Bevor es Astroalex zu langweilig wird, darf er in eine ganz besondere Rolle schlüpfen: Ab heute wird er als erster Deutscher das Kommando auf der ISS übernehmen. Also Schluss mit lustig, das hier sind seine Aufgaben:
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1. Entscheidungen treffen
..., aber nicht alle Entscheidungen. Der Kommandeur hat die Aufgabe, die Operationen auf der ISS nach den Vorgaben des Flight Directors ("Flugdirektors") umzusetzen. Dieser führt Regie aus dem Johnson Space Center (JSC) der NASA in Houston.
Der Flight Director führt die Aufsicht über die Fluglotsen und Flugkontrolleure, über die Experten für Forschungsprojekte, die auf der ISS durchgeführt werden, und über die Ingenieure und das Unterstützungspersonal.
Der ISS-Kommandeur ist also für das Management in der Umlaufbahn verantwortlich, der Flight Director für das Management am Boden.
2. Flugvorbereitung
Der Kommandeur organisiert die Crew und schweißt sie zu einem "einzigen, integrierten Team" zusammen.
Wenn Gerst sein Training in Russland durchläuft, wird er die anderen künftigen ISS-Crew-Mitglieder durch ihre Ausbildung und die Missionsvorbereitung begleiten.
3. Flugnachbereitung
Im gleichen Sinne muss Gerst nach der Rückkehr der Crew sicherstellen, dass alle Mitglieder ihre verbleibenden Pflichten nach Abschluss der Mission vollenden - etwa für die medizinische Nachbetreuung zur Verfügung stehen und wissenschaftliche Experimente nachbereiten.
4. Frieden im Orbit aufrechterhalten
Laut Verhaltenskodex für die Internationale Raumstation muss der ISS Kommandeur "eine harmonische und gefestigte Beziehung zwischen den ISS-Crewmitgliedern aufrechterhalten". Dabei muss er die "internationale und multikulturelle Natur der Crew und der Mission" berücksichtigen. Die Mitgliedsstaaten waren sich einig, dass es "Null Toleranz" für gegenseitige Belästigungen auf der ISS geben dürfe.
Im Verhaltenskodex "Multilateral Coordination Board" gibt es keinen Hinweis darauf, dass Gewalt angewendet werden darf. Aber es gibt eine Formulierung die sagt, dass der Kommandeur "befugt ist, jedes verhältnismäßige und notwendige Mittel zu nutzen, um seine Aufgabe zu erfüllen" - aber natürlich nur, wenn sich das mit den Vorgaben des Flight Directors deckt.
Es gibt also eine Grauzone: Was passiert, wenn die Mission oder die Crew durch das Verhalten eines Crew-Mitglieds gefährdet sind? Sollte der Kommandeur dann Gewalt anwenden, um den Störenfried zu bändigen?
Bei den strengen Auswahlverfahren für Astronauten ist es eher unwahrscheinlich - aber doch möglich - dass ein Crew-Mitglied nach sechs Monaten im All und ohne richtigen Kontakt zur Erde psychologische Probleme entwickelt. Langzeitaufenthalte im Weltraum sind sehr stressig: Ein Astronaut könnte theoretisch durchdrehen.
Daher haben die Verfasser in ihren eigenen Protokollen - aber nicht im Verhaltenskodex - festgehalten, dass "in Fällen, in denen es nötig ist, um die unmittelbare Sicherheit der Crew-Mitglieder der ISS zu gewährleisten, verhältnismäßige und notwendige Mittel, die der ISS-Kommandeur anwenden darf, die Nutzung physischer Gewalt oder Zwang" beinhalten.
Der ISS-Kommandeur muss also die Sicherheit der Crew gewährleisten - ihre "Gesundheit und Wohlergehen, inklusive Rettung und Rückkehr". Der Kommandeur muss auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um "die Elemente der ISS-Ausrüstung oder der Ladung zu schützen."
5. Soziale Medien bespielen
Kommandeur Chris Hadfield war wahrscheinlich der Erste, der während seines fünfmonatigen Aufenthalts auf der ISS zwischen 2012 und 2013 soziale Netzwerke nutzte. Er war der erste kanadische ISS-Kommandeur und auch der Erste, der im Weltall ein Musikvideo aufzeichnete: eine Cover-Version der "Space Oddity" von David Bowie. Das hat ihn in kürzester Zeit berühmt gemacht. Das YouTube-Video wurde mehr als 31 Millionen mal angeschaut.
Ein Jahr später nutzte Alexander Gerst vor allem Twitter unter dem Namen @astro-alex, um seine spektakulären Bilder der Erde zu seinen Fans zu bringen. Dabei scheute er auch vor Kommentaren nicht zurück, wie bei dem obigen Tweet nach dem Flug über Gaza und Israel. Mittlerweile hat er 1,23 Millionen Follower.
Während seiner Mission im Jahr 2014 ging es Gerst um mehr als das Teilen seiner Fotos mit Menschen auf der Erde. Er gab ihnen auch Einsichten in seine wissenschaftliche Arbeit über die sozialen Medien. Und er stand sogar live Schülern in einem Klassenzimmer Frage und Antwort.
Gerst sagt, er freue sich darauf, wieder Experimente in der Schwerelosigkeit durchzuführen. Bleibt nur die Frage, ob seine neue Rolle als Kommandeur ihm auch wieder soviel Zeit für die anderen Aufgaben lässt: fürs Labor und die sozialen Medien.
Foto-Album eines Astronauten
2014 war der deutsche Astronaut Alexander Gerst zum ersten Mal für ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation. Aus dem All hat er wichtige Forschungsergebnisse mitgebracht - aber auch beeindruckende Fotos.
"Hallo Berlin, von hier oben sieht man keine Grenzen!", twitterte Alexander Gerst am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls. In 166 Tagen führte er Experimente in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen durch. Eine wichtige Forschungs-Leistung! Aber Alexander Gerst berührt Menschen auch emotional - durch das Bild, das er von unserem "Blue Dot" vermittelt.
Bild: Alexander Gerst/ESA/picture-alliance/dpa
Gerst beobachtete Polarlichter
"Durch Polarlichter zu fliegen lässt sich nicht in Worte fassen", meint Alexander Gerst. Er hat dieses Naturphänomen von der ISS aus beobachtet. Und er verfolgte ein wissenschaftliches Ziel dabei: Er wollte den Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf elektronische Geräte erforschen.
Die Sahara wird oft als endlose Wüste bezeichnet. Die Aufnahmen von Alexander Gerst über Libyen zeigen, dass auch die sandigsten Dünen einen Ausgangs- und Endpunkt haben.
Bild: ESA/NASA
Zeit zum Aufstehen!
Die meisten Menschen in Florida schliefen wahrscheinlich noch, als Alexander Gerst und seine Kollegen diesen Schnappschuss kurz vor Sonnenaufgang machten. Wenn sie wüssten, dass sechs Astronauten im All sie beim Schlummern beobachteten ...
Bild: picture-alliance/dpa/NASA
Meteoritenkrater aus dem All betrachtet
Es ist weder ein Berg, noch ein Vulkan. Auf diesem Foto von Gerst ist ein Meteoritenkrater in Arizona zu sehen. Der Krater misst 1186 Meter im Durchmesser und ist ganze 180 Meter tief.
Es scheint nur ein winziges Loch in der Wolkendecke zu sein - doch tatsächlich hat dieses Loch einen Durchmesser von 80 Kilometern! Obwohl es sehr faszinierend aussieht, richten Taifune wie dieser regelmäßig enormen Schäden an der Erdoberfläche an.
Alexander Gersts Bilder zeigen unverfälschte Momentaufnahmen. Dieses Foto zeigt eine besorgniserregende Entwicklungen: den Konflikt zwischen Israel und Gaza - fliegende Raketen und Explosionen.
Bild: picture-alliance/dpa/ESA/NASA
Glühende Atmosphäre
Ein besonderes Phänomen: Auch auf der Erde hat man selten die Chance, Nordlichter beobachten zu können. Gerst hatte das Glück, dieses wunderbare Bild aus dem Weltraum schießen zu können.
Bild: ESA/NASA
Fotos kein reiner Zeitvertreib
Astronauten stellen ihre Fotos auch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung: Die Bilder der vom Wind zerklüfteten Täler in Nordafrika können zu Vergleichsstudien herangezogen werden. So kann man Veränderungen in der Landschaft feststellen - und analysieren, welchen Anteil der Mensch an solchen Veränderungen hat.
In vielen Regionen der Welt ist Süßwasser Mangelware. Die Kreise auf dem Bild sind nicht das Werk von Außerirdischen, sondern Bewässerungsanlagen in trockenen Gebieten Mexikos. Einige Experimente von Gerst beschäftigten sich auch mit Nahrungsversorgung. Die Astronauten pflanzten auf der ISS Salat an und arbeiteten daran, den Wasserverbrauch der Pflanzen zu verringern.
Bild: ESA/NASA
Wie ein Ölgemälde
Einige von Gersts Bildern sehen aus wie Meisterwerke berühmter Maler. Dieses Foto zeigt tatsächlich einen kurvenreichen Fluss in Kasachstan, der sich durch die Landschaft frisst. Auch Altarme, die vom Hauptfluss abgeschnitten sind, kann man auf dieser Aufnahme entdecken.
Bild: ESA/NASA
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Alexander Gerst im Außeneinsatz
Nach vier Monaten in der Internationalen Raumstation (ISS) war der deutsche Astronaut Alexander Gerst am Dienstag (7.10.2014) erstmals im freien All. Mit dabei: NASA-Astronaut Reid Wiseman.
Bild: NASA
Perspektivenwechsel
Vier Monate konnte Alexander Gerst in der relativen Sicherheit der Internationalen Raumstation verbringen. Am Dienstag (7.10.2014) ging es raus - ins freie All. Eine der drei Aufgaben: Der Roboterarm, der hier zu sehen ist, bekam ein Modul, welches dazu dient, den Arm auch dann noch mit Energie zu versorgen, wenn er von einem Ort zum anderen verlagert wird.
Bild: NASA
Nur für Schwindelfreie
Solch einen Ausblick konnten Gerst und sein Kollege Reid Wiseman auch schon von innerhalb der ISS genießen. Aber wenn es keine Wand mehr zwischen Astronaut und dem Erdboden gibt, fühlt es sich wohl doch etwas anders an: Bleibt da noch ein Blick für die Schönheiten der Natur, oder konzentrieren sich die Astronauten eher ganz auf ihre zweite Aufgabe: Die Entsorgung einer Kühlpumpe?
Bild: NASA
Kein Problem
Alexander Gerst ist jedenfalls schwindelfrei - und war von Anfang an zuversichtlich, dass alle Aufgaben gelingen. So kam es dann auch: Die defekte Kühlpumpe wurde an einem endgültigen Ort fest installiert. Während Wiseman den neuen Einbauort vorbereitete, holte Gerst die Pumpe von ihrem bisherigen Platz ab.
Bild: NASA/ESA
Gründliche Vorbereitungen
Damit bei einem Raumspaziergang alles nach Plan läuft, sind gründliche Vorbereitungen nötig. Hier kontrolliert Wiseman seinen Anzug. Nichts durfte dem Zufall überlassen werden. Die intensive Vorbereitungsphase, an der die Kontrollzentren in Houston und Moskau beteiligt sind, begann bereits vor zwei Wochen.
Bild: NASA/ESA
Dekompressionsphase vor dem Ausstieg
Ähnlich wie Taucher, die aus großen Wassertiefen aufsteigen, gehen die Astronauten vor, bevor sie sich aus der Druckkammer der ISS in die druckfreie Umgebung des Weltalls begeben. Sie atmen über zwei Stunden vor dem Ausstieg reinen Sauerstoff, um den Stickstoff, der im Blut gelöst ist, abzuatmen.
Bild: NASA/ESA
Fitness ist alles
Sechs Stunden dauerte der Weltraumspaziergang. Dafür muss man sich schon an Bord der ISS fit halten - zum Beispiel mit so einem Trainingsgerät. Die Arbeit außerhalb der Station ist jedenfalls nicht leicht. Einmal in 90 Minuten umrundet die ISS die Erde. In dieser Zeit kommt ein Astronaut aus gleißendem Sonnenlicht in absolute Dunkelheit, sodass er nur noch mit Taschenlampe arbeiten kann.
Bild: NASA
Der Ausblick entschädigt für die Mühe
Die beiden Astronauten waren schneller mit ihren Aufgaben fertig als ursprünglich geplant. Da hatten sie wohl noch etwas Zeit, den Ausblick zu genießen. Allerdings gab es auch so noch genug Kleinigkeiten außerhalb der ISS zu erledigen: Etwa herumfliegende Kabel sauber zu verlegen oder andere Ausrüstungsteile zu warten.