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Politik

Internationale Interessen in Syrien

Matthias von Hein | Martin Muno | Jens Thurau | Rahel Klein | Mikhail Bushuev
12. April 2018

Den Syrienkrieg bestimmen nicht nur Präsident Assad und oppositionelle Gruppen. Viele Länder mischen mit - aus ganz unterschiedlichen Interessen: militärischen, religiösen, wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen.

Homs Ruinen
Ruinen von HomsBild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

Iran: Wichtigster Unterstützer Assads

Vordergründig haben das säkulare Regime Syriens und die iranische Theokratie nicht viel gemein. Und doch hat ausgerechnet Teheran Syriens Präsident Baschar al-Assad vor dem Sturz bewahrt. Zumindest bis zum direkten Eingreifen Russlands im Herbst 2015 war der Iran der wichtigste militärische Verbündete des Assad-Regimes. Teheran liefert Geld, Waffen, Geheimdienstinformationen und entsendet Militärberater wie auch Truppen nach Syrien. Die gehören den Revolutionsgarden an, schiitischen Milizen oder auch der massiv von Iran unterstützten Hisbollah.

Die religiöse Aufladung des Bürgerkriegs durch sunnitische Dschihadisten gibt dem Iran die Möglichkeit, sich als Schutzmacht der Schiiten darzustellen. Ansonsten gründet die Allianz und Waffenbrüderschaft des Iran mit Assad auf drei gemeinsamen Zielen: Der Wunsch nach Eindämmung des amerikanischen Einflusses in Nahost, die Schwächung Israels und ehedem die Begrenzung des irakischen Machtanspruches unter Saddam Hussein. Inzwischen teilen beide die Gegnerschaft zu Saudi-Arabien und den Golf-Staaten. Regionalstrategisch ist Syrien für den Iran wichtig als Bindeglied zum Libanon, wo die schiitische Hisbollah ihr Kerngebiet hat.

Russland: Rettung in Assads Not

Als Assad faktisch mit dem Rücken zur Wand stand, griff Russland ihm unter die Arme: 2015 startete Russland seine militärische Unterstützung für das syrische Regime. Das offizielle russische Ziel: der Kampf gegen den Terror. Faktisch griff man jedoch nicht nur den "Islamischen Staat" (IS) an, sondern auch viele Assad-Gegner.

Es ging Moskau aber nie nur um Unterstützung für Assad: Nach der Isolation Russlands durch die Ukraine-Krise wollte der russische Präsident Wladimir Putin sein Land wieder auf die internationale Bühne bringen - mit Erfolg. Und auch für Assad zahlte sich die Intervention aus: Der syrische Präsident eroberte große Teile des Landes zurück. Die größten militärischen Erfolge verzeichnete Russland in Aleppo und Palmyra. Der Kreml war dabei aber auch taub gegenüber Vorwürfen wegen zahlreicher Kriegsverbrechen an Zivilisten.

Insgesamt 12 Mal blockierte Russland als Vetomacht Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zum Syrienkrieg - zuletzt nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Rebellenstadt Duma in Ost-Ghuta. Die Spekulationen der USA, das Assad-Regime sei dafür verantwortlich, wies Moskau zurück und reagierte auf die US-Drohung mit Luftangriffen mit dem Vorwurf, Washington wolle damit Beweise für den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz vernichten. Erneut stellt sich Russland also auf die Seite des syrischen Regimes. Dieses wirft den USA vor, einen Vorwand schaffen zu wollen, um Syrien ins Visier zu nehmen.

Saudi-Arabien: Stellvertreterkrieg gegen den Iran

Saudi-Arabien ist seit dem Irak-Krieg 2003 über den wachsenden Einfluss des Irans in der Region besorgt. Auch die Nähe zwischen Damaskus und Teheran hat Riad misstrauisch beäugt. Seit Beginn der Aufstände in 2011 hat Saudi-Arabien die syrische Opposition massiv unterstützt. Das Ziel: Assad zu stürzen und ein Saudi-Arabien gegenüber freundlicher gesonnenes Regimes zu installieren. Dabei wurden auch dschihadistische Gruppen großzügig mit Geld und Waffen versorgt. Derzeit scheint der Einfluss Saudi-Arabiens etwas abzunehmen.

Türkei: Früher Freund, heute Feind

Die Türkei und ihr Präsident Recep Tayyip Erdogan pflegten noch Mitte der 2000er Jahre exzellente Beziehungen zum Assad-Regime. Mit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges kehrte sich das ins Gegenteil um: Die Türkei setzte auf den Sturz Assads und unterstützte die syrische Opposition. Über türkisches Gebiet strömten Waffen und Kämpfer - oft an dschihadistische Gruppen, auch an den IS. Mittlerweile scheint die Türkei vor allem das Ziel zu haben, autonome oder sogar freiekurdische Gebiete an der türkischen Grenze zu verhindern. In der Militäroperation "Olivenzweig" brachte die Türkei die von der Kurdenmiliz YPG gehaltene Stadt Afrin in Nordsyrien unter ihre Kontrolle. Die Türkei sieht die YPG als syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und rechtfertigt die Offensive mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Die militärische Operation in Nordsyrien hat Ankara von den NATO-Partnern im Westen isoliert. Insbesondere die USA sehen die YPG als Verbündete im Kampf gegen den IS. 

2008: Assad (rechts) und Erdogan, zusammen mit ihren Ehefrauen in BodrumBild: AP

Offenbar will Erdogan ein gewichtiges Wort bei der Gestaltung der syrischen Nachkriegsordnung mitreden. Auch dazu dienen die Militärexpeditionen über die Grenze. Türkische Machtprojektion soll dabei helfen, in Anlehnung an das Osmanische Reich, Hegemonialmacht im Nahen Osten zu werden.

Israel: Der Feind sitzt in Teheran

Die größte Sorge Israels im syrischen Bürgerkrieg ist die anhaltende Präsenz der iranischen Revolutionsgarden und Teheran-treuer Milizen in Syrien. Israel fürchtet sich vor allem davor, dass sich die libanesische Hisbollah-Miliz an den Golan-Höhen an der syrisch-israelischen Grenze festsetzt und von dort aus israelisches Territorium mit Raketen beschießt. Aus diesem Grund flog die israelische Luftwaffe seit Beginn des Syrien-Konflikts 2011 etwa hundert Angriffe auf Waffenkonvois für die Hisbollah, Waffenfabriken und iranische Stellungen. In der Regel bekennt sich Israel nicht dazu. Auch zum Beschuss einer syrischen Militärbasis, für den Damaskas Israel verantwortlich machte, übernahm die israelische Regierung keine Verantwortung. Allerdings warnte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman den Iran vor einer dauerhaften Militärpräsenz in Syrien und sagte, man werde ein Festsetzen des Iran in Syrien verhindern, koste es was es wolle.

Von den Golan-Höhen aus überwacht Israel die Grenze zu SyrienBild: Reuters/A. Awad

USA: Planlos verstrickt

Es waren die Lehren aus dem Debakel der US-Interventionen im Irak und in Libyen, die den damaligen Präsidenten Barack Obama zu seiner zögerlichen Syrien-Politik bewogen haben. Als Machthaber Assad 2012 an den Rand einer militärischen Niederlage geriet, lehnte Obama ein größeres Engagement ab, obwohl er Assads Vorgehen heftig verurteilte. Stattdessen griff Russland an der Seite Assads in den Bürgerkrieg ein. 

Ähnlich zögerlich ist die Politik Donald Trumps: Seine Ziele sind die Zerschlagung der Terrormiliz IS und die Eindämmung des Iran. Deswegen beschränkt sich das US-Engagement auf die Präsenz von Spezialkräften und einzelne Luftangriffe. Damit sind die USA in Syrien beteiligt, ohne wirklich eine entscheidende Rolle zu spielen.

Ob sich die generelle Haltung Washingtons durch Trumps jüngste Drohung mit einem erneuten Raketenangriffs in Syrien langfristig ändert, bleibt abzuwarten. Per Twitter hatte Trump nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Rebellenstadt Duma in Ost-Ghuta vor allem Russland für dessen Unterstützung des syrischen Regimes angegriffen und mit militärischen Schritten gedroht.

Russland kündigte darauf hin an, jegliche Raketen auf syrisches Hoheitsgebiet abzufangen und auch die Objekte anzugreifen, von denen sie abgeschossen würden - das hieße also auch US-amerikanische Kampfjets. Vor einem Jahr hatte Trump als Vergeltung für einen Giftgaseinsatz in der nordsyrischen Stadt Chan Scheichun einen Raketenangriff auf eine syrische Luftwaffenbasis angeordnet. 

Deutschland: Hilfe zur Selbsthilfe

Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass es eine friedliche Lösung im Syrien-Krieg nur ohne Präsident Assad geben könne. Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte den möglichen Giftgasangriff ungewöhnlich scharf und forderte Russland auf, seine Blockadehaltung im UN-Sicherheitsrat mit Blick auf eine Untersuchung von Chemiewaffen-Einsätzen in Syrien aufzugeben. 

Militärisch ist Deutschland nicht direkt am Krieg in Syrien beteiligt und auch eher ein Player von geringem Gewicht. Allerdings unterstützen deutsche Aufklärungsflugzeuge die Luftaufklärung von IS-Stellungen. Zunächst flogen die Aufklärer von der Türkei aus, nach dem Abzug der Bundeswehr aus Incirlik nun von Jordanien aus.

Vom Luftwaffenstützpunkt Al-Asraq in Jordanien starten deutsche Aufklärungsflugzeuge in Richtung SyrienBild: Imago/Reporters

Außerdem unterstützt die Bundeswehr im Nordirak die dort gegen den IS kämpfenden Kurden, vor allem durch Ausbildung und die Bereitstellung von Gewehren. Bei der zwischenzeitigen Vernichtung der syrischen Chemiewaffen spielte Deutschland außerdem eine zentrale Rolle.

Zuletzt standen jedoch vor vielen Jahren erfolgte Panzerlieferungen an die Türkei im Zentrum heftiger Debatten in Deutschland, nachdem Präsident Erdogan die Leopard-Panzer bei seinen Angriffen gegen die Kurden in Syrien einsetzte.

Frankreich: Macron rückt näher an die USA  

Unterstützung könnten die USA aktuell  von Frankreich erhalten. Präsident Emmanuel Macron betonte in der derzeitigen Krise sein enges Verhältnis mit Trump. Mehrfach schon hatte er den tödlichen Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet und mit Luftschlägen gedroht. Nun stellte Macron in Aussicht, gemeinsam mit den USA "chemische Einrichtungen unter Kontrolle des Regimes" anzugreifen. Man wolle keine Eskalation in der Region, aber internationales Recht müsse respektiert werden, sagte der 40-Jährige.

Ziehen sie in Syrien an einem Strang? Emmanuel Macron (l.) und Donald Trump (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/Y. Herman

Frankreich ist ein wichtiger Akteur in seinen traditionellen Einflusszonen Nordafrika und Nahost und hat unter den westlichen Staaten eine besonders aktive Rolle im Syrienkrieg eingenommen. Zunächst lieferte Frankreich medizinische Ausrüstung an syrische Rebellen, später auch Waffen. Ende September 2015 begann Frankreich mit Luftschlägen gegen den IS und weitete diese nach den Terroranschlägen von Paris im November 2015 aus.

Frankreichs Prioritäten liegen in Syrien nach eigener Aussage in der Verbesserung der humanitären Hilfe, dem Kampf gegen den Terrorismus und der Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Das Land  unterstützt die gemäßigte Opposition und setzt sich für eine politische Lösung in Syrien ein. Macron hatte im vergangenen Jahr außerdem erklärt, Frankreich mache die Absetzung Assads nicht mehr zur Bedingung für Friedensgespräche.

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