Innenminister: Rechtsextreme in Deutschland immer jünger
10. Juni 2025
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist an diesem Dienstag (10.6.2025) genau fünf Wochen im Amt, aber er weiß, dass er in einem Land mitregiert, dessen Gesellschaft immer mehr polarisiert. Und dessen Extreme immer stärker werden. Gleich zu Beginn seiner Pressekonferenz über den Bericht des Bundesverfassungsschutzes für das Jahr 2024 hält er deshalb eine Grafik in die Kameras. Sie zeigt, wie stark das Potenzial der Menschen angestiegen ist, die offen rechtsextrem denken in Deutschland. Vor zehn Jahren waren es rund 20.000 Menschen, wie der CSU-Politiker erklärt, seitdem hat sich die Zahl mehr als verdoppelt.
Dobrindt: "Das rechtsextremistische Personen-Potenzial ist im Jahr 2024 deutlich angestiegen, und zwar um rund ein Fünftel, von über 40.000 Personen auf nun mehr als 50.000. Das ist eine erschreckende Zahl. Erstmals liegt die Zahl der Rechtsextremisten über der Marke von 50.000." Eine erwartbare Zahl, fügt Dobrindt hinzu, dennoch eine Zäsur. Vor allem, weil der Inlandsnachrichtendienst schätzt, dass rund 14.500 von ihnen gewaltbereit sind.
Bei den jüngsten Festnahmen war ein 14-jähriger dabei
Zuletzt hatte etwa diese Meldung für Schlagzeilen gesorgt: Mitte Mai ließ die Generalbundesanwaltschaft fünf Mitglieder der mutmaßlichen rechtsextremistischen Terrorgruppe "Letzte Verteidigungswelle" festnehmen. In gleich fünf Bundesländern wurden die Beamten aktiv gegen eine Gruppe, von der Experten glauben, dass sie zumindest im Moment die wohl radikalste der rechtsextremistischen Gruppen ist. Das jüngste festgenommene Mitglied ist 14 Jahre alt. Unter anderem soll die Gruppe Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete geplant haben.
Junge Extremisten von ausländischen Mächten instrumentalisiert
Jung, schnell radikalisiert, zum Handeln entschlossen: Diese Muster beschränkt sich nach Angaben von Alexander Dobrindt aber nicht auf die rechtsextreme Szene. Fast täglich, so der Minister, seien Angriffe auf den Staat zu verzeichnen. Russische Akteure etwa betrieben Desinformationen und starteten Cyber-Angriffe in immer höherer Zahl.
Konkret messbar seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Frühjahr 2022. Dabei bedienten sich auch diese Akteure von außen oft junger Deutscher. Wie Sinan Selen, Vize-Präsident der obersten deutschen Verfassungsschutzbehörde erklärte, würden die jungen Menschen unter Experten als "Low level Agents" bezeichnet, ihre Zahl steige rasant: "Das sind sehr junge Menschen, und das bereitet uns besondere Sorgen, weil sie auch nicht ideologisch geprägt werden über einen langen Zeitraum, sondern sich sehr schnell radikalisieren und die Bereitschaft haben, sehr schnell zur Tat überzugehen." Auch China steigere seine vor allem auf die Wirtschaft zielende Spionage immer weiter. Und auch die Zahl der Linksextremisten ist gestiegen, wenn auch nur leicht 37.000 auf 38.000 Personen.
Der "Islamische Staat" spricht wieder mehr junge Muslime an
Nach einer längeren Zeit eher stagnierender Aktivitäten hat auch der gewaltbereite Islamismus in Deutschland wieder zugenommen. Das Potenzial schätzt der Inlandsgeheimdienst jetzt auf rund 28.000 Menschen, fast 10.000 von ihnen sind zur Gewalt bereit. Aus dem Ausland würden islamistische Terror-Milizen wie die Hamas und die Hisbollah um die auch zumeist jungen Menschen werben. Und vor allem seit dem Beginn des Gaza-Krieges nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 sei die Gruppe des "Islamischen Staates" (IS) auch in Deutschland besonders aktiv. Selen sagte dazu: "Dem IS ist es gut gelungen, das Thema Naher Osten und Palästina für sich zu gewinnen und in der Radikalisierung und in ihren Erzählungen mit einzubauen und so auf junge Menschen einwirken zu können."
Aber unter dem Strich bleibt der Rechtsextremismus nach Ansicht von Minister Dobrindt das gravierendste Problem zur Zeit in Deutschland. Er fügte hinzu, rund 20.000 Menschen, die als offen rechtsextrem gelten würden, seien Mitglieder der im Bundestag vertretenen "Alternative für Deutschland" (AfD), der stärksten Oppositionspartei. Auch der Verfassungsschutz selbst hatte die Partei zuletzt in einem Gutachten als gesichert rechtsextrem eingeschätzt, verwendet die Titulierung aber nicht mehr, weil die AfD dagegen vor Gericht gezogen ist. Trotzdem bleibt Dobrindt auch an diesem Tag in Berlin die Frage nicht erspart, ob die AfD nicht verboten werden sollte.
Dobrindt weiter gegen AfD-Verbot
Zeitraubend wäre das, meinen Kritiker, unendlich kompliziert und ohne eine sichere Erfolgsaussicht vor dem obersten Gericht Deutschlands, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Einen solchen Antrag könnte unter anderen die Bundesregierung selbst stellen, aber Dobrindt hält nichts davon: "Dass die AfD aus meiner Sicht gesichert rechtsextrem ist, daran habe ich nie einen Zweifel gelassen. Ich glaube, dass es richtig ist, die Auseinandersetzung mit der AfD politisch zu führen. Und dafür zu sorgen, dass man sie aus der politischen Mitte heraus wegregiert. Und das heißt, die Probleme im Land zu lösen."
Die AfD wegregieren: Das ist den etablierten Parteien seit der Gründung der AfD im Jahre 2013 nicht gelungen. Statt dessen hat sich die Partei immer weiter radikalisiert und in der Gunst der Wähler zugelegt.