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Literatur

David Diop erhält Booker Prize 2021

Philipp Jedicke bb
2. Juni 2021

Der Schriftsteller David Diop und die Übersetzerin Anna Moschovakis erhalten für den Roman "Nachts ist unser Blut schwarz" den International Booker Prize.

Porträt des Autors David Diop
Gewinner des Booker Prize 2021: David DiopBild: Joel Saget/Getty Images/AFP

David Diop und die Übersetzerin Anna Moschovakis haben mit "Nachts ist unser Blut schwarz" (Originaltitel: "Frère d'âme", englischer Titel: "At Night All Blood Is Black") den diesjährigenInternational Booker Prize gewonnen. 

Der Roman des 55-jährigen Franzosen erzählt die Geschichte der beiden senegalesischen Soldaten Alfa Ndiaye und Mademba Diop, die im Ersten Weltkrieg aufseiten der Kolonialmacht Frankreich gegen Deutschland kämpfen. Der Stellungskrieg in den Schützengräben bringt einem der beiden Freunde den Tod, der andere wird langsam wahnsinnig. Mit "Nachts ist unser Blut schwarz" erinnert David Diop an die Geschichte der senegalesischen Frontkämpfer jener Zeit, die fast vergessen wurde. 

Eine Geschichte von "erschreckender Kraft"

Cover des Gewinner-RomansBild: Pushkin Press

"Diese Geschichte über Krieg und Liebe und Wahnsinn hat eine erschreckende Kraft", lobte die Juryvorsitzende Lucy Hughes-Hallett. "Wir waren uns einig, dass seine beschwörende Prosa und seine dunkle, brillante Vision unsere Emotionen erschüttert und uns umgehauen hatten. Dass es uns verzaubert hatte."

David Diop, 1966 in Paris geboren und im Senegal aufgewachsen, ist der erste Franzose, der den International Booker Prize erhält. "Nachts ist unser Blut schwarz" ist der zweite Roman des Literaturprofessors. Mit dem Buch hat er bereits den französischen Prix Goncourt des Lycéens, den Schweizer Prix Ahmadou Korouma und den italienischen Strage European Prize gewonnen. Diops Werke wurden bisher in 13 Sprachen übersetzt.

 

Gegen diese Autorinnen und Autoren auf der Shortlist hat sich David Diop durchgesetzt:

Mariana Enríquez, "The Dangers of Smoking in Bed", engl. von Megan McDowell

Mariana EnríquezBild: Rich Dyson/StockPix/picture alliance

Die Argentinierin Mariana Enríquez ist neben ihrer Arbeit als Romanautorin auch als Journalistin tätig und schreibt Kurzgeschichten. 2019 gewann sie mit dem Roman "Nuestra parte de noche" den Premio Herralde de Novela.

"The Dangers of Smoking in Bed" (Originaltitel: "Los peligros de fumar en la cama") ist eine Sammlung von zwölf Geschichten und wird bevölkert von aufmüpfigen Teenagern, obdachlosen Geistern und hungrigen Frauen. Enríquez bewegt sich stets auf der Grenze zwischen Realismus und Horror. Bei allem Schrecken sind die Geschichten immer auf der Seite der Leidenden und handeln von sozialen Problemen, Fetischen und Krankheiten der modernen Welt.

Buchcover "Das blinde Licht" von Benjamín LabatutBild: Suhrkamp

Benjamín Labatut, "Das blinde Licht", engl. von Adrian Nathan West

Benjamín Labatut wurde in Rotterdam geboren und wuchs in Den Haag, Buenos Aires und Lima auf. Heute lebt er mit seiner Familie in Barcelona. "Das blinde Licht" (Originaltitel: "Un verdor terrible") ist sein dritter Roman, jedoch der erste, der ins Englische übersetzt wurde.

In vier Kapiteln zwischen Fakt und Fiktion betrachtet er das Leben und Wirken von Wissenschaftlern wie Fritz Haber, Werner Heisenberg, Alexander Grothendieck und Erwin Schrödinger und erschafft dabei eine Geschichte der Wissenschaft im 20. Jahrhundert - voller Mut, Exzentrik und Narzissmus. Sie alle konnten mit ihren Erkenntnissen entweder die Welt verbessern oder der Menschheit unendliches Leid zufügen - oder beides zugleich. In einem Interview sagte Labatut: "Mich interessierte der persönliche Preis dieser Epiphanien, und nur Fiktion kann in das Innere des menschlichen Geistes vordringen."

Olga Ravn, "The Employees", engl. von Martin Aitken

Olga RavnBild: gezett/imago images

Olga Ravn, Jahrgang 1986, gehört zu den bekanntesten Autorinnen Dänemarks. Sie ist auch als Kritikerin tätig und veröffentlicht regelmäßig Texte in der Tageszeitung "Politikken" und anderen dänischen Zeitschriften. Zusammen mit Johanne Lykke Holm betreibt sie die feministische Performance-Gruppe und Schreibschule "Hekseskolen". Ihre Texte werden oft für ihre lyrische Qualität gelobt.

Ihr Roman "The Employees" (Originaltitel: "Ansatte") ist eine Sammlung von Zeugenaussagen der Crew des Raumschiffs Six Thousand Ship. Sie haben vom Planeten New Discovery Dinge mitgebracht, die ihnen mit der Zeit mehr und mehr bedeuten. Dadurch fangen die Angestellten - sowohl Menschen als auch ihre humanoiden Kollegen - an, sich zu fragen, was das wahre Leben sein mag und ob sie ihr Leben wirklich so weiterleben wollen wie bisher. Sie erinnern sich auch an die Erde, die in weiter Ferne liegt und für sie nur noch Vergangenheit war. Ihre Aussagen verdichten sich zu einer Kritik an der Allmacht von Logik und Produktivität.

Maria Stepanova, "Nach dem Gedächtnis", engl. von Sasha Dugdale

Maria StepanovaBild: Gleb Morev

Maria Stepanova ist Lyrikerin, Essayistin und Journalistin. Viele ihrer Werke sind preisgekrönt - sowohl in ihrer Heimat Russland als auch international. Stepanova ist Gründerin und Chefredakteurin des unabhängigen Journals Colta.ru, das sich mit dem kulturellen, sozialen und politischen Alltag in Russland befasst.

"Nach dem Gedächtnis" erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie, die auf wundersame Weise zahlreiche Verfolgungen und Repressionen des 20. Jahrhunderts überlebt hat. Beginnend mit dem Tod ihrer Tante erschafft Maria Stepanova ihre Chronik aus verblichenen Fotografien, alten Postkarten, Briefen, Tagebüchern und Erinnerungsstücken. Im Dialog mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie Roland Barthes, W. G. Sebald, Susan Sontag und Osip Mandelstam und im fließenden Wechsel zwischen Essay, Fiktion, Memoiren, Reiseberichten und historischen Dokumenten entsteht ein Panorama an Ideen und Persönlichkeiten: ein Jahrhundert jüdischen Lebens in Russland.

Éric Vuillard, "Der Krieg der Armen", engl. von Mark Polizzotti

Éric VuillardBild: Getty Images/AFP/J. Saget

Éric Vuillard, 1968 in Lyon geboren, ist Autor und Filmemacher. Er hat neun preisgekrönte Bücher geschrieben, 2017 gewann er den Prix Goncourt, Frankreichs wichtigsten Literaturpreis, für "L'ordre du jour".

Vuillard erzählt in "Der Krieg der Armen" (Originaltitel: "La guerre des pauvres") ein brutales Kapitel der europäischen Geschichte des 16. Jahrhunderts. Während der Reformation fragen sich immer mehr Bauern und andere Miglieder der verarmten Landbevölkerung, warum sie für ihre harte Arbeit erst im Himmel belohnt werden sollen. Sie beginnen, Gerechtigkeit auf Erden einzufordern. Die Bauernkriege brechen aus. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Thomas Müntzer, Reformator und Befürworter der gewaltsamen Befreiung der Bauern. Anhand seiner komplexen und kontroversen Figur erzählt Vuillard, inspiriert von der Bewegung der gilets jaunes, von einer Zeit, in der Europa an einem Scheideweg stand.

Würdigung von Autor und Übersetzer

Der International Booker Prize wird jährlich für herausragende literarische Leistungen aus aller Welt im Bereich Fiktion verliehen, die ins Englische übersetzt wurden. Das Gewinnerduo des International Booker Prize, bestehend aus Autor und Übersetzer, teilt sich das Preisgeld von 50.000 Pfund (rund 54.000 Euro). Die fünfköpfige Jury bestand dieses Jahr aus Aida Edemariam, Olivette Otele, Neel Mukherjee, George Szirtes und Lucy Hughes-Hallett.

Vergangenes Jahr gewannen die niederländische Autorin Marieke Lucas Rijneveld und ihre englische Übersetzerin Michele Hutchison den Preis für Rijnevelds Roman "Was man sät".

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