International agierendes Telefonbetrüger-Netzwerk gesprengt
2. Mai 2024Bei dem Fall handle es sich um den "wohl europaweit größten Callcenterbetrug", erklärten mehrere Behörden gemeinsam in Stuttgart. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl sagte, der jetzt aufgedeckte Callcenter-Betrug habe "ein Ausmaß, das es bislang in Europa so nicht gegeben habe."
Wie das baden-württembergische Innenministerium, das Landesjustizministerium und das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart sowie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mitteilten, wurden in vier Staaten des Westbalkans und im Libanon Callcenter aufgedeckt.
In einer separaten Erklärung teilte Europol mit, dass an der internationalen Polizeiaktion unter dem Decknamen "Pandora" Beamte aus Deutschland, Albanien, Bosnien, dem Kosovo und dem Libanon beteiligt waren. Bei einer Razzia Mitte April in zwölf Callcentern sei es zur Festnahme von 21 Personen gekommen.
Betrug in vielfacher Form
Die Betrüger sollen das gesamte Spektrum der Betrugsvarianten abgedeckt haben. Beispielsweise sollen sie sich als nahe Verwandte, Bankangestellte, Mitarbeiter der Verbraucherzentrale oder als Polizisten ausgegeben haben, um Opfer mit Strafandrohungen, Gewinnversprechen oder Inkassoforderungen zu betrügen.
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft im bayerischen Bamberg zählte auch Cybertrading zu den Maschen. Dabei seien Opfer zum Kauf vermeintlich lukrativer Anlage- und Finanzprodukte mit Kryptowährungen überredet worden. Die Betrüger sollen zwischen November 2022 und Mai 2023 mehrere solcher Plattformen betrieben haben. Den bayerischen Ermittlern zufolge kam es allein in diesem Bereich zu Schäden von rund 220.000 Euro. Es sei jedoch von einer Vielzahl weiterer Fälle auszugehen.
Aufmerksamer Bankmitarbeiter
Ins Rollen waren die Ermittlungen nach Angaben der baden-württembergischen Behörden im vergangenen Dezember gekommen, nachdem ein aufmerksamer Bankmitarbeiter einen Betrugsversuch mit einem Schaden von mehr als hunderttausend Euro verhindert hatte. Die Telefonnummern der Betrüger wurden innerhalb kürzester Zeit auch für tausende weitere Betrugsfälle genutzt.
Noch im selben Monat richtete das baden-württembergische LKA eine Ermittlungsgruppe ein, an der auch Polizeibehörden aus Bayern, Sachsen und Berlin beteiligt waren. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse konnten die Beamten potenzielle Betrugsopfer warnen und so in rund 6000 Fällen einen Schaden von insgesamt rund zehn Millionen Euro verhindern. Das seien mehr als 80 Prozent der Fälle gewesen.
Dafür hätten seit Dezember mehrere Hundert Beamte im Schichtbetrieb in Echtzeit Gespräche der Täter mit den auf ganz Deutschland verteilten Opfern verfolgt. Insgesamt seien mehr als 1,3 Millionen Gespräche gesichert worden. Teilweise seien bis zu 30 Gespräche gleichzeitig verfolgt worden, um Straftaten zu verhindern. Insgesamt wird in 7500 Fällen von Anrufen ermittelt.
Razzien in fünf Ländern gleichzeitig
Bei den Razzien am 18. April waren den Angaben zufolge mehrere nationale und internationale Polizei- und Justizbehörden zeitgleich mit Durchsuchungen gegen das Netzwerk vorgegangen. Einsätze gab es in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, dem Kosovo und dem Libanon. Koordiniert wurden die Einsätze von einem Staatsanwalt der europäischen Polizeibehörde Europol im niederländischen Den Haag. Bei den Durchsuchungen beschlagnahmten die Ermittler unter anderem Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von einer Million Euro sowie elektronisches Beweismaterial, das zu Informationen „über mögliche weitere Callcenter und weitere Betrüger" führen soll, so Europol.
Baden-Württembergs Innenminister Strobl freute sich über den Erfolg der Ermittler: "Betrügerische Anrufstraftaten sind besonders perfide und skrupellos, denn sie spielen mit den Ängsten und Nöten der Menschen". Der CDU-Politiker kündigte an, dass gegen "diese Kriminellen mit aller Härte und Konsequenz" vorgegangen werde.
mak/sti (afp, dpa)