Entwicklungsländer fordern 1,3 Billionen auf COP29 in Baku
15. November 2024Auf der Weltklimakonferenz COP29 in Aserbaidschan beharren zahlreiche Entwicklungsländer auf milliardenschweren Forderungen an die Industrieländer. Allein die Allianz kleiner Inselstaaten, die vom Anstieg des Meeresspiegels teils existenziell gefährdet sind, pocht auf eine jährliche Klimahilfe von mindestens 39 Milliarden US-Dollar (37 Milliarden Euro), wie ihr Vorsitzender, der samoanische Umweltminister Cedric Schuster, sagte. In Baku appellierte er an die Vertreter aus aller Welt, weiter für ehrgeizigen Klimaschutz zu kämpfen: "Schützt Leben, nicht die Profite aus fossilen Energien!"
Die Gruppe der 45 am wenigsten entwickelten Länder, vor allem aus Afrika und Lateinamerika, erwartet ebenfalls zusätzliche Klimahilfen, wie ihr Sprecher, der malawische Umweltminister Evans Njewa, betonte. Dabei gehe es um Zuschüsse aus staatlichen Gewinnen, nicht um Darlehen, die die hohe Schuldenlast vieler Entwicklungsstaaten nur erhöhten. Seine Staatengruppe verlangt bis 2030 mindestens eine Billion US-Dollar.
1300 Milliarden Dollar pro Jahr gefordert
Alle Entwicklungsländer zusammen forderten auf der Konferenz, die planmäßig in einer Woche enden soll, dass die Industriestaaten künftig mindestens 1,3 Billionen - also 1300 Milliarden - US-Dollar pro Jahr an Klimafinanzierung mobilisieren. Das wäre 13 Mal mehr als derzeit zugesagt. Die deutsche Klimastaatssekretärin und einstige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan erklärte dazu: "Es ist absolut nicht realistisch, dass wir jetzt Gelder in Billionenhöhe aus öffentlichen Haushalten der Industrieländer bereitstellen."
Die EU-Staaten erkennen zwar grundsätzlich an, dass mehr Geld fließen müsse. Sie wollen allerdings, dass auch Länder wie China oder die Golfstaaten einen angemessenen Beitrag leisten. Diese gelten nach einer 30 Jahre alten UN-Einstufung ungeachtet ihres gewaltigen Wirtschaftswachstums als Entwicklungsländer - und somit als Empfängerstaaten.
Stelldichein der Öl-Lobbyisten
An diesem Freitag nahmen auf der COP29 Hunderte Vertreter der Ölindustrie an einem sogenannten Energietag teil. Während die Delegationen hinter verschlossenen Türen weiter über eine Aufstockung der Klimahilfen verhandelten, hielten Führungskräfte großer Ölfirmen eigene Veranstaltungen ab. Kritik an der Anwesenheit von Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie kam von Umweltgruppen.
Nach einer Zählung der NGO-Allianz Kick Big Polluters Out ("Werft große Umweltverschmutzer raus") waren mehr als 1700 Menschen anwesend, die mit den Interessen fossiler Energieunternehmen verwoben sind. Zu dem Bündnis der Nichtregierungsorganisationen gehören unter anderem Transparency International, Greenpeace, Global Witness und das Climate Action Network. Ausgewertet wurden öffentlich zugängliche Daten des UN-Klimasekretariats UNFCCC. Der Analyse zufolge haben die Lobbyisten mehr Zugangspässe zur COP29 erhalten als die Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten zusammen.
"Das ist so, als wären Tabaklobbyisten auf einer Konferenz über Lungenkrebs", sagte David Tong von der Kampagne Oil Change International ("Ölwechsel"; das Wortspiel steht für die Forderung, von fossilen auf erneuerbare Energien umzusteigen). Auch der Klimaaktivist und frühere US-Vizepräsident Al Gore kritisierte: "Es ist bedauerlich, dass die fossile Brennstoffindustrie und die Petrostaaten die Kontrolle über den COP-Prozess in einem ungesunden Ausmaß übernommen haben." Die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle setzt das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid frei, das den Planeten aufheizt. Auf der letztjährigen UN-Klimakonferenz in Dubai hatten sich die rund 200 Teilnehmerstaaten auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen geeinigt.
Die COP29, deren autoritär regiertes Gastgeberland Aserbaidschan reich an Öl- und Gasvorkommen ist, hat zum Ziel, einen neuen finanziellen Rahmen für die Unterstützung der Entwicklungsländer nach 2025 festzulegen. Nach Expertenschätzungen sind künftig mindestens eine Billion US-Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens bei der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu helfen.
Umweltschützer: Keine Öl-Lobby-Länder als Gastgeber
Umweltschützer riefen die Vereinten Nationen unterdessen dazu auf, strengere Zulassungskriterien zu erlassen, um Länder als Gastgeber auszuschließen, die die einmütig beschlossene Abkehr von Kohle, Öl und Gas nicht unterstützen. Zu den Unterzeichnern gehören die globale Botschafterin des Club of Rome, Sandrine Dixson-Declève, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, und der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Sie warnen, dass die Erderwärmung auch nach inzwischen 28 Klimakonferenzen im Jahresrhythmus nicht gestoppt sei, vielmehr könne der Anstieg bis zum Jahr 2100 sogar 2,9 Grad betragen. Daher müssten Länder zur Rechenschaft gezogen werden, die Klimaziele und -verpflichtungen missachteten.
Die Klimakonferenz wird im Wechsel in verschiedenen Weltregionen abgehalten. Die UN machen jedoch kaum Vorgaben für Gastgeberländer, die das Treffen ausrichten wollen. In den beiden Vorjahren fand der Gipfel ebenfalls in zwei Staaten statt, die wirtschaftlich stark von Öl und Gas abhängen: den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten.
jj/wa (dpa, afp, rtr)