwedischen Filmemacherin Jane Magnusson präsentierte im Mai in Cannes einige überraschende Ergebnisse. Etwa das Verhältnis Bergmans zum Nationalsozialismus, dem der Schwede lange huldigte. Oder auch der Blick zurück auf Kindheit und Jugend, die er in so vielen Filmen verarbeitete und so oft thematisierte. Dieser Blick, so Magnussons Erkenntnis, war ein ganz subjektiver und - aus der Sicht von Familienmitgliedern Bergmans - wohl auch ein grob verzerrender.
Das, was der Regisseur über sein Leben und sein Werk selbst sagte, sollte man deshalb auch mit Vorsicht genießen. Der künstlerischen Kraft seiner Filme tut das keinen Abbruch.
"Laterna Magica - Ingmar Bergman: Mein Leben" ist im Alexander Verlag Berlin soeben neu und erweitert erschienen, ISBN 978-3-89581-471-6. Jane Magnussons Film "Bergman - A Year in a Life" feierte gerade beim Filmfest München Deutschland-Premiere.