1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkisch-Deutsches Theater Hildesheim

Anke-Martina Witt30. Dezember 2013

Studierende haben das Ensemble vor über 20 Jahren gegründet. Jetzt bringt das Türkisch-Deutsche Theater in Hildesheim Schauspieler aller Nationalitäten zusammen, egal ob jung oder alt, ob Studierende oder Berufstätige.

Probe am Türkisch-Deutschen Theater in Hildesheim (Foto: DW/Anke-Martina Witt)
Bild: DW/M. Witt

"Wir müssen die Gegensätze darstellen; glückliche Familie auf der einen Seite, erfolgreicher Manager auf der anderen", schlägt die 23-jährige Studentin Arzu vor. Gemeinsam mit ihrer Gruppe tüftelt sie an einer neuen Szene; Stühle werden über den schwarzen Bühnenboden geschoben, Dialoge entwickelt und wieder verworfen.

In diesem Jahr soll sich das Stück des Türkisch-Deutschen Theaters um Gewinner und Verlierer der Gesellschaft drehen. Ist der Manager immer ein Gewinner, der Hartz-IV-Empfänger immer ein Verlierer? Wer wird ausgegrenzt und warum? Ein wichtiges Thema, findet die türkischstämmige Arzu, denn Ausgrenzung kenne fast jeder - entweder wegen des kulturellen Hintergrunds oder auch nur wegen der Haarfarbe. "Blondinen haben es ja auch nicht immer leicht."

Theater als Antwort auf Fremdenfeindlichkeit

Das Türkisch-Deutsche Theater im niedersächsischen Hildesheim hat in seiner langjährigen Geschichte häufig politische und soziale Themen aufgegriffen. Alles begann damit, dass vor rund 23 Jahren ein Hildesheimer Student das Theaterstück Romeo und Julia mit einer türkisch-deutschen Besetzung auf die Bühne bringen wollte - als Antwort auf die anwachsende Ausländerfeindlichkeit im Land. In den Anfangsjahren stand daher klar das Thema Integration im Vordergrund - doch dann begannen sich die Themen zu wandeln.

Spaß am Spiel: Denise Biermann, Simon Niemann und Isabel Schwenk (von links) leiten das TheaterBild: DW/M. Witt

Aus dem explizit türkisch-deutschen Projekt entwickelte sich ein freies Laien-Theater, das für jeden offen ist. "Bei uns kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen", erklärt Simon Niemann. Der 23-jährige Student leitet das Theater zusammen mit zwei Kommilitoninnen. "Studenten und Berufstätige, Menschen mit portugiesischen, spanischen, türkischen oder deutschen Wurzeln, junge und ältere Menschen - sie alle verbindet die Lust am Theaterspielen."

Doch auch wenn die Herkunft auf den ersten Blick nicht mehr wichtig erscheint, ist sie doch immer wieder Thema, gibt Simon zu. "Wir arbeiten in den Stücken auch mit biografischen Elementen. Die Spieler können ihre eigenen Erfahrungen einbringen und erzählen auch oft ihre eigene Geschichte." So wird das Thema Integration immer mal wieder auf der Bühne behandelt, vor allem aber findet sie hinter der Bühne statt, berichtet die 65-jährige Neclâ Eberle-Erdoğan. "Viele der jungen Leute haben noch nie mit Migranten zu tun gehabt. Hier lernen wir uns kennen und unternehmen auch außerhalb der Proben etwas miteinander. Deshalb müssen wir gar nicht mehr so viel über Integration reden, sie passiert einfach."

Vertrauen in die Mitspieler: Beim Aufwärmen müssen sich die Schauspieler gegenseitig auffangenBild: DW/M. Witt

"Veränderungen beginnen im Kleinen"

Zusammen etwas auf die Beine zu stellen, das hat auch Mathias Wieprecht überzeugt. Am Anfang habe ihn der Name der Theatergruppe sogar etwas abgeschreckt, erzählt der 44-Jährige und gibt zu, dass er Vorurteile hatte. Die hätten sich allerdings schnell von ganz alleine abgebaut, und es sei interessant gewesen, andere Kulturen kennenzulernen. Die Psychologie-Studentin Arzu hat sich ganz bewusst für das Türkisch-Deutsche Theater entschieden, nicht nur weil sie türkische Wurzeln hat. "Ich habe mich hier willkommen gefühlt, weil es von vornherein offener klang", sagt die 23-Jährige. "Ich habe immer gedacht, Theater spielen nur die, die schon auf dem Gymnasium in einer Theater-AG waren oder deren Eltern immer ins Theater gehen. Aber hier kann jeder mitmachen."

Und so hat Arzu auch ihre Freundin Olga überzeugt, mitzuspielen. "Wegen meines Namens werde ich oft auf meine russische Herkunft angesprochen", sagt sie. Aber in der Theatergruppe sei es nicht weiter wichtig. Offizielle und öffentlichkeitswirksame Kooperationen wie das Deutsch-Türkische Wissenschaftsjahr findet sie zwar sinnvoll, aber das alleine reiche nicht. Wichtig seien Integration und Zusammenarbeit im Kleinen. "Gerade weil wir in unserer Theatergruppe so unterschiedlich sind und das auch akzeptieren, können wir viel mehr schaffen."

Gelebte Integration hinter und auf der Bühne: Arzu (links) und Olga proben eine neue SzeneBild: DW/M. Witt
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen