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PolitikEuropa

Gerichtshof legt Gutachten zu Israels Besatzungspolitik vor

18. Juli 2024

Was passiert, wenn der Internationale Gerichtshof IGH feststellen sollte, dass die israelische Besetzung und Besiedlung von Palästinensergebieten rechtswidrig ist? Am Freitag legt der Gerichtshof dazu ein Gutachten vor.

Israelischer Siedlungsaußenposten Evyatar in Westjordanland. Im Vordergrund weht eine israelische Flagge
Der illegale israelische Siedlungsaußenposten Evyatar im besetzen WestjordanlandBild: Tania Kraemer/DW

An diesem Freitag wird der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein Gutachten zu den "rechtlichen Konsequenzen aus der Politik und den Praktiken Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem" präsentieren.

Der IGH wurde durch die UN-Vollversammlung Ende Dezember 2022 mit diesem Gutachten beauftragt - und somit vor den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 und dem Israel-Hamas-Krieg.

An diesem Tag wurden bei einem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas nach israelischen Angaben rund 1200 Personen getötet und mehr als 250 Personen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die folgende Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen kostete nach nicht überprüfbaren Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde bislang mehr als 38.000 Menschen das Leben. 

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UN-Vollversammlung stellte Fragen

Voraussichtlich wird der IGH im Wesentlichen über die von der UN-Vollversammlung gestellten Fragenentscheiden, welche rechtliche Konsequenzen sich aus der "anhaltenden Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung durch Israel," sowie "aus seiner anhaltenden Besetzung, Besiedlung und Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete" ergeben.

Außerdem soll der Gerichtshof den "rechtlichen Status der Besatzung" der Gebiete beurteilen, sowie sich daraus ergebende Konsequenzen für die UN und die Staaten. Die Resolution, die dem IGH-Gutachen zugrunde liegt, erwähnt neben Ost-Jerusalem und dem Westjordanland explizit auch den Gazasteifen und die Lebensbedingungen dort. 

Nach Angaben der dpa liegt die Zahl der israelischen Siedler im Westjordanland und Ost-Jerusalem zusammengenommen bei 700.000. Der UN-Sicherheitsrat hat diese Siedlungen zuletzt 2016 in der Resolution 2334 als einen "flagranten Verstoß" gegen das Völkerrecht bewertet und Israel aufgefordert, alle Siedlungsaktivitäten sofort einzustellen. 

Auch mit der Situation in Ost-Jerusalem soll sich der IGH befassen - also jenem Teil der Stadt, den Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 eroberte und zu dem auch die Altstadt samt ihrer jüdischen, muslimischen und christlichen Heiligtümer gehört. Israel erklärte das ganze Gebiet Jerusalems 1980 zur "vereinigten und ewigen" Hauptstadt Israels. Dieser Schritt gilt als de-facto-Annektierung. Der Sicherheitsrat erklärte dies für nichtig und die meisten Staaten erkennen den Schritt nicht an; viele internationale Botschaften sitzen deshalb in Tel Aviv. Die palästinensische Autonomiebehörde beansprucht Ost-Jerusalem mit Blick auf einen künftigen Staat als Hauptstadt. 

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Anhörungen im Februar - ohne Israel

Im Februar hatte der IGH rund eine Woche lang Stellungnahmen von 49 UN-Mitgliedsstaaten, drei internationalen Organisationen sowie palästinensischen Vertretern angehört. Darunter EU-Staaten, wie Frankreich und Spanien, aber auch die USA, Russland und China. Die meisten Staaten hatten ein Ende der israelischen Besetzung der Palästinensergebiete gefordert, berichtet die AFP.

Israel selbst war bei den Anhörungen nicht anwesend. In einem im Juli 2023 eingereichten Schriftstück bezeichnete das Land, die an den Gerichtshof gestellten Fragen als "tendenziös" und als eine "klare Verzerrung der Geschichte und der gegenwärtigen Realität des israelisch-palästinensischen Konflikts." 

Der US-Repräsentant forderte mit Blick auf die Ereignisse des 7. Oktobers und Israels Sicherheitsbedürfnisse den Gerichtshof dazu auf, keinen "sofortigen und bedingungslosen" Rückzug anzuordnen, berichtet die AFP weiter. 

Wirkung des Gutachtens

Das Gutachten ist rechtlich nicht bindend. Nach Angaben des IGH kann die antragstellende Organisation - hier die UN-Vollversammlung - entscheiden, was sie mit dem Ergebnis macht. In jedem Fall hätte ein solches Gutachten "großes rechtliches Gewicht und moralische Autorität" und könnte den politischen Druck auf Israel auch im Hinblick auf den Krieg in Gaza erhöhen.

Stefan Talmon, Völkerrechtsprofessor an der Universität Bonn, erklärte schriftlich gegenüber der DW, dass das Gutachten je nach Ausgang "weitreichende Konsequenzen" haben könne. Falls der IGH feststellen sollte, dass die israelische Besetzung und Besiedlung und die de-facto Annexion einzelner Gebiete, rechtswidrig seien, könnten Staaten, die sich wie Deutschland dem Völkerrecht verschrieben hätten, oder die EU, nicht einfach darüber hinweggehen.

In einem solchen Fall könnte dem Gutachten, laut Talmon, "erhebliche Sprengwirkung" zukommen, meint Talmon. Israels internationale Position könnte sowohl rechtlich als auch politisch weiter geschwächt werden könnte. Auch könnte das Gutachten vor nationalen Gerichten oder dem Europäischen Gerichtshof rechtliche Wirkung entfalten, zum Beispiel, indem Gebiete wie Ost-Jerusalem nicht mehr bei Zoll-und Handelsabkommen zwischen Israel und der EU einbezogen werden.

Dieser Fall ist nicht zu verwechseln mit der Klage Südafrikas gegen Israel wegen des Vorwurfs der Verletzung der Völkermord-Konvention, die auch beim IGH anhängig ist. Israel weist die Vorwürfe zurück. 

 

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