1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Herbert Peckmann18. Februar 2006

Angst vor Vogelgrippe / Kompromiss bei EU-Dienstleistungsrichtlinie

Was lange befürchtet worden war, kam in dieser kalten Jahreszeit schließlich doch überraschand: Die gefährliche Vogelgrippe wurde bei toten Vögeln auch in Deutschland festgestellt. Angesichts der Sorge vor einem weiteren Ausbreiten der Krankheit wurde die Entwicklung auch in den Kommentaren der ausländischen Presse beachtet.

So schrieb die Zeitung DE MORGEN aus Brüssel:

"Die Schwäne, die auf der deutschen Insel Rügen an der Vogelgrippe gestorben sind, stellen die Wissenschaftler vor ein Rätsel. Wie konnten sich diese Tiere anstecken, wo die Vogelgrippe in diesem Teil Europas nie zuvor auftrat, der herbstliche Vogelzug lange vorüber ist und der Frühjahrszug erst noch in Gang kommen muss? ... Es geht schließlich um eine Population heimischer Schwäne, nicht um Vögel, die schon früh aus Afrika zurückgekehrt sind und in Nigeria überwintert haben, wo die Vogelgrippe festgestellt wurde. ... Dass das Virus sich schon vor Monaten auf der Insel eingenistet haben könnte, würde eine neue Tatsache sein."

Die römische Zeitung LA REPUBBLICA befürchtete eine Verseuchung von Natur-Oasen. Das Blatt analysierte:

"Die Landkarte der vom Vogelgrippe-Virus dahin gerafften Schwäne entspricht der der Feuchtgebiete. Damit ist Tatsache, dass das Netz der Oasen jetzt riskiert, sein Gesicht zu verlieren und sich aus einem Objekt der Begierde in eine Quelle der Bedrohung zu verwandeln. Das Tam-Tam der Stimmen über verdächtige Todesfälle in den Parkanlagen verstärkt noch zusätzlich die Panik."

Der TAGES-ANZEIGER aus Genf sah die Schweiz umzingelt vom gefährlichen H5N1-Erreger. Das Blatt fragte:

"Ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann wir die ersten bestätigten Fälle in der Schweiz haben? Bestimmt taucht das Virus über kurz oder lang auch hier auf. ... Trotz allem gibt es keinen Grund zur Panik ... . Das Virus hat den Sprung von Mensch zu Mensch noch nicht geschafft. Und in Westeuropa hat der Erreger der Vogelgrippe noch keine einzige Person angesteckt."

Die AFTENPOSTEN aus Oslo stellte fest:

"Bisher hat die Weltgesundheitsorganisation weniger als 100 Todesfälle von Menschen registriert, die durch direkte Ansteckung von kranken Tieren gestorben sind. Die Furcht vor eine Mutation des Virus, so dass es auch zwischen Menschen ansteckend wird, ist eben genau nur eine Furcht, die sich bisher als unbegründet erwiesen hat."

Auch EL MUNDO aus Madrid warnte vor Panikmache:

"Dass die Vogelgrippe eine Pandemie mit Millionen von infizierten Menschen auslösen könnte, ist bisher nur eine Hypothese. Dazu müsste das Virus mutieren. Es ist nicht gesagt, dass dies geschehen wird. Allerdings macht allein die Gefahr einer Pandemie es erforderlich, Vorkehrungen zu treffen, um für den schlimmsten Fall gewappnet zu sein. ... Erstens müssen Exportverbote für Länder, die als gefährlich eingestuft wurden, eingehalten werden. Zweitens müssen die Routen der Zugvögel überwacht werden. Man darf die Gefahr nicht unterschätzen, die Bevölkerung aber auch nicht unnötig in Panik versetzen",meinte EL MUNDO.


Themenwechsel. Die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie der EU hat in dieser Woche eine wichtige Hürde genommen. Das Europa-Parlament in Straßburg verabschiedete in erster Lesung eine abgeschwächte Version der Richtlinie. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich Dienstleister an die Gesetze des Landes halten müssen, in dem sie tätig werden und nicht an die ihres eigenen Landes. Dazu meinte die niederländische Zeitung TROUW:

"Leider ist der Vorschlag des ehemaligen EU-Kommissars Bolkestein, die Binnengrenzen der EU auch für den Dienstleistungssektor aufzuheben, inzwischen weitgehend ausgehöhlt. Aber das Prinzip, dass Unternehmer aus EU-Staaten so wenig wie möglich behindert werden sollten, wenn sie in anderen EU-Staaten Dienste anbieten, bleibt von großer Bedeutung. (Dies schafft) zusätzliche Dynamik, die unentbehrlich ist, wenn Europa die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Rest der Welt behalten will."

Für die britische Tageszeitung THE GUARDIAN enthielt die Dienstleistungsrichtlinie zu viele Kompromisse. Zitat:

"Es lohnt sich zu wiederholen, dass die größten Konkurrenten für Frankreich, Deutschland und Italien nicht Polen, Lettland und die Slowakei sind, sondern China, Indien, Brasilien und die USA. Das reformerische Gerede, in einem wettbewerbsintensiven weltweiten Markt des 21. Jahrhunderts ein dynamisches Europa zu schaffen, ist immer gut. Aber dieser klassische Kompromiss wird wenig dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen."

Das Pariser Wirtschaftsblatt LES ECHOS sah das Europaparlament als Sieger:

"Sogar die Regierungen werden gezwungen sein, den Wünschen des Parlaments Rechnung zu tragen. ... Auch wenn der Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung, die die Rechte des Parlaments stärken soll, ins Stocken geraten ist - die Europa-Abgeordneten bestätigen Schritt für Schritt ihre Unabhängigkeit."

Die Straßburger DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE hoben einen anderen Aspekt hervor:

"Seit dem Nein beim Referendum über die EU-Verfassung ist Frankreich vom Vordergrund der europäischen Bühne verschwunden. (...) Und so sitzt Deutschland am Lenkrad, um unauffällig aber gekonnt langsam und sicher die nächsten Termine anzusteuern. Die ...Verabschiedung der Bolkestein-Richtlinie betont dieses Engagement und beendet ein wahres Psychodrama. Der Text existiert nur dank eines Kompromisses zwischen der Europäischen Volkspartei und der Sozialistischen Partei Europas - die beide von Deutschen geführt werden."

Und schließlich die BASLER ZEITUNG, die konstatierte:

" ... Die Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes in der EU wird durch die Abschwächung der Richtlinie nur gebremst und nicht aufgehalten. Die neuen sowie die liberalisierungsfreudigeren unter den alten EU-Ländern werden weiter auf offene Märkte drängen. Die Debatte hat gezeigt, dass in weiten Teilen der Bevölkerung große Ängste vor den Folgen der Erweiterung und vor schrankenlosen Märkten bestehen."