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Politik

Verdächtiger sollte abgeschoben werden

10. September 2018

Einer der nach dem Todesfall in Köthen verdächtigen Afghanen stand kurz vor der Rückführung in sein Heimatland. Aufgrund laufender Ermittlungen, unter anderem wegen Körperverletzung, blieb der Mann in Deutschland.

Tödlicher Streit in Köthen
Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Einen entsprechenden Antrag auf Zustimmung habe der Landkreis Anhalt-Bitterfeld bereits Mitte April an die Staatsanwaltschaft gestellt, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht in Magdeburg. Wegen damals laufender Ermittlungen gegen den 20 Jahre alten Afghanen habe die Staatsanwaltschaft dem Gesuch aber zunächst nicht zugestimmt.

Nach Justizangaben ging es bei den Ermittlungen um eine Körperverletzung sowie zwei kleinere Delikte. Ende August habe der Kreis den Antrag auf Abschiebung erneut gestellt, am vergangenen Donnerstag habe die Staatsanwaltschaft dann zugestimmt. Derart kurzfristig sei eine Abschiebung aber nicht möglich gewesen. „Wir hätten ihn am Freitag nicht abschieben können. Das kriegen sie bei aller Liebe auch nicht hin“, sagte Stahlknecht.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (links), Landesjustizministerin Anne-Marie Keding und der Leitende Staatsanwalt Horst NopensBild: picture-alliance/dpa/P. Gercke

Der Leitende Oberstaatsanwalt aus Dessau-Roßlau, Horst Nopens, sagte, bei Abschiebeersuchen müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob das Stafverfolgungsinteresse oder das Interesse an einer Rückführung überwiege. Gegen abwesende Verdächtige könne nach deutschem Recht nicht ermittelt werden. Für diese Entscheidung müssten den Ermittlern genügend Erkenntnisse über die Vorwürfe vorliegen. Das sei bei dem 20-Jährigen anfangs nicht der Fall gewesen, so Nopens.

Tod durch Herzversagen

In Köthen kam es nach jetzigen Erkenntnissen in der Nacht zum Sonntag an einem Spielplatz zu der tödlichen Auseinandersetzung zwischen zwei afghanischen und zwei deutschen Staatsbürgern. Die Obduktion des Opfers habe ergeben, dass der 22-Jährige mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Herzinfarkt erlegen sei, teilte Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) mit. Dem Obduktionsergebnis zufolge seien seine Verletzungen nicht die Todesursache gewesen, so Keding weiter. Auch Verletzungen, die von Tritten oder Schlägen gegen den Kopf herrührten, hätten nicht festgestellt werden können. Der Mann habe an einer schweren Herzerkrankung gelitten. Die 18 und 20 Jahre alten Verdächtigen sitzen wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft. Beide waren laut Justizministerium als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge eingereist, inzwischen seien sie aber volljährig.

Rechte nutzen Vorkommnisse zu Protest

In Folge des Ereignisses kam es zu einer Kundgebung in Köthen. Laut dem Landesinnenministerium beteiligten sich rund 2.500 Menschen. Davon waren rund 500 Mitglieder der rechten Szene, wie Innenminister Stahlknecht mitteilte. Zuvor hatten rund 200 Menschen gegen fremdenfeindliche und rassistische Hetze demonstriert. An einer Trauerandacht der Evangelischen Landeskirche Anhalts für das Opfer nahmen den Angaben zufolge 300 Menschen teil.

Aufmarsch rechter Gruppen in KöthenBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Die Bundesregierung reagierte bestürzt auf rechtsradikale Vorkommnisse bei der Kundegbung. "Dass es am Ende des Tages in Köthen zu offenen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, auch das muss uns betroffen machen und empören", sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, in Berlin. Er bezog sich auf ein Video, das ein französischer Journalist in Köthen gemacht hatte und das eine Gruppe Männer zeigt, die Parolen wie "Nationalsozialismus jetzt!" rufen.

Bernd Hauschild (SPD), Oberbürgermeister von KöthenBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Der Köthener Oberbürgermeister Bernd Hauschild zeigte sich erleichtert, dass es am Sonntagabend nicht zu Ausschreitungen wie in Chemnitz gekommen ist. Es habe bei einer Kundgebung rechter Gruppen keine Krawalle gegeben. "Das war gut", sagte der SPD-Politiker im Zweiten Deutschen Fernsehen. Aber "leider" seien viele Rechte in der Stadt in Sachsen-Anhalt gewesen, "die versucht haben, sich Gehör zu verschaffen". Er selbst habe zwar keine Aktionen gegen rechts geplant, wenn aber etwas passiere, seien die Köthener vorbereitet.

Es habe bei der Demonstration zwar keine Gewalt gegeben, "aber es wurde gehetzt", sagte der Oberbürgermeister. Die Reden seien "erschreckend" gewesen. Warum die Polizei dagegen nicht eingeschritten sei, könne er nicht sagen. Nach stillem Beginn war die Stimmung bei der Kundgebung aggressiver geworden: "Dies ist ein Tag der Trauer. Aber wir werden die Trauer in Wut verwandeln", sagte ein Redner am Sonntagabend.  Dafür erntet er "Wir sind das Volk"-Rufe. Dann geht es weiter mit Parolen wie "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und "Lügenpresse".

Weil ein Redner auch von "Rassenkrieg" gesprochen haben soll, prüft der Staatsschutz die Redebeiträge auf strafbare Inhalte. Es gehe unter anderem um den Vorwurf der Volksverhetzung, heißt es bei der zuständigen Polizei in Dessau-Roßlau.

cgn/uh (afp, dpa, kna)

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