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Insolvenzrecht

Das Gespräch führte Nina Haase25. März 2009

Rund 30 000 Insolvenzen gab es 2008 in Deutschland. Oft gelingt es nicht, Unternehmen zu sanieren. Nicht das existierende Recht ist das Problem, sondern die Art, wie Insolvenzen vollzogen werden, meint Hans Haarmeyer.

Symbolbild: Leere Geldbörse (Foto: dpa)
In der Insolvenz liegt auch eine Chance für einen NeuanfangBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Oft kommt für die Mitarbeiter eines Unternehmens eine Insolvenz überraschend, und die Belegschaft sorgt sich um ihre Arbeitsstellen. Wieso bedeutet es aber nicht zwangsläufig das Aus für die Mitarbeiter, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet?

Hans Haarmeyer: Wir haben in Deutschland ein außerordentlich sanierungsfreundliches Insolvenzrecht. Das heißt, ein Unternehmen, das sich unter den Schutz der Insolvenzordnung stellt, bekommt eine gewisse Atempause. Das heißt, für eine gewisse Zeit kann es im Insolvenzverfahren unter Regelungen arbeiten, die außerhalb des Insolvenzrechtes nicht möglich sind. Deshalb bietet ein Insolvenzverfahren vielfach eine Erholungschance für das Unternehmen, aus der heraus dann häufig auch ein Neustart gelingt.

Ist der schlechte Ruf der Insolvenz also unbegründet?

Der schlechte Ruf der Insolvenz ist völlig unbegründet. Wir haben in Deutschland – da sind sich eigentlich alle einig – wohl das weltweit beste Sanierungsrecht. Es leidet nur darunter, dass in den Köpfen der Öffentlichkeit 100 Jahre Konkurs als der bürgerliche Tod des Kaufmanns fest verankert sind. Und darunter, dass es vielleicht länger dauert, dieses Bewusstsein von der Krise auch als Chance in Deutschland zur Umsetzung zu bringen als der Gesetzgeber sich vielleicht vor zehn Jahren gedacht hat.

Welche Vorteile ergeben sich denn für ein Unternehmen, wenn es Insolvenz anmeldet?

Ein großer Vorteil besteht darin, dass für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten aus einer Umlageversicherung das Insolvenzgeld finanziert wird. Das heißt, das Unternehmen wird für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten von Lohnzahlungen entlastet. Sie werden aus einer Versicherung heraus bezahlt. Diese Liquidität, die erspart wird, kann dann natürlich dazu verwendet werden, in das Unternehmen zu investieren, Sanierungsmaßnahmen zu machen. Eine zweite ganz wichtige Variante ist, dass man sich unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens zum Beispiel aus Verträgen, die kalkulatorisch nicht mehr gut sind, die das Unternehmen belasten, durch einfache Erklärung verabschieden kann. Man kann also Verträge, die das Unternehmen belasten, einseitig durch den Insolvenzverwalter lösen. Das Unternehmen insgesamt steht unter dem Schutz des Insolvenzrechts. Sie müssen sich das vorstellen wie eine Käseglocke: Das Unternehmen arbeitet weiter, aber niemand der außen stehenden Gläubiger hat irgend eine Möglichkeit, in das Unternehmen, in Strukturen oder auch auf Gegenstände zuzugreifen, die ihm vielleicht sicherungsübereignet sind. Das heißt, wir haben eine wettbewerbsrechtliche Auszeit, und unter dem Schutz des Insolvenzrechts soll das Unternehmen die Möglichkeit haben, sich zu regenerieren.

DW-WORLD.DE sprach mit Hans Haarmeyer, Experte in Sachen InsolvenzrechtBild: Prof. Dr. Hans Haarmeyer

Trotzdem gelingt das ja nicht bei allen Unternehmen. Welche Rolle spielen denn die individuellen Fähigkeiten der Insolvenzverwalter selber, ob ein Unternehmen saniert werden kann oder nicht?

Ich denke, davon hängt 100 Prozent des Erfolges ab. Da gilt der alte Spruch, dass die Auswahl des richtigen Verwalters die Schicksalsfrage des Verfahrens ist und wir haben leider eine Entwicklung – das kann man nach zehn Jahren so sagen – dass heute zu 95 Prozent Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter tätig sind. Wir bräuchten im Prinzip kaufmännisch orientierte Manager, die wirtschaftlich denken und unternehmerisch handeln. Dann wären wir sicher sehr viel weiter.

Prof. Dr. Hans Haarmeyer ist Leitender Direktor des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht und Professor am Standort Remagen der Fachhochschule Koblenz mit den Lehrgebieten Allgemeines Wirtschafts- und Privatrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Arbeitsrecht.