"Deutschland 83"- Regisseur Edward Berger im Interview
Jochen Kürten
22. November 2016
Bei den Berliner Filmfestspielen 2015 war die Fernsehserie "Deutschland 83" auf großer Leinwand aufgeführt worden. Seitdem feiert sie Erfolge. Nach dem deutschen TV-Start haben wir mit Regisseur Edward Berger gesprochen.
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"Deutschland 83" - auf Anhieb ein weltweiter Serienerfolg
Die TV-Serie über ein wichtiges Jahr der deutsch-deutschen Geschichte startet auch hierzulande. Premiere feierte sie auf der diesjährigen Berlinale, in den USA lief sie bereits viel beachtet und bekam sehr gute Kritiken.
Bild: RTL/N. Konietzny
Atemlose Spannung
In acht einstündigen Episoden erzählt "Deutschland 83" von den Erlebnissen des jungen DDR-Feldwebels Martin Rauch (Jonas Nay, l.), der im Jahre 1983 als Spion in die Bundeswehr eingeschleust wird. "Deutschland 83" ist klassisches Spionage-Genre - und für den Zuschauer ungeheuer spannend anzuschauen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Anwerbung in der DDR
Ausgangspunkt der Handlung ist die DDR zu Beginn der 1980er Jahre. Martins Tante Lenora Rauch (Maria Schrader), die für den Osten arbeitet und im Westen lebt, übernimmt die heikle Aufgabe, ihren Neffen vom Agenten-Einsatz in der Bundesrepublik zu überzeugen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Im Zeichen des Kalten Krieges
Die Geschichte von "Deutschland 83" ist vor dem Hintergrund der brisanten weltpolitischen Lage Anfang der 1980er angesiedelt. Die Handlung steht im Zeichen des Wettrüstens zwischen Ost und West, Höhepunkt des Kalten Krieges. In der Bundeswehr agiert Martin als Oberleutnant unter dem Decknamen Moritz Stamm.
Bild: RTL/N. Konietzny
Zeitbild der BRD
Entstanden ist die TV-Serie nach einer Idee der amerikanischen Autorin Anna Winger und des Produzenten Jörg Winger. Vier Autoren beteiligten sich am Drehbuch, zwei Regisseure inszenierten die Serie am Schluss. Die politisch angespannte Atmosphäre der Bundesrepublik im Jahr 1983 wird mit viel Gefühl für Zeitkolorit nachgestaltet. Dazu gehört auch ein Blick auf die Friedensbewegung.
Bild: RTL/N. Konietzny
Raketenzählen und Wettrüsten
Eines der zentralen Themen in "Deutschland 83" ist die Aufrüstung in Ost und West. In der BRD wurden damals US-Raketen vom Typ "Pershing II" stationiert. Generalmajor Wolfgang Edel (Ulrich Noethen) ist bei der Bundeswehr der direkte Vorgesetzte von Moritz Stamm - und arbeitet eng mit den US-Amerikanern zusammen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Hinter den politischen Kulissen
Die Zuschauer von "Deutschland 83" können miterleben, wie es hinter den Kulissen von Bundeswehr und NATO zugeht. Hier beraten General Edel (Ulrich Noethen, l.) und US-General Jackson (Errol T. Harewood, r.) das weitere Vorgehen in Sachen Wettrüsten. Das NATO-Manöver "Able Archer" wurde von der Sowjetunion damals als direkte Bedrohung angesehen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Gefahr eines Dritten Weltkrieges
Nach Ansicht vieler Historiker stand die Welt damals kurz vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Supermächten USA und UdSSR. Beide Länder und die jeweiligen Militärbündnisse hielten Manöver ab, um ihre Kriegsbereitschaft zu demonstrieren - eine hochgefährliche Situation.
Bild: RTL/N. Konietzny
Gut inszeniert: "Deutschland 83"
Die Fernseh-Serie "Deutschland 83" bekam gleich nach der Berlinale-Premiere gute Kritiken. Auch in den USA zeigte sich die Presse angetan vom Niveau des Mehrteilers. Das Thema Kalter Krieg ist bei US-Zuschauern beliebt. Manches wird sie an den Oscar-Erfolg des Kinofilms "Das Leben der Anderen" erinnert haben. Auch der neue Steven-Spielberg-Film "Bridge of Spies" spielt zur Zeit des Kalten Krieges.
Bild: RTL/N. Konietzny
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Es ist genau ein Jahr her, dass wir Regisseur Edward Berger in LA interviewt haben. Anlass war der TV-Start beim produzierenden Sender RTL in Deutschland. Berger hat die ersten fünf Folgen von "Deutschland 83" (von insgesamt acht) inszeniert. In den USA war er damals in Sachen Marketing für die in den USA sehr erfolgreichen TV-Serie unterwegs. "Deutschland 83" lief vor seiner Deutschland- und Europapremiere in den Vereinigten Staaten. Angesichts der jetzigen Auszeichnungen mit den Internationalen Emmys erweist sich Bergers damaliges US-Engagement als ein lohnendes Investment.
Deutsche Welle: Herr Berger, wie lief die Serie "Deutschland 83" in den USA? Wie fielen die Reaktionen aus?
Edward Berger: Die Serie lief bei "Sundance TV", das ist ein kleiner Sender, den man vielleicht mit ARTE vergleichen kann. Ein Spartensender, der aber sehr stark beobachtet wird, weil dort häufig neue interessante und gewagte Formate gezeigt werden. Man könnte ihn auch als Talentschuppen bezeichnen. In der amerikanischen Branche, aber auch beim Publikum, kam die Serie unheimlich gut an. Ich werde ständig darauf angesprochen und es gibt sehr viele Fans. Denen war es auch vollkommen egal, dass die Serie in einer fremden Sprache untertitelt war. Sie hat hervorragende Kritiken bekommen. Und die Quoten waren ebenfalls sehr gut.
"Werbung für Emmys und Golden Globes"
Wie kam es überhaupt dazu, dass diese Serie von einem US-Sender übernommen wurde - und so viel früher als in Deutschland lief? Das ist ja höchst ungewöhnlich!
"Sundance TV" kauft eine ausländische Serie pro Jahr, vor zwei Jahren war es zum Beispiel eine französische, jetzt waren wir es. Sie verfolgen immer ca. vier bis fünf Serien über einen sehr langen Zeitraum. Sie lesen die Drehbücher, beobachten die Rohschnitte, reden mit den Machern. Und am Ende haben sie uns gekauft. "Sundance TV" braucht ein Programm im Jahr, das sie im Sommer ausstrahlen, damit sie damit den Rest des Jahres für die Preis-Saison Werbung machen können, bei den Emmys, den Golden Globes usw.
Warum beschäftigen Sie sich gerade mit dem Jahr 1983? Das ist viel weniger im Bewusstsein der Menschen als zum Beispiel 1961 (Bau der Mauer) oder 1989 (Fall der Mauer). Und in den USA noch weniger!
Ich denke, man achtet erst mal gar nicht so genau auf die spezifische Jahreszahl. Der Kalte Krieg ist ein spannendes Thema für die Amerikaner: die Konkurrenz zu den Russen, diese Konfliktsituation mit ihnen, die in den letzten Jahren ja auch wieder neu entflammt ist. Es gibt seit Jahrzehnten immer wieder politische Reibungen zwischen den Supermächten.
Mit dem Thema des Kalten Krieges können sich die Amerikaner also sehr gut identifizieren. Das ist eine Episode in ihrer Geschichte, die vielen im Bewusstsein ist. Und 1983 war obendrein ein ganz spezielles Jahr, was der Zuschauer aber erst im Laufe der Serie erfährt. Ein sehr explosives Jahr, in dem es fast zum Dritten Weltkrieg gekommen wäre. Und der Höhepunkt des Kalten Kriegs, als die "doomsday clock" (Atomkriegsuhr), ganz kurz vor 12 Uhr stand.
"Blick jenseits der großen Geschichts-Schlaglichter"
Hat Sie und die Drehbuchautoren gerade das gereizt? Also auf ein Jahr zu blicken, das nicht ganz so bekannt und vielfach abgelichtet worden ist, wie zum Beispiel 1989?
Exakt. Das war ein Blick hinter die Kulissen, ein Blick jenseits der großen Schlaglichter der Geschichte. Auf einer weiteren Ebene hat mich aber auch sehr die Geschichte eines jungen Mannes gereizt, der völlig unschuldig im Staatsapparat des Ostens aufwächst und langsam sein politisches Erwachen erlebt. An seinem Leben hängt sich die Serie auf. Wenn unser Hauptprotagonist Martin Rauch/Moritz Stamm (Jonas Nay) allmählich bemerkt, dass ihn seine Sozialisation im Osten nicht alles gelehrt hat, erzählen wir im Grunde eine Coming-of-Age Geschichte.
Mir ging es im Übrigen ähnlich: ich war 1983 13 Jahre alt. Ich bin zwar im Westen groß geworden, aber allmählich wurden die politischen Demonstrationen größer, die Nachrichten brisanter. Mir wurde das so langsam bewusst, und dieses Hineinwachsen in ein politisches Bewusstsein fand ich sehr spannend. 1983 war eben ein spezielles Jahr, dieser Themenkomplex hat uns gereizt.
Vorbild Alfred Hitchcock
Das ist ungeheuer spannend anzusehen, man folgt dem Geschehen atemlos. Hat sie das auch angetrieben? Nicht nur eine Geschichts-Serie zu drehen, sondern das auch für ein größeres Publikum zu gestalten?
Es wäre für mich langweilig gewesen, ein Geschichtsbuch nachzuerzählen. Ich wollte die Geschichte natürlich an einer Person aufhängen, mir einem greifbaren Menschen verbinden, und diesen Menschen in brenzlige Situationen stellen. Ein gutes Vorbild war für mich Alfred Hitchcock. Wenn man einen Film nimmt wie "Über den Dächern von Nizza": Das ist ein Film, der ist erst mal spannend. Weil man wissen will, wer ist nun eigentlich der Dieb? Cary Grant? Oder jemand anderes? Und wenn ja, wie kommt er aus der Situation wieder heraus?
Der Film ist also sehr unterhaltsam. Er hat eine tolle Szenerie, er spielt an der Riviera mit gut aussehenden Menschen in großartigen Kostümen. Aber Hitchcock verbindet Entertainment immer mit Anspruch. Das war auch mein Ziel. Ich hatte aber auch weitere Vorbilder, den Film "No Country for Old Men" zum Beispiel von Joel und Ethan Coen oder auch die TV-Serie "House of Cards". Alle haben Stilelemente, die in den Tonfall der Serie eingeflossen sind.
"Deutschland 83" - auf Anhieb ein weltweiter Serienerfolg
Die TV-Serie über ein wichtiges Jahr der deutsch-deutschen Geschichte startet auch hierzulande. Premiere feierte sie auf der diesjährigen Berlinale, in den USA lief sie bereits viel beachtet und bekam sehr gute Kritiken.
Bild: RTL/N. Konietzny
Atemlose Spannung
In acht einstündigen Episoden erzählt "Deutschland 83" von den Erlebnissen des jungen DDR-Feldwebels Martin Rauch (Jonas Nay, l.), der im Jahre 1983 als Spion in die Bundeswehr eingeschleust wird. "Deutschland 83" ist klassisches Spionage-Genre - und für den Zuschauer ungeheuer spannend anzuschauen.
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Anwerbung in der DDR
Ausgangspunkt der Handlung ist die DDR zu Beginn der 1980er Jahre. Martins Tante Lenora Rauch (Maria Schrader), die für den Osten arbeitet und im Westen lebt, übernimmt die heikle Aufgabe, ihren Neffen vom Agenten-Einsatz in der Bundesrepublik zu überzeugen.
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Im Zeichen des Kalten Krieges
Die Geschichte von "Deutschland 83" ist vor dem Hintergrund der brisanten weltpolitischen Lage Anfang der 1980er angesiedelt. Die Handlung steht im Zeichen des Wettrüstens zwischen Ost und West, Höhepunkt des Kalten Krieges. In der Bundeswehr agiert Martin als Oberleutnant unter dem Decknamen Moritz Stamm.
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Zeitbild der BRD
Entstanden ist die TV-Serie nach einer Idee der amerikanischen Autorin Anna Winger und des Produzenten Jörg Winger. Vier Autoren beteiligten sich am Drehbuch, zwei Regisseure inszenierten die Serie am Schluss. Die politisch angespannte Atmosphäre der Bundesrepublik im Jahr 1983 wird mit viel Gefühl für Zeitkolorit nachgestaltet. Dazu gehört auch ein Blick auf die Friedensbewegung.
Bild: RTL/N. Konietzny
Raketenzählen und Wettrüsten
Eines der zentralen Themen in "Deutschland 83" ist die Aufrüstung in Ost und West. In der BRD wurden damals US-Raketen vom Typ "Pershing II" stationiert. Generalmajor Wolfgang Edel (Ulrich Noethen) ist bei der Bundeswehr der direkte Vorgesetzte von Moritz Stamm - und arbeitet eng mit den US-Amerikanern zusammen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Hinter den politischen Kulissen
Die Zuschauer von "Deutschland 83" können miterleben, wie es hinter den Kulissen von Bundeswehr und NATO zugeht. Hier beraten General Edel (Ulrich Noethen, l.) und US-General Jackson (Errol T. Harewood, r.) das weitere Vorgehen in Sachen Wettrüsten. Das NATO-Manöver "Able Archer" wurde von der Sowjetunion damals als direkte Bedrohung angesehen.
Bild: RTL/N. Konietzny
Gefahr eines Dritten Weltkrieges
Nach Ansicht vieler Historiker stand die Welt damals kurz vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Supermächten USA und UdSSR. Beide Länder und die jeweiligen Militärbündnisse hielten Manöver ab, um ihre Kriegsbereitschaft zu demonstrieren - eine hochgefährliche Situation.
Bild: RTL/N. Konietzny
Gut inszeniert: "Deutschland 83"
Die Fernseh-Serie "Deutschland 83" bekam gleich nach der Berlinale-Premiere gute Kritiken. Auch in den USA zeigte sich die Presse angetan vom Niveau des Mehrteilers. Das Thema Kalter Krieg ist bei US-Zuschauern beliebt. Manches wird sie an den Oscar-Erfolg des Kinofilms "Das Leben der Anderen" erinnert haben. Auch der neue Steven-Spielberg-Film "Bridge of Spies" spielt zur Zeit des Kalten Krieges.
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Kino und Fernsehen in Serie
Es wird viel über das serielle Erzählen gesprochen, TV-Serien sind derzeit besonders populär. Sie haben eine Serie gedreht, haben aber auch Erfahrungen im Spielfilmsektor. Wie ist Ihre Meinung zum Serienfernsehen?
Diese Art des Filmemachens hat sich gerade sehr gut entwickelt. Namhafte Produzenten, Regisseure und Autoren nehmen sich großer Themen an und versuchen, über eine lange Strecke in ihre Figuren einzutauchen. Dabei benutzen sie häufig auch die visuelle Sprache des Kinos und nicht die herkömmliche, etwas bravere Erzählform des Fernsehens.
Das, was wir im Fernsehen sehen, wie es aussieht und wie wir es wahrnehmen oder auch konsumieren, wird gerade vollkommen revolutioniert. Und ich merke, dass das auch langsam in Deutschland ankommt. Der große Vorteil der Serie ist, dass die Menschen sie nicht mehr im Fernsehen gucken, sondern wo und wann immer sie wollen auf ihrem Computer. Die Serie ist in Mode sozusagen. Aber das Kino hat für mich immer noch einen ganz besonderen Status. Es wird sich nie überholen.