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Christian Künast: "Die Jungs wollen gewinnen"

Chuck Penfold
2. Februar 2022

2018 sorgte das deutsche Eishockeyteam mit olympischem Silber für eine Sensation. Vor den Spielen in Peking spricht DEB-Sportdirektor Christian Künast im DW-Interview unter anderem über Leistungsdruck und Corona.

Christian Künast, Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bunds
Christian Künast ist seit Ende 2020 Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bunds Bild: Frank May/picture alliance

DW: Christian Künast, eigentlich möchten wir nach vorne auf die Olympischen Spiele in Pekingschauen, aber vielleicht blicken wir erstmal vier Jahre zurück. Bei den Spielen 2018 in Pyeongchang standen Sie als Co-Trainer hinter der Bande. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den sensationellen Gewinn der Silbermedaille zurück?

Christian Künast: Bei mir löst das immer noch Gänsehaut aus. Es sind viele Emotionen im Spiel, wie Filmsequenzen, die hängen geblieben sind. Es war einfach eine tolle Zeit, eine unglaubliche Erfahrung.

Im vergangenen November hat die Nationalmannschaft zum ersten Mal seit vielen Jahren den Deutschland Cup gewonnen. Bei der WM 2021 hat sie sich mit dem vierten Platz auch gut verkauft. Inwiefern haben diese beiden Turniere den Aufwärtstrend der DEB-Auswahl bestätigt?

Sie zeigen, dass wir deutlich reifer geworden sind als noch vor etwa zehn Jahren. Unser Team ist breiter aufgestellt, wir können aus einem größeren Kader schöpfen. Das ist der große Unterschied. Und auch die Mentalität hat sich geändert. Das hat unter [Ex-Bundestrainer - Anm. d. Red.] Marco Sturm begonnen und sich unter Toni Söderholm fortgesetzt. Die Spieler sind nicht mehr gleich zufrieden, wenn sie das Viertelfinale erreicht oder gegen eine sogenannte "große Nation" ein gutes Ergebnis geschafft haben. Die Jungs wollen gewinnen.

Künast (l.) gewann als Co-Trainer von Nationalcoach Marco Sturm (r.) 2018 in Pyeongchang olympisches SilberBild: Peter Kneffel/dpa/picture-alliance

Steht die Mannschaft wegen der Erfolge der vergangenen Jahre unter einem höheren Leistungsdruck?

Ich bin schon lange in diesem Geschäft, ich war Profispieler, Trainer und bin jetzt Sportdirektor. Druck gibt es immer. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Wir wollen besser werden, etwas erreichen, eigentlich liegt es in unserer Hand. Der Trend der vergangenen Jahre ist ganz ordentlich. Wir sind Fünfter der Weltrangliste. Das ist eine Momentaufnahme. Wir wissen, dass ein paar hinter uns stehen, die uns bislang voraus waren. Es ist insgesamt sehr eng bis Platz 14.

Wie schon in Pyeongchang werden keine Spieler der nordamerikanischen Profiliga NHL in Peking dabei sein. Das trifft das deutsche Team mit einer Handvoll NHL-Profis nicht so hart wie etwa Kanada oder die USA. Erhöhen sich dadurch die Chancen für die deutsche Mannschaft?

Ganz egal, ob sie nun mit 20 NHL-Spielern am Start sind oder mit 20 anderen - Nationen wie Kanada, die USA, Schweden oder Finnland werden mit sehr, sehr guten Mannschaften spielen. Ich sehe also keinen Vorteil für Deutschland. Wir hätten eine sehr gute Mannschaft mit den NHL-Spielern gehabt, wir haben auch eine sehr gute ohne sie. Bei den anderen Nationen ist es genauso.

Sie haben Marco Sturm erwähnt, der die Mannschaft in seiner Zeit als Bundestrainer vorangebracht hat. Viele waren über den Nachfolger Toni Söderholm überrascht, weil er sehr wenig Erfahrung als Trainer mitbrachte. Doch der Übergang scheint nahtlos funktioniert zu haben. Warum hat es mit Söderholm auf Anhieb so gut funktioniert?

Für mich war es keine Überraschung, weil ich schon mit Toni Söderholm bei der U20 gearbeitet hatte. Ich habe seine Qualitäten gut gekannt. Als Marco Sturm begann, hatte er auch keine Erfahrung als Trainer. Aber beide haben eines gemeinsam: Sie können eine Mannschaft zusammenbauen und vor allem: Sie können ein Feuer entfachen. Beide brennen für den Sport.

Die Menschenrechtslage in China, die Corona-Situation - fliegt man deswegen mit einem etwas mulmigen Gefühl nach Peking?

Natürlich wissen wir, dass dort nicht alles wie bei uns in demokratischen Verhältnissen ist. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, die Menschenrechtslage zu beurteilen. Wir sind wegen des Sports dort. Wir erteilen keinem Spieler einen Maulkorb, jeder darf seine Meinung äußern. In Sachen Corona machen wir, ganz offen gesagt, seit zwei Jahren nichts anderes, als die Krise für unsere Auswahlteams zu managen. Bei Olympia ist das natürlich noch eine Nummer größer. Wir haben uns dementsprechend sehr gut vorbereitet, doch ganz ausschließen kann man Infektionen natürlich nie. Wir sind aber guter Dinge und freuen uns auf die Spiele.

Zu seiner aktiven Zeit war Künast (2.v.l.) Torwart der deutschen NationalmannschaftBild: Rainer Jensen/dpa/picture-alliance

Der Weltverband IIHF hat die Staatsangehörigkeitsregeln gelockert. So dürfen bei Gastgeber China, einem der deutschen Gegner in der Gruppenphase, viele Kanadier und einige US-Amerikaner auflaufen, die für den Klub Red Star Kunlun in der Kontinental Hockey League spielen. Wie bewerten Sie das?

Wir wissen ungefähr, wie die chinesische Mannschaft aussehen wird. Wie genau, erfahren wir dann vor Ort. Wir haben uns darüber eigentlich keine Gedanken gemacht. Wir nehmen es, wie es kommt. Ganz einfach: Wir spielen gegen einen Gegner, der China heißt, und wir wollen gewinnen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Turnier, das für das deutsche Team am 10. Februar mit der Partie gegen den neunmaligen Olympiasieger Kanada beginnt?

Natürlich wollen wir unseren Sport wieder auf einer sehr großen Bühne so gut wie möglich präsentieren. Aber wir schauen von Spiel zu Spiel.

Christian Künast stand als Torwart bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake für Deutschland zwischen den Pfosten. Auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere im Jahr 2007 blieb er dem Eishockey treu. Seit 2015 arbeitet er für den Deutschen Eishockey-Bund. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang war Künast Co-Trainer des deutschen Teams, das Silber gewann. Seit 2020 ist er Sportdirektor des DEB.

Das Interview führte Chuck Penfold.