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"Reporter ohne Grenzen" contra BND

Marcel Fürstenau zzt. Karlsruhe
14. Januar 2020

Der Bundesnachrichtendienst (BND) überwacht weltweit das Internet - ganz legal. Ausländische Journalisten wollen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgesetz kippen. Aus Karlsruhe Marcel Fürstenau.

Bundesnachrichtendienstes in Pullach
In der BND-Abhörstation in Bad Aibling arbeiteten auch Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA Bild: picture-alliance/dpa

Ohne Edward Snowden gäbe es das 2017 reformierte Gesetz für den Bundesnachrichtendienst (BND) gar nicht. Denn erst durch die Enthüllungen des berühmten Whistleblowers wurde bekannt, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst tief in die NSA-Affäre verstrickt war. Snowden belegte mit seinen 2013 veröffentlichten Dokumenten, wie die US-amerikanische National Security Agency (NSA) mit Hilfe des BND die Internetkommunikation weltweit ausspähte. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel war betroffen.

Mit dem transatlantischen Skandal befasste sich damals ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, der eine Novelle des BND-Gesetzes anregte. Gesagt, getan - herausgekommen ist allerdings eine höchst umstrittene Neufassung. Denn vor anlassloser Überwachung im Ausland sind nun nur noch Deutsche sicher. Dagegen klagt unter anderem die internationale Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die mündliche Verhandlung hat am Dienstag begonnen. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet. 

Der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden brachte auch den BND in Bedrängnis (Archivbild)Bild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

 Auch mehrere investigativ tätige ausländische Journalisten haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie sorgen sich um die eigene Sicherheit und die ihrer Informanten. Der mazedonische Reporter Goran Lefkov recherchiert zu Korruptionsfällen in seiner Heimat. Oft auch mit direkter oder indirekter Verbindung nach Deutschland, wie er sagt. Er sei oft von Quellen abhängig, mit denen er über Telefon, E-Mail oder Messenger-Dienste kommuniziere.

Goran Lefkov: "Es ist eine Gefahr für Grund- und Menschenrechte."

"Wenn jedoch die Gespräche meiner Informanten abgehört werden, dann bleiben meine Quellen stumm", sagt Lefkov. Deshalb betrachtet er das BND-Gesetz als "schwerwiegenden Angriff auf investigative Journalisten und damit auch auf die Pressefreiheit". Der Journalist geht noch einen Schritt weiter: "Es ist eine Gefahr für Grund- und Menschenrechte."

Der BND sammelt auch Informationen zum Schutz von Bundeswehrsoldaten im Ausland, wie hier in AfghanistanBild: picture-alliance/JOKER/T. Vog

Die Bundesregierung und mit ihr der BND halten die Befürchtungen für unbegründet. Sie halten die massenhafte Überwachung von Ausländern im Ausland vor allem im Anti-Terror-Kampf für unentbehrlich. Dafür werden abgefangene Informationen bei Bedarf auch gespeichert und an ausländische Geheimdienste weitergegeben.

Kanzleramt: Eine Frage von Krieg und Frieden

Der Chef des Bundeskanzleramts, Christdemokrat Helge Braun, verwies in der Verhandlung aber auch auf aktuelle Spannungen wie im Iran, im Irak oder in Libyen. Dafür benötige Deutschland binnen Stunden verlässliche Informationen. "Die Frage, wer hinter einem Angriff steckt, kann über Krieg und Frieden entscheiden."

Merkel vor NSA-Untersuchungsausschuss

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Dass der BND Internetkommunikation im Ausland überwacht, halten auch die Kläger für nachvollziehbar. Allerdings lehnen sie unter Hinweis auf die universellen Menschenrechte eine Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern für verfassungswidrig. Außerdem halten sie es schon aus technischen Gründen für unmöglich, die weltweite Kommunikation via Telefon, E-Mail oder Chat fehlerfrei zu filtern. Simpel formuliert steckt dahinter jedes Mal die Frage, welche Staatsbürgerschaft jemand hat, der außerhalb Deutschlands kommuniziert? 

Blaz Zgaga: "Journalisten stehen auf der richtigen Seite"

Der slowenische Journalist Blaz Zgaga teilt die Sorge seines mazedonischen Kollegen Goran Lefkov. Es sei wirklich nicht nötig, dass irgendein Geheimdienst seine Arbeit überwache, die er im öffentlichen Interesse tue. "Ich denke, wir Journalisten stehen auf der richtigen Seite. Also warum sollen sie uns ausspionieren?" Investigativ-Journalisten hätten sowieso schon einen schwierigen Job. "Es gibt viel Druck, Drohungen und juristische Probleme." Systematische Überwachung mache ihre Arbeit noch schwieriger, "weil viele potentielle Quellen einfach zu viel Angst haben, uns zu kontaktieren".

Der Vorsitzende Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth (2.v.l.) und sein Kollegium Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Wie komplex die Klage gegen das BND-Gesetz ist, ließ der Vorsitzende Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, durchblicken. Der Rechtsstreit bewege sich an der "Schnittstelle mehrerer unsere Zeit prägender Entwicklungen". Damit spielte er auf wachsende internationale Spannungen und Konflikte an, die sich heutzutage zunehmend im digitalen Raum abspielen. Im Kern geht es um die immer wieder neu zu beantwortende Frage, wie man Sicherheit und Grundrechte in Einklang bringt.       

Kläger hoffen auf positive Vorreiterrolle Deutschlands    

Der Verfahrensbevollmächtigte von "Reporter ohne Grenzen", Bijan Moini, ist nach den ersten Eindrücken der mündlichen Verhandlung zuversichtlich. Es gehe um die Garantie, dass Telekommunikation grundsätzlich geschützt ist. Und das Verfassungsgericht müsse nun entscheiden, "ob dieser Schutz auch vom BND zu beachten ist, wenn er im Ausland Daten abfängt, indem er das Internet überwacht".

Bijan Moini, Verfahrensbevollmächtigter von "Reporter ohne Grenzen" im BND-VerfahrenBild: Thomas Friedrich Schäfer

Im Moment dürfe der BND "zu sehr schwammigen Zielen aus nichtigen Anlässen" sehr viele Daten abfangen, durchsuchen, weiterverarbeiten und teilweise automatisiert an ausländische Dienste weitergeben. Moini geht das viel zu weit. Die Deutschen würden vom amerikanischen Geheimdienst NSA auch erwarten, "dass er uns nicht anlasslos massenhaft überwacht". Und es wäre sehr viel geholfen, "wenn in einem bedeutenden Land ein bedeutendes Gericht dem BND Schranken setzt". Damit verbindet Moini die Hoffnung, dass auch in anderen Ländern die Überwachungspraxis der Auslandsgeheimdienste auf den Prüfstand kommt.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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