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Digitale Morddrohung gegen Sportler: Entrinnen unmöglich

Jonathan Harding
17. Januar 2024

Cybermobbing ist schon seit Langem ein Problem für Sportlerinnen und Sportler. Im digitalen Zeitalter ist es fast unmöglich, Drohungen in den sozialen Medien zu entkommen.

Symbolbild | Hate Speech im Netz
Todesdrohungen im Internet gegen Sportlerinnen und Sportler werden immer häufigerBild: Sean Gallup/Getty Images

Der Dopamin-Kick, den die sozialen Medien auslösen können, ist vielen auf der Welt geläufig. Weniger üblich ist, dass man wegen seiner Leistung bei der Arbeit Morddrohungen erhält. Für Profisportler wird Cybermobbing leider immer häufiger zur Realität. 

Nachdem die Kölner Haie kürzlich ihr Spiel der Deutschen Eishockey Liga beim ERC Ingolstadt mit 4:5 verloren hatten, erhielt Teamkapitän Moritz Müller auf Instagram eine Todesdrohung gegen seine Kinder.

Ein User postete unter ein Bild des Spielers mit seinen drei Kindern den Kommentar: "Ich würde diese Würmer nach so einem schrecklichen Spiel von dir töten."

Dazu stellte er die Symbole eines Messers und eines Bluttropfens. Müller war in dem Spiel nach nur 70 Sekunden wegen eines Stoßes gegen den Kopf eines Ingolstädter Spielers vom Eis gestellt worden. 

Die Drohung gegen Müller ist kein Einzelfall. So berichtete der südafrikanische Rugby-Profi Cobus Reinach, dass er im vergangenen Oktober in den sozialen Medien mit dem Tod bedroht worden sei. Zuvor hatte der Sportler, der sein Geld in Frankreich verdient, mit dem Nationalteam Südafrikas in einem dramatischen WM-Viertelfinale die französische Mannschaft aus dem Rennen geworfen.

Auch Wayne Barnes, einer der weltweit bekanntesten Rugby-Schiedsrichter, erhielt Morddrohungen - wegen seiner Leistung im WM-Finale, das die "Springboks" aus Südafrika gegen Neuseeland gewonnen hatten.

In der vergangenen Woche berichtete der französische Fußballprofi Thomas Henry vom italienischen Klub Hellas Verona, er habe nach einem verschossenen Elfmeter Morddrohungen gegen sich und seine Familie erhalten. 

Anna-Lena von Hodenberg ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation HateAid, die sich für Opfer von Hatespeech im Internet einsetzt. In den fünf Jahren seit Gründung von HateAid habe es "auf jeden Fall einen Anstieg der Todesdrohungen" gegeben, sagt von Hodenberg der DW. 

Kampagnen reichen nicht

Fußball-Rekordmeister Bayern München habe zuletzt eine große Kampagne gegen Hatespeech gestartet, doch das reiche nicht aus. "Wir stellen fest, dass selbst die großen Mannschaften im Fußball und auch in anderen Sportarten, die weniger sichtbar sind, die betroffenen Aktiven damit allein lassen", so von Hodenberg.  

Es fehle an psychologischer Unterstützung für Sportlerinnen und Sportler und deren Familien, wenn sie Hassnachrichten erhielten. "Es gibt einfach keine Infrastruktur, die sich darum kümmert", sagt die HateAid-Chefin.

Viele Sportvereine behaupteten zwar, dass sie ihre Spieler unterstützten, "aber bei unseren Beratungen sehen wir, dass es nicht ausreicht, nur eine Kampagne zu machen und das Thema ins Rampenlicht zu rücken. Man braucht wirklich konkrete Unterstützung."

Für von Hodenberg gibt es einige Kernpunkte, die bei dem Problem eine Rolle spielen: Viele Athleten sind vertraglich verpflichtet, in den sozialen Medien präsent zu sein. Damit ist es leicht, direkten Zugang zu ihnen zu erhalten.

Die Täter haben zudem nur minimale Konsequenzen zu befürchten. Und eine Kontrolle durch die Betreiber der Social-Media-Plattformen gibt es kaum. 

Kompliziertes Geflecht

2020 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Kriminalisierung von Hatespeech in sozialen Medien. Dies führte jedoch weder dazu, dass Betroffene im Sport besser unterstützt wurden, noch dass Fälle leichter und schneller gelöst wurden.

Das liegt zum Teil daran, dass Social-Media-Unternehmen aus den USA wie X (früher Twitter) oder Meta ihren europäischen Hauptsitz in Irland haben und für sie EU-Recht gilt. Die europäischen Ermittler müssen sich mühsam durch das komplizierte Geflecht kämpfen, wenn sie die Identität eines Täters herausfinden wollen.

Das kann Monate dauern. "Staatsanwälte, mit denen wir eng zusammenarbeiten, sagen uns, dass sie oft keine Informationen erhalten", erklärt von Hodenberg.

"Staatsanwälte in Deutschland gehen also zu den Plattformen und sagen: 'Hier gibt es illegale Inhalte, zum Beispiel eine Morddrohung. Könnten Sie uns bitte Informationen über die Täter geben, die Sie haben, zum Beispiel die IP-Adresse?' Dann haben die Social-Media-Unternehmen die Wahl, ja oder nein zu sagen. Manchmal sagen sie ja, manchmal nein."

Der digitale Raum ist immer da 

Nach Ansicht der Expertin ist eine schnelle Lösung des Problems nicht in Sicht. Der Schlüssel liege darin, Zugang zu den Daten der Täter zu erhalten.

Ebenso wichtig seien eine stärkere öffentliche Diskussion über Hatespeech in den sozialen Netzwerken, wirksamere Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, eine bessere Zusammenarbeit mit den Internet-Plattformen - und Hilfsangebote für betroffene Aktive.

"Die meisten Sportvereine verschließen die Augen davor und tun immer noch so, als sei dies ein persönliches Problem der Spieler und kein strukturelles", sagt von Hodenberg. 

"HateAid"-Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg wünscht sich mehr strukturelle Unterstützung von Sportlerinnen und SportlernBild: HateAid

Der digitale Raum greife viel mehr in das Leben der Aktiven ein, "weil sie ihn morgens, abends und selbst in der privatesten Stunde auf ihren Smartphones haben. Es gibt keinen Raum mehr, in den man davor fliehen könnte. Das ist der große Unterschied zur analogen Welt, wo man sich noch von dem Hass abkapseln konnte."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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