1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Zusammengestellt von Martin Muno 4. Februar 2006

Konflikt um Mohammed-Karikaturen // Atom-Streit mit dem Iran

Im Blickpunkt der internationalen Presse in dieser Woche steht neben dem Atom-Streit mit dem Iran vor allem der Konflikt um die Mohammed-Karikaturen.

Dazu schreibt das LUXEMBURGER WORT:

"Europas Kultur ist säkular, die muslimische ist es nicht. Von dem radikalen Unterschied zwischen beiden Kulturkreisen zeugt die Veröffentlichung von zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed (...) die zu einem Politikum mutiert ist. Satire muss (...) schon krass sein, um in Europa überhaupt noch Entrüstung zu erregen, gerade wenn christliche Symbole, Jesus, oder der Papst ihr Ziel sind. Im Vergleich harmlose Mohammed-Karikaturen werden dagegen in der muslimischen Welt als Provokation empfunden."

Diesen Konflikt sieht auch die französische Zeitung LIBÉRATION:

Das eine (Gesellschaftssystem) basiert auf dem Grundsatz der Laizität und toleriert, mehr oder weniger, selbst radikale Angriffe auf den Klerus. Im anderen steht die Religion im Mittelpunkt der Identität von Völkern und Regierungen, was jeden Angriff auf sie unerträglich macht."

Der österreichische STANDARD bezieht klar Stellung:

"Man (verteidigt) als Anhänger von säkularen Werten oft Dinge, die man selbst nicht respektiert. Die Mohammed-Zeichnungen selbst wären bald der Vergessenheit anheim gefallen. Jetzt aber, wo Menschenleben bedroht sind und es möglich ist, dass irgendein Idiot irgendwo beschließt, zum Märtyrer werden, werden wir alle zu Verteidigern von misslungenen Karikaturen. Aber es ist ja nicht ihre Qualität, die wichtig ist. Es ist die Tatsache, dass sie bestehen dürfen, als Teil der ewigen Debatte, die unsere Kultur schafft. Ohne diese Debatte bleibt nicht viel von unserer Zivilisation. Deswegen dürfen wir uns den Mund nicht verbieten lassen."

Die spanische Zeitung EL MUNDO bemerkt:

"Die wütenden und zum Teil gewaltsamen Aktionen in Ländern der arabischen Welt zeigen, dass es dort kein Verständnis gibt für ein demokratisches System, in dem die Presse frei ist und nicht im Namen der Herrschenden spricht. (...) Auf die rabiaten Proteste der Muslime darf man nicht reagieren, indem man sich entschuldigt. Der Westen muss vielmehr sein Recht auf Meinungsfreiheit standhaft verteidigen."

Die BASLER ZEITUNG hat dagegen Verständnis für die Wut der Moslems:

"Der von den USA geführte Irak-Krieg, der Saddam-Prozess, der Hamas-Wahlsieg in den Palästinensergebieten, der den Islamisten nun indirekt streitig gemacht wird, obwohl USA und Europa doch allerorten Demokratie einfordern - all das ist über die arabischen TV-Satellitenkanäle in der islamischen Welt genau verfolgt worden. Und so steht die Wut über die Zeichnungen stellvertretend für die Reaktion der Menschen auf Ereignisse, angesichts derer sich eine zunehmend auch politisch an islamischen Werten ausgerichtete Muslimwelt immer wieder neu benachteiligt fühlt."

Die ungarische Zeitung NEPSZAVA geht auf den Atomstreit mit dem Iran ein:

"Wenn es in der äußerst gespaltenen iranischen Gesellschaft eine nationale Einheit gibt, dann hat sie sich an diesem Punkt herauskristallisiert. Für das Atomprogramm treten selbst die west-freundlichsten und dem Mullah-Regime am kritischsten gegenüberstehenden Intellektuellen ein (...). So ist es auch eines der höchsten Ziele des Atomprogramms, die ohnehin in die Unzufriedenheit abdriftende Nation auf die gegenwärtige islamistische Staatsführung einzuschwören. (...) Das höchste Ziel der Atombombe ist es, die islamistische Elite an der Macht zu halten."

Der britische GUARDIAN bemerkt dazu:

"Noch ist Zeit, mit Verhandlungen aus dem Dilemma herauszukommen, aber der Iran scheint die Krise weiter zu schüren. Das zeigt die Drohung von Außenminister Mottaki, sein Land werde zu Gegenmaßnahmen greifen, sollte es an den UN-Sicherheitsrat verwiesen werden. Teheran hofft vielleicht darauf, dass die Europäer die Nerven verlieren und doch keinen Schulterschluss mit den USA wollen. Oder es wird spekuliert, dass Moskau und Peking abspringen (...). Es gibt noch viel zu verhandeln."

In der französischen Zeitung RÉPUBLIQUE DES PYRÉNÉES heißt es:

"Der Streit um das iranische Atomprogramm könnte sehr gut die Krise des Jahres werden, auch wenn im Moment noch alle im Nebel stochern. (...) Wenn sich der Iran Atomwaffen verschaffte, würden wie bei einem Dominospiel andere nachziehen, Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei - mit möglichen Konflikten zwischen der persischen Welt, Hochburg der Schiiten, und der türkischen und arabischen Welt."

Das sieht die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ähnlich:

"Der Iran hat das Problem, dass eine Anzahl Staaten in seiner näheren oder weiteren Umgebung ihm nicht trauen. Dieses Problem ist politisch und muss deshalb im politischen Rahmen der Vereinten Nationen angegangen werden. (...) Europa wird bemüht sein, die Eskalation der Konfrontation zu einem handfesten, potenziell militärischen Konflikt zu vermeiden. Der Westen riskiert hier nämlich erneut, als arroganter Polizist dazustehen."

Zum Schluss einen Blick in die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA. Dort heißt es:

"Die Optimistischsten sagen, dass Mahmud Ahmadinedschad ein Wunder vollbracht hat: Er hat den Westen neu erschaffen, der hat die alten Meinungsverschiedenheiten über Irak mit einer neuen transatlantischen Einheit gegen die iranischen Nuklear-Bestrebungen überlagert, und er hat sogar die Grenzen der Allianz erweitert, nachdem ihr auch Russland und China beigetreten sind. Der Marsch Teherans hin zur ersten schiitischen Atombombe (...) macht tatsächlich allen Angst."