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Politik

Protest gegen Festnahme Nawalnys

18. Januar 2021

Dass er festgenommen würde, wusste Alexej Nawalny. Dass ihn westliche Regierungen nicht aus den Augen verlieren, war ihm auch klar. Proteste gegen den Kreml waren insofern absehbar.

Russland Moskau | Flughafen Scheremetjewo | Alexej Nawalny
Alexej Nawalny und seine Ehefrau Yulia (rechts) im Flughafenbus in Moskau Bild: Mstyslav Chernov/AP Photo/picture alliance

Bundesaußenminister Heiko Maas hat die sofortige Freilassung des am Sonntag in Russland festgenommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny gefordert. "Alexei Nawalny ist nach seiner Genesung aus eigenen Stücken und bewusst zurückgekehrt nach Russland, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sieht. Dass er von den russischen Behörden sofort nach Ankunft verhaftet wurde, ist völlig unverständlich", sagte Maas in Berlin. Russland sei durch seine eigene Verfassung und durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden. "Diese Prinzipien müssen selbstverständlich auch gegenüber Alexei Nawalny zur Anwendung kommen. Er sollte unverzüglich freigelassen werden", betonte der SPD-Politiker. Der 44-Jährige sei Opfer eines schweren Giftanschlags auf russischem Boden geworden. Maas: "Wir erwarten weiterhin, dass Russland alles tut, um diesen Anschlag vollumfänglich aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen." 

Spontanes Gerichtsverfahren: "Gipfel der Rechtlosigkeit"

Nawalny selbst bezeichnte das Vorgehen gegen ihn als "Gipfel der Rechtlosigkeit". Ihm werde in einem spontanen Verfahren in einem improvisierten Gerichtssaal außerhalb Moskaus der Prozess gemacht. Die russischen Behörden hätten "die Strafprozessordnung zerrissen und weggeworfen", sagte er weiter in einem von seinen Unterstützern auf Twitter veröffentlichten Video.

Die Anwälte des in Moskau in Haft genommenen Oppositionellen dürfen nicht zu ihm. Nach Angaben von Nawalnys Sprecherin Kira Jarmytsch durften zwei Berater das Gebäude der Polizeistation Chimki am Stadtrand von Moskau zwar betreten, "aber es ist ihnen nicht erlaubt, Alexej zu sehen".

Auch EU-Ratschef Charles Michel verlangte die sofortige Freilassung des Kremlkritikers. Ihm schloss sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell an. Er schrieb, eine politische Instrumentalisierung der Justiz sei nicht akzeptabel.

Auch Frankreich bemühte sich, Druck auf den Kreml zu machen. Nawalny müsse umgehend auf freien Fuß gesetzt werden, erklärte das Außenministerium in Paris. Und auch die scheidende US-Regierung in Washington fand klare Worte. "Die Vereinigten Staaten verurteilen nachdrücklich die Entscheidung Russlands, Alexej Nawalny festzunehmen", teilte US-Außenminister Mike Pompeo mit. Nawalnys Festnahme sei der jüngste Versuch Russlands, "Oppositionelle und unabhängige Stimmen, die kritisch gegenüber den russischen Behörden sind, zum Schweigen zu bringen".

Die neue Administration in Washington bewertet das nicht anders. Der designierte Nationale Sicherheitsberater des künftigen US-Präsidenten Joe Biden erklärte: "Herr Nawalny sollte umgehend freigelassen werden, und die Verantwortlichen für den abscheulichen Angriff auf sein Leben müssen zur Rechenschaft gezogen werden", betonte Jake Sullivan. "Die Attacken des Kreml auf Herrn Nawalny stellen nicht nur einen Verstoß gegen die Menschenrechte dar, sondern sind auch ein Affront gegen die russischen Bürger, die wollen, dass ihre Stimmen Gehör finden."  

   

Solche Einlassungen wird der Kreml als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückweisen. Auch die Proteste von Menschenrechtlern dürften die russische Führung nicht überraschen. So hat etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den Schritt der russischen Sicherheitsbehörden als unrechtmäßig angeprangert. Die Inhaftierung des Kremlkritikers gleich nach seiner Ankunft in Moskau sei ein weiterer Beleg dafür, dass die russischen Behörden ihn zum Schweigen bringen wollten, heißt es in einer Erklärung von Amnesty.

Die Untersuchung steht aus 

Weiterhin sei es unumgänglich, Nawalnys Vorwurf zu untersuchen, wonach er vor fünf Monaten in Sibirien von staatlichen Agenten auf Anordnung höchster Stellen vergiftet wurde. Zugleich forderte Amnesty, dass sämtliche Unterstützer und Journalisten, die am Sonntag auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo festgenommen wurden, ebenfalls unverzüglich wieder freigelassen werden. Kritik kam auch von den Grünen im Bundestag. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt schrieb auf Twitter: "Der Kreml zeigt wieder eindeutig, wie er mit Oppositionellen umgeht und KritikerInnen mit allen Mitteln einschüchtern will." Der 44-Jährige sei zur Fahndung ausgeschrieben gewesen, teilte der Strafvollzug zur Begründung mit. Von einem Verstoß gegen Bewährungsauflagen ist die Rede.

Nawalny im Kreis seiner Familie während der Behandlung in der Berliner CharitéBild: picture-alliance/dpa/D. Nawalny

Nawalny war im August in Sibirien Opfer eines Giftanschlags geworden. Er wurde nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité behandelt. Nawalny wirft dem russischen Geheimdienst vor, hinter seiner Vergiftung zu stecken. Die russische Regierung bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag. Beobachter des Geschehens in Moskau erwarten, dass Nawalny - in Freiheit oder nicht - zunehmend zu einer Herausforderung für den Präsident Wladimir Putin wird.

ml/haz/kle (dpa, rtr, afp)

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