Initiative fordert 35 Maßnahmen für umfassende Staatsreform
14. Juli 2025
Die Initiatoren der Initiative "Handlungsfähiger Staat" sind namhaft: Zu ihnen zählen Deutschlands ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) sowie die Verlegerin Julia Jäkel. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft.
Gegründet wurde das Projekt im November, im März folgte ein Zwischenbericht, nun bekam der Bundespräsident den Abschlussbericht. Darin fordert die Initiative Reformen in zentralen Politikfeldern: Verwaltung, Sozialstaat, Migration, Wirtschaft und Sicherheit.
Im Fokus der Empfehlungen steht eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Bund und Bundesländern. So soll etwa die Zuständigkeit für Abschiebungen künftig beim Bund liegen. Insgesamt brauche es eine Entbürokratisierung und mehr Effizienz im staatlichen Handeln. Der Staat müsse "die alltäglichen Bedürfnisse zeitnah und effizient erfüllen und nicht in einem Wust von Vorschriften ersticken", heißt es im Bericht.
Sozialpolitik bündeln, Migration modernisieren
Auch Sozial- und Migrationspolitik sehen die Autoren als Hebel für mehr Effektivität. Aufnahmeverfahren für Einwanderer sollen vereinfacht, Integration erleichtert werden. In der Sozialpolitik plädiert die Initiative für eine zentrale Plattform, auf der sämtliche Regelleistungen des Staates gebündelt bereitgestellt werden. Darüber hinaus wird die Einführung einer "Dienstpflicht" in Form eines "Pflichtjahres" angeregt.
Gesetzgebung müsse flexibler und praxisnäher gestaltet werden. Die Initiative schlägt eine sogenannte "Experimentierklausel" vor, mit der Verwaltungen Regelungen testweise umsetzen und daraus lernen könnten. Denn: "Nicht selten zeigt sich erst in der Praxis, dass ein Gesetz dysfunktional ist", so der Bericht. Auch beim Datenschutz sehen die Autoren Reformbedarf - Regeln sollten gelockert werden, um effizientes Regierungshandeln zu ermöglichen.
Schirmherr Steinmeier betonte bei der Entgegennahme des Abschlussberichts die Bedeutung eines funktionierenden Staatswesens für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: "Je handlungsfähiger unser Staat ist, desto größer das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unser Gemeinwesen - und damit auch in unsere Demokratie." Er warnte vor einem schleichenden Vertrauensverlust, wenn staatliche Leistungen hinter den Erwartungen der Menschen zurückblieben.
Initiatoren loben Koalitionsvertrag
Auch Steinmeier sprach sich für eine Vereinfachung staatlicher Strukturen aus: "Manchmal wäre weniger eben mehr - weniger Regeln, die einfacher und dafür klarer sind." Zugleich lobte er das Vorhaben von Bund und Ländern, bis Dezember eine "Modernisierungsagenda" vorzulegen. Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) hatte dies zuletzt bekräftigt.
Die Vorschläge der Kommission sollen in ausgewählten Modellregionen praktisch getestet werden. Kommunen sollen hierfür weitgehende Zuständigkeiten und Personalhoheit erhalten, um Verwaltungsprozesse eigenständig zu modernisieren. Bewerbungen liegen unter anderem aus Köln und Stralsund vor, weitere Standorte in Sachsen und Westdeutschland sind im Gespräch.
Lobend äußerten sich die Initiatoren über den Koalitionsvertrag von CDU und SPD. "Würde nur die Hälfte dieser Vorhaben umgesetzt, wäre dieses Land ein anderes Land", sagte Julia Jäkel bei der Präsentation des Berichts in Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin.
Viele Empfehlungen - etwa ein eigenes Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung - fänden sich bereits im Koalitionsvertrag wieder. "Der Wille, dieses Land zu verändern und eine Staatsreform anzugehen, durchzieht den gesamten Vertrag", so Jäkel. Nun gehe es vor allem darum, die Umsetzung entschlossen anzugehen.
pgr/AR (afp, epd, rtr)