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Insolvenz: Kein automatisches Aus

9. Juni 2009

Das Essener Handels- und Touristikunternehmen Arcandor hat beim Amtsgericht Essen einen Insolvenzantrag gestellt. Was aber nicht heißen muss, dass dies das Ende von Arcandor wäre.

Mit Schirmen gehen Mitarbeiter vor dem Arcandor-Logo zur Karstadt-Hauptverwaltung in Essen. (Quelle: dpa)
Arcandor kann trotz Insolvenz weiter existierenBild: picture-alliance/dpa

Die 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung hat eindeutig das Ziel, die zahlungsunfähige Firma zu sanieren. Dazu setzt das Amtsgericht einen Insolvenzverwalter ein, der sehr viel mehr Möglichkeiten hat, ein Unternehmen zu sanieren, als das frühere Management der Eigentümer. So kann der Insolvenzverwalter deutlich leichter Verträge kündigen: Das gilt für Abmachungen mit Lieferanten ebenso wie für Miet- und Arbeitsverträge. Der Insolvenzverwalter könnte überteuerte Mietverträge nachverhandeln, um die Kosten zu senken. Er könnte Druck auf die Lieferanten ausüben, um günstigere Konditionen zu erreichen und auch leichter verlustträchtige Filialen schließen. Am Ende könnte eine kleinere, aber schlagkräftigere Karstadt-Kette stehen.

Wohltaten der Insolvenzordnung

Insolvenzverwalter haben mehr Sonderrechte, die Arcandor retten könntenBild: AP

Laut Statistischem Bundesamt gab es 2007 knapp 30.000 Unternehmens-Insolvenzen. Entgegen dem sonst gültigen Recht gewährt die Insolvenzordnung dabei "eine Reihe von Rechtswohltaten, die es sonst nicht gibt", erklärt Hans Haarmeyer Leitender Direktor des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht und Professor an der Fachhochschule Koblenz. Diese Wohltaten verschaffen den Unternehmen Luft und Aussicht auf einen Neuanfang. Erste Wohltat ist das Insolvenzgeld: Für bis zu drei Monate übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Löhne der Mitarbeiter.

Zweitens schützt das Insolvenzrecht die Substanz und den weiteren Betrieb des Unternehmens. Denn zieht beispielsweise der Leasinggeber den Fuhrpark ab oder lassen Banken die Maschinen abtransportieren, dann ist jedes Unternehmen am Ende. In der Insolvenz ist ein solcher Zugriff der alten Gläubiger ausgeschlossen. Neue Lieferanten können dagegen sicher sein, dass sie in der Insolvenz gelieferte Ware auch bezahlt bekommen.

Sonderrechte

Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Experte in Sachen Insolvenzrecht, Professor an der FH KoblenzBild: Prof. Dr. Hans Haarmeyer

Drittens, erklärt Haarmeyer, "haben wir ein Sonder-Arbeitsrecht". Der Kündigungsschutz ist auf maximal drei Monate begrenzt. "Eine Reduzierung der Belegschaft ist sehr leicht möglich." Was für Arbeitsverträge Insolvenzrecht ist, ist viertens auch für andere Verträge billig. Mit einer einseitigen Erklärung des Insolvenzverwalters kann sich das Unternehmen beispielsweise aus Leasing- oder Lieferverträgen lösen, die dauerhafte Verluste einbringen.

Fünftens schließlich kann der Insolvenzverwalter sogar Gelder zurückholen, die vor dem Insolvenzantrag gezahlt wurden. Das gilt dann, wenn der Empfänger wissen musste, dass sich das Unternehmen bereits in Schwierigkeiten befand. Dies, so erklärt Haarmeyer, soll verhindern, dass besonders harte und unerbittliche Gläubiger einen Vorteil gegenüber kooperativen Gläubigern haben.

Autor: Rolf Wenkel

Redaktion: Insa Wrede