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Internationaler Strafgerichtshof-Streit erreicht Balkan

15. August 2002

Jugoslawien debattiert über Nicht-Auslieferungsabkommen mit den USA

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Köln, 14.8.2002, DW-radio / Serbisch, Liljana Guslov-Renke

Mitte Juli hat Jugoslawien aus Washington ein ultimatives und für die Gegner des Haager Kriegsverbrechertribunals sogar äußerst attraktives Angebot erhalten: Falls Jugoslawien den bilateralen Vertrag über die Nichtauslieferung amerikanischer Staatsbürger an den internationalen Strafgerichtshof (IStGH) unterzeichnet, wird dies von der amerikanischen Seite auch für jugoslawische Staatsbürger gelten. Die Schweiz und Norwegen haben gleichlautende Anfragen der USA nach bilateralen Vereinbarungen abgelehnt, Rumänien und Israel dagegen bereits unterzeichnet.

Der Artikel 98 der Römischen Verträge über die Gründung eines internationalen Strafgerichtshofes legt fest, dass ein Staat einen Bürger an das Tribunal nicht ausliefern muss, wenn bereits bilaterale Verträge über Nichtauslieferung mit dem Heimatland des Staatsbürgers bestehen. Bislang haben Israel und Rumänien einen solchen Vertrag mit den USA unterzeichnet.

Die EU-Kommission kritisierte scharf Rumänien für diesen Schritt: "Dies ist ein schlechtes Signal. Wir bedauern die Entscheidung Rumäniens", sagte ein Pressesprecher der Kommission. Der rumänische Außenminister Mircea Geoana erwiderte: Rumänien sei formal gesehen weder Mitglied der NATO noch der EU. Aus diesem Grund habe es das Recht, selbstständig Verträge abzuschließen.

Jetzt verhandeln die USA mit Jugoslawien und Bosnien-Herzegowina. Die Bemühungen Washingtons, Einzelvereinbarungen auch auf dem Balkan abzuschließen, kommen nicht von ungefähr. Im Kosovo und in Bosnien befinden sich gegenwärtig 7.600 US-Soldaten. Im State Department geht man davon aus, dass die Staaten Mittel- und Südosteuropas mehr Bereitschaft für die Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit zeigen, weil sie vor der Aufnahme in die NATO stehen. Im Falle Jugoslawiens geht es um den Beitritt zum Kooperationsprogramm "Partnerschaft für den Frieden".

Die USA haben gedroht, Ländern die Militärhilfe zu streichen, die nicht zu Einzelvereinbarungen bereit sind. In diesem Zusammenhang sagte der Vorsitzende des Zentrums für zivil-militärische Beziehungen, Miroslav Hadzic: Jugoslawien bemühe sich immer noch um amerikanische Finanzmittel, militärische Hilfe habe das Land bislang nicht erhalten. Und er fügte hinzu:

"Die in Aussicht gestellte Einstellung der militärischen Zusammenarbeit, die für Jugoslawien bislang auch nichts bedeutet hat, wird das Land nicht zusätzlich treffen. Aber die Ankündigung, dass die eventuelle Ablehnung eines solchen Vertrages gleichzeitig auch die Unterbrechung der Gespräche über das Programm 'Partnerschaft für den Frieden' bedeutet, hat andere Dimensionen. Das kann auch direkte politische Schäden und Sicherheitsdefizite für Jugoslawien, aber auch für die Region bedeuten."

Das Angebot der USA erweist sich als problematisch. Denn es bringt die Balkanstaaten in eine Position, in der sie sich zwischen der EU und der einzig verbliebenen Supermacht entscheiden müssen. Biljana Koracevic-Vuco vom Komitee der Juristen für Menschenrechte sagte:

"Mir und meinen Kollegen nimmt das amerikanische Angebot Argumente aus der Hand. Wir setzen uns schon seit zehn Jahren für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal ein. Wir wollen die serbische Öffentlichkeit davon überzeugen, dass es dabei nicht um den Druck der USA geht, sondern um ein Tribunal, das uns hilft, die Probleme bei der Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen zu lösen und die Schuld zu individualisieren. Insbesondere bedrückt mich, dass man darüber redet, dass Deals über die Zusammenarbeit zwischen unserer und der US-Administration geplant sein sollten."

Im jugoslawischen Außenministerium hat man offensichtlich noch keine Entscheidung darüber getroffen, wie man auf die amerikanische Anfrage reagieren sollte, deshalb nimmt man noch keine Stellung. Vladimir Djeric, Berater des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica, erklärte jedoch, dass alle zuständigen jugoslawischen Behörden dieses Angebot überprüfen würden.

Der serbische Premier Zoran Djindjic sagte, Jugoslawien werde sich bezüglich des amerikanischen Angebots mit der EU beraten. Diese Frage muss erst darauf warten, dass sich die Staaten Serbien und Montenegro formieren.

"Es ist ein Fakt, dass alle europäischen Staaten dieses internationale Tribunal anerkannt haben, und jetzt ist die Frage, wo wir unseren Platz sehen. Ob zwischen den Staaten, die denken, dass für bestimmte Straftaten gegen die Humanität, Völkermord ein internationales Tribunal zuständig ist oder nicht."

Der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica hat die Unterzeichung eines solchen Vertrags mit den USA abgelehnt. Nach seiner Meinung würde die amerikanische Forderung die internationale Rechtsordnung untergraben. (fp)