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Interview-Passgen des rumänischen Präsidenten Iliescu zum Holocaust lösen in Israel Proteste aus

29. Juli 2003

Köln, 29.7.2003, HAARETZ, RUMÄNISCHER RUNDFUNK

HAARETZ, engl., 26.7.2003,

Das Außenministerium hat den rumänischen Botschafter in Israel einbestellt, um herauszufinden, ob die Aussage des rumänischen Präsidenten, dass der Holocaust nicht ausschließlich die Juden betroffen habe, die Position der Regierung seines Landes reflektiere. Das meldete der Israelische Rundfunk am Freitag (25.7.).

Die Aussagen des rumänischen Präsidenten Ion Iliescu seien "unsensibel", erklärte Justizminister Yosef (Tommy) Lapid am Freitag.

Lapid, ein in Jugoslawien geborener Holocaust-Überlebender, sagte gegenüber dem Israelischen Rundfunk, es stimme zwar, dass 350 000 Juden in Rumänien geblieben seien. 420 000 seien jedoch dort und in von der rumänischen Armee besetzten Territorien umgebracht worden. "Hält es Iliescu für der Sache nicht wert, den Holocaust der rumänischen Juden zuzugeben"?, fragte er.

In einem Interview mit Haaretz hatte Iliescu die jüdische Erfahrung im Holocaust mit der der Polen und Kommunisten verglichen und gesagt, Entschädigungsklagen sollten aufgeschoben oder abgelehnt werden und das rumänische Volk, jedoch nicht die Führer, von Verbrechen während des Holocausts freigesprochen. Die rumänische Regierung hatte ihre Rolle im Holocaust bestritten und die Verleugnung dann widerrufen.

"Der Holocaust betraf nicht ausschließlich die jüdische Bevölkerung in Europa. Viele andere, darunter Polen, starben auf die gleiche Weise", sagte Iliescu.

Nach Worten des Präsidenten "wurden im Rumänien der Nazi-Zeit Juden und Kommunisten gleich behandelt. Mein Vater war ein kommunistischer Aktivist und wurde in ein Lager geschickt. Er starb im Alter von 44 Jahren weniger als ein Jahr nach seiner Rückkehr.

Zu der Erklärung der rumänischen Regierung vom 13. Juni, in der bestritten wurde, dass im Lande ein Holocaust stattgefunden habe, sagte Iliescu: "Die Regierung hat die Erklärung abgeändert, weil der Inhalt fehlerhaft präsentiert wurde. Der Holocaust war ein allgemeines Phänomen in Europa... und solche Ereignisse kamen auch auf dem Territorium Rumäniens vor. Die Massaker in Bukarest und Iasi (im Jahre 1941) und das Entsenden von Juden in die Konzentrationslager in Transnistrien fanden in Rumänien statt und die Führer jener Zeit sind verantwortlich für diese Ereignisse".

Er hob jedoch hervor: "Es ist unmöglich, dem rumänischen Volk und der Gesellschaft die Schuld daran zu geben".

Der Präsident ist der Auffassung, angesichts der düsteren Wirtschaftslage des Landes müssten die Rückerstattungsklagen, in denen die Rückgabe jüdischen Eigentums verlangt wird, entweder verschoben oder abgelehnt werden.

"Die Menschen kämpfen mit Mängeln und gleichzeitig bringen Leute Ansprüche vor, weil in der rumänischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs und danach Eigentum verstaatlicht wurde. Heißt das, dass der geplagte rumänische Bürger von heute für das bezahlen muss, was damals geschah? Lohnt es sich, denjenigen die Haut abzuziehen, die heute im Elend leben? Nur um andere zu entschädigen? Das finde ich unangemessen. (MK)

RUMÄNISCHER RUNDFUNK, deutsch, 28.7.2003

Das rumänische Präsidialamt in Bukarest hat versucht, der Lawine von Vorwürfen ein Ende zu setzen. In diesem Sinne wurde ein Kommuniqué veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass der rumänische Landespräsident überrascht und verbittert sei über die Reaktionen Israels und auch über das, was er als eine fehlerhafte Auslegung seiner Aussagen durch die Journalisten und die Kommentartoren in Israel und auch in Rumänien betrachtet.

Keineswegs unempfindlich und mit keinerlei böser Absicht habe der Landespräsident versucht, ein Phänomen mit einer Tragik sondergleichen in der modernen Geschichte in einem größeren Rahmen zu umschreiben, und zwar den nazistischen Totalitarismus. Laut Iliescu fielen diesem zum Opfer Juden, aber auch Slawen, Franzosen, Rumänen, Italiener, Roma wie auch Homosexuelle, Anhänger anderer religiöser oder ideologischer ?Gruppen, weiterhin Kommunisten und selbst Sozialdemokraten. Iliescu habe nicht bestritten, dass die Juden in Europa das Hauptziel der politischen Verfolgungen der Nazis waren. Auch haben die Juden durch diese ?Strafverfolgungen ein Trauma erlebt, an dem Rumänien durch seine damalige Allianz mit Nazi-Deutschland nicht ganz unbeteiligt war. Im diesem Sinne ist sich Rumänien seiner historischen Verantwortung bewusst und will auch gegen eine Auferstehung des Antisemitismus ankämpfen. Auch soll alles getan werden in Sachen Rückerstattung der jüdischen Besitztümer an die rechtmäßigen Eigner. (MK)