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Literatur

Fiston Mwanza Mujilas "Tram 83" ausgezeichnet

Sabine Peschel
20. Juni 2017

Wild brodelnden Post-Kolonialismus beschreibt Fiston Mwanza Mujila in "Tram 83". Für den Roman und die deutsche Erstübertragung bekommen er, Katharina Beyer und Lena Müller jetzt den 9. Internationalen Literaturpreis.

Fiston Mwanza Mujila
Bild: picture-alliance/Francesco Gattoni/Leemage

"Es ist der radikale Bericht postkolonialen afrikanischen Lebens in einer auf unermesslichen Bodenschätzen brodelnden Stadt", urteilte die Jury. "Fiston Mwanza Mujila skandiert, brüllt, säuselt die Sätze über den Alltag in einer von Gewalt beherrschten Männergesellschaft." Für seinen "rhapsodischen Roman" "Tram 83" wird der 46-jährige kongolesische Autor gemeinsam mit seinen Übersetzerinnen mit dem 9. Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Nach Teju Cole im Jahr 2013 bekommt damit zum zweiten Mal ein aus dem südlichen Afrika stammender Autor den vom Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen vergebenen Preis.

Fiston Mwanza Mujilas Roman spielt in einer fiktiven Minenstadt, die stark an das kongolesische Lubumbashi erinnert, die Hauptstadt einer rohstoffreichen Region. Diamanten und Kobalt gibt es auch in Stadtland. Die "kleinste Hauptstadt der Welt", die nur aus dem verruchten Jazz-Lokal "Tram 83" und dem Bahnhof besteht, bildet ein eigenes, magnetisches Universum, in dem sich Prostituierte, Studenten, Organhändler und Kindersoldaten zum Tanz auf dem Vulkan treffen. "Eigentlich nichts Besonderes, dieses Tram 83. Alles schwarz, wie in der Höhle von Lascaux. Männer, Frauen, Kinder mit Kippen in der Hand. Weiter hinten eine Band, die hemmungslos ein Stück von Coltrane malträtierte, höchstwahrscheinlich Summertime."

Fiston Mwanza Mujila komponiert Texte "wie ein Jazzmusiker"

Mwanza Mujilas wurde 1981 in Lubumbashi geboren, von dort musste er flüchten, als er zu publizieren begann. Jetzt lebt er in Graz, schreibt Gedichte, Kurzprosa und Theaterstücke, die er teilweise auch selbst ins Deutsche übersetzt. Seine Texte reagieren vielfach auf die politischen Unruhen im Gefolge der kongolesischen Unabhängigkeit und auf deren Auswirkungen im Alltagsleben. Er komponiert sie "wie ein Jazzmusiker, wie ein Saxofonist".

Eine Bar in LubumbashiBild: Getty Images/AFP/P. Moor

Mujila unterrichtet an der Grazer Universität afrikanische Literatur und arbeitet für verschiedene Projekte in Österreich mit Musikern zusammen. 2010 erhielt er einen Preis für den besten Theatertext am Staatstheater Mainz. "Tram 83" ist sein erster Roman. Er wurde dafür mit dem in Nigeria beheimateten, pan-afrikanischen "Etisalat Prize for Literature" für ein Erstlingswerk ausgezeichnet und schaffte es mit diesem Buch auch auf die Longlist des International Man Booker Prize und des Prix du Monde.

Abgründiger Blick auf den Neokolonialismus

Mujila ist mit "Tram 83" ein abgründiger Blick auf den Neokolonialismus gelungen - und gleichzeitig eine komische, surreale, sprachlich virtuose Improvisation. "Die Übersetzerinnen Katharina Meyer und Lena Müller haben für diesen ins Performative drängenden Text eine mitreißende Sprache gefunden", würdigte die Jury. Verena Auffermann, Jens Bisky, Frank Heibert, Jens Hillje, Michael Krüger, Marko Martin und Sabine Scholl haben sich diese Entscheidung sicherlich nicht leicht gemacht, denn Lena Müller erhält die Auszeichnung bereits zum zweiten Mal in Folge. Die in Berlin lebende freie Literaturübersetzerin und Hörspiel-Autorin wurde schon 2016 für die Übersetzung von Shumona Sinhas "Erschlagt die Armen!" mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet.

Preisverleihung im Juli

Bild: Paul Zsolnay Verlag

Der Preis an das Triple wird am 6. Juli im Rahmen eines Festes unter dem Motto "Reclaim Your Fictions" vergeben. Fiston Mwanza Mujila erhält ein Preisgeld von 20.000 Euro, Katharina Beyer und Lena Müller teilen sich 15.000 Euro. Neben den Preisträgern werden auch die sechs auf der Shortlist Nominierten, ihre Übersetzerinnen und Übersetzer den Abend mitgestalten: Hamed Abboud und Larissa Bender, Alberto Barrera Tyszka und Matthias Strobel, Han Kang und Ki-Hyang Lee, Amanda Lee Koe und Zoe Beck, Ziemowit Szcerek und Thomas Weiler sowie Fernando Mires und Thomas Böhm. Vor allem die 2016 mit dem International Man Booker Prize ausgezeichnete koreanische Autorin Han Kang hat mit ihrem Roman "Die Vegetarierin" in Deutschland und speziell in Berlin, wo sie im letzten Jahr beim Internationalen Literaturfestival auftrat, bereits ein größeres Publikum.

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