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Ole Bækhøj: "Ein Ort für das denkende Ohr"

4. März 2017

Er gilt als ein weiteres akustisches Wunder. Am 4. März wurde in Berlin die neue Spielstätte für große Kammermusik eröffnet. Der Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said Akademie setzt neue Maßstäbe als Konzertsaal.

"Ein Ort für das Denkende Ohr": Boulez-Saal ermöglicht intensives Hören
"Ein Ort für das Denkende Ohr": Boulez-Saal ermöglicht intensives HörenBild: Pierre Boulez Saal

Kaum hat sich der Begeisterungssturm um die Elbphilharmonie in Hamburg gelegt, wird in Deutschland ein weiterer neuer Konzertsaal der Superlative eröffnet, diesmal in Berlin: der Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said-Akademie. Es ist ein sehr persönliches Projekt von Daniel Barenboim und seinen Mitstreitern. Stararchitekt Frank Gehry hat den ellipsenförmigen Saal mit fast unbegrenzten Transformationsmöglichkeiten projektiert. Yasuhisa Toyota, der weltweit gefragteste Akustiker für Konzertsäle, ist für den Wohlklang verantwortlich. Beide verzichteten auf ihr Honorar – zugunsten dieser Idee für einen Saal, der Menschen aus verschiedenen Nationen, Publikum und Musiker in einem Klangerlebnis vereint. Und sei es nur für die Zeit des Konzertes.

Der 46-jährige Intendant Ole Bækhøj stammt aus Dänemark. Mit der DW sprach er über die Besonderheiten der neuen Spielstätte und über seine Pläne für zukünftige Ausrichtung.

DW: Herr Bækhøj, was hat der Boulez Saal, was andere Kammermusiksäle nicht haben?

Ole Bækhøj: Es löst den Gegensatz zwischen Musiker und Publikum auf. Man wird zu einer Gemeinde – auf Englisch würde man sagen, zu einer "community". Es gibt kein Vorne und kein Hinten, jeder Zuhörer ist nur wenige Meter von der Bühne entfernt. Die Bühne ist mittig, man kann es aber auch so konfigurieren, dass man die Bühne am Ende von der Ellipse hat oder seitlich. Das fühlt sich wirklich total anders an, als alles, was ich bis jetzt in einem Konzertsaal erlebt habe – und ich bin schon in ganz vielen gewesen.

Sie sagen der Pierre Boulez Saal soll ein Ort für das "denkende Ohr" sein? Was genau ist damit gemeint?

Wir stehen im Sinne unseres Namensgebers Pierre Boulez für Neugier und Offenheit – das, was wir alle als Kinder hatten, aber vielleicht als Erwachsene verlernt haben. Boulez hat davon gesprochen, dass er krank werden würde, wenn er nicht regelmäßig etwas Neues lernt. Ein solches Mantra finde ich wunderbar für einen Konzertsaal. Wir glauben auch daran, dass man einen größeren Gewinn hat, wenn man sich in etwas vertieft und wirklich damit auseinandersetzt.

Intendant des Pierre Boulez Saals Ole Bækhøj: "Man muss sich auf Neues einlassen!"Bild: Peter Adamik

Der Boulez-Saal wird das Herzstück der Barenboim-Said Akademie sein, die seit Oktober 2016 bereits knapp 30 junge Musiker aus Israel, der arabischen Welt, der Türkei und dem Iran ausbildet und ab dem nächsten Studienjahr voll in Betrieb geht. Wird der neue Saal auch ein "Schaufenster" der Akademie sein, wie funktioniert dieser Austausch?

Eine Akademie muss teilweise privat bleiben, denn die jungen Leute kommen hierher um zu studieren, da braucht man einen geschützten Raum. Aber mit dem Pierre Boulez Saal hat man die Möglichkeit, einiges zugänglich zu machen. Ja, das ist ein "öffentliches Gesicht" der Akademie.

Nicht nur der Star-Architekt Frank Gehry, sondern auch der weltberühmte Akustiker Yasuhisa Toyota haben das Projekt umgesetzt, ohne eine Gage dafür zu bekommen. Warum?

Die Freundschaft zwischen Daniel Barenboim und Frank Gehry hat sich über Jahre entwickelt. Gerry hat beobachtet, was Edward Said und Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchester gemacht haben und war davon begeistert. Irgendwann hat er Daniel Barenboim gefragt, ob er vielleicht mit seinen Architekturstudenten ein Projekt machen könne, um einen Konzertsaal für das West-Eastern Divan Orchestra zu entwickeln. Die Studenten von Frank Gehry haben dann auch die Musiker des West-Eastern Divan Orchesters getroffen und sich damit auseinandersetzt, was so eine Begegnung in einem Konzertsaal überhaupt ist. Dann ergab sich die Möglichkeit, in Berlin tatsächlich einen Kammermusiksaal zu bauen. Und da ist Frank sofort eingestiegen und hat auch Yasuhisa Toyota ins Boot geholt. Beide haben schon öfter zusammen gearbeitet – zum Beispiel gemeinsam die berühmte Walt Disney Concert Hall in Los Angeles gebaut.

Gemeinsam stark: Daniel Barenboim mit Fran Gehry, Yasuhisa Toyota und Ole Bækhøj (von links nach rechts)Bild: Thomas Rosenthal

Als Freund von Daniel Barenboim und Frank Gehry war Pierre Boulez (26.03.1925 - 5.01.2016) in die Pläne des neuen Konzertsaals eingeweiht. Wie reagierte er?

Frank Gehry hat Pierre Boulez ein Modell vom Konzertsaal geschenkt und es zu ihm nach Baden-Baden gebracht. Boulez installierte ein Bühnenlicht über dem Modell und schaute es sich stundenlang an.

Zu den Alleinstellungsmerkmalen gehört die eingehende Beschäftigung mit der "Musik der arabischen Welt". Nun ist das aber ein sehr pauschaler Begriff – vielmehr reden wir von vielen Musiktraditionen, die sich alle von der europäischen unterscheiden. Wie genau wird sich diese Auseinandersetzung gestalten?

Wie auch im Rest des Programms machen wir kein "crossover", sondern suchen gezielt einzelne spannende Künstler und Ensembles aus. Zum Beispiel laden wir Naseer Shamma aus dem Irak ein, er macht ein Soloprogramm mit seiner Oud, einer Laute. Wir machen auch verschiedene Projekte mit Kinan Azmeh, dem aus Syrien stammenden Klarinettisten und Komponisten, der früher im West-Eastern Divan Orchestra gespielt hat.

Ursprünglich gab es die Idee, den Boulez-Saal in Istanbul, sozusagen auf der Grenze zwischen der östlichen und westlichen Kulturwelten zu bauen. Das ging aus einer Reihe von Gründen nicht. Kann man aber von Berlin aus Frieden im Nahen Osten stiften?

Auch Daniel Barenboim würde sagen, dass es eigentlich kein Friedensprojekt ist. Es ist ein menschliches Projekt mit Musik im Fokus. Es ist ein Beispiel dafür, dass sich Menschen aus den Ländern, die Krieg gegeneinander führen, dennoch verstehen können – zum Beispiel, indem sie miteinander musizieren. Natürlich braucht es viel mehr, um den Frieden zu sichern. Aber gar nichts zu tun, würde auch nicht zum Frieden führen.

 

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